Hertha-Kolumne

Kriegt Stefan Leitl beim Ex-Klub die Kurve, ist Hertha zurück auf Kurs

Perfektes Drehbuch: Die Partie am Sonnabend in Hannover hat alles, was es für einen Befreiungsschlag von Hertha BSC braucht.

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Coach Stefan Leitl steht beim Training von Hertha BSC mit vor der Brust verschränkten Armen auf dem Rasen, schaut den Profis genau auf die Füße.
Coach Stefan Leitl steht beim Training von Hertha BSC mit vor der Brust verschränkten Armen auf dem Rasen, schaut den Profis genau auf die Füße.Jan-Philipp Burmann/City-Press

„Wir sollten die Kirche im Dorf lassen!“ Das sagte Präsident Fabian Drescher, als er bei der Vorstellung des neuen Geschäftsführers Dr. Peter Görlich seine Einschätzung zum total verkorksten Saisonstart von Hertha BSC abgeben sollte. „Natürlich hätte ich mir aus meiner Perspektive mehr erhofft“, so Drescher weiter, „aber wir sind erst am vierten Spieltag und unser Saisonziel ist noch in greifbarer Nähe. Noch sind 90 Punkte zu vergeben. Wir sind weit davon entfernt, jetzt in Panik zu verfallen.“

Nicht zu übertreiben und sachlich zu bleiben, das bedeutet unter anderem die uralte Redewendung „die Kirche im Dorf lassen“ und auch, eine Situation nicht dramatischer darzustellen, als sie ist. In der gegenwärtigen schwierigen sportlichen Phase nicht in hektische Betriebsamkeit oder gar in Panik zu geraten, ist sicher eine richtige Einstellung des Präsidenten. Dennoch: Die kritische Lage zu verharmlosen, ist ebenso gefährlich. Es war ja nicht so, dass lediglich die Ergebnisse nicht stimmten, sondern das Auftreten der Mannschaft. Sie hat die Spiele nicht etwa durch viel Pech verloren oder nicht gewonnen. Nein, das Team agierte schwach und jeder Profi blieb weit unter seinem Niveau. Die Blamage der deutschen Nationalmannschaft beim 0:2 gegen die Slowakei in Bratislava erinnerte mich gar an die Leistung der Hertha bei der 0:2-Heim-Pleite gegen die SV Elversberg.

Ende 2024 stand Trainer Stefan Leitl (l.) noch für Hannover gegen Hertha BSC mit Trainer Cristian Fiel an der Linie.
Ende 2024 stand Trainer Stefan Leitl (l.) noch für Hannover gegen Hertha BSC mit Trainer Cristian Fiel an der Linie.David Inderlied/dpa

Hertha-Trainer Stefan Leitl wurde Ende 2024 in Hannover gefeuert

Am Sonnabend muss Hertha beim souveränen und bislang in vier Spielen siegreichen Tabellenführer Hannover 96 antreten. Das Duell birgt enorme Brisanz, was vor allem mit Herthas Cheftrainer Stefan Leitl zusammenhängt. Der 48-Jährige wurde kurz vor der Jahreswende 2024/25 nach zweieinhalb Jahren in Hannover entlassen. Das kam überraschend, denn Leitl lag mit seinem damaligen Team nach der Hinrunde als Tabellen-Siebter nur einen Punkt hinter dem Relegationsrang drei.

Schon werden rund um „96“ gewagte Prognosen angestellt. Die Neue Presse (Hannover) mutmaßt etwa: „Bei der Berliner Hertha hat Trainer Stefan Leitl einen Gruselstart mit zwei Punkten aus vier Spielen hingelegt, seine Mannschaft agiert leidenschaftslos, und der Coach gerät bereits in Erklärungsnot. Die Länderspielpause wird der Trainer in Berlin wohl noch schadlos überstehen – was allerdings passiert, falls seine Hertha beim Spiel am Maschsee hilflos untergehen sollte, ist offen. Dann hätte 96 Leitl vielleicht schon wieder gefeuert.“

Fakt ist allerdings, dass Leitl in Berlin intern nicht infrage gestellt wird. Sein Bonus nach der Rettung der Hertha vor dem drohenden Sturz in Liga drei in der Vorsaison ist sehr groß. Er strahlt nach wie vor Ruhe und Sicherheit aus. Eine schnelle Wende zum Besseren wird ihm zu hundert Prozent zugetraut.

Trainer Stefan Leitl schaut nach dem 0:2 gegen Elversberg Toni Leistner tief in die Augen.
Trainer Stefan Leitl schaut nach dem 0:2 gegen Elversberg Toni Leistner tief in die Augen.Moritz Eden/City-Press

Kritische Situation wie jetzt bei Hertha BSC kann Leitl

In seiner erfolgreichen Trainer-Karriere meisterte Leitl einige kritische Situationen, bekam aber durch zwei Entlassungen auch Dellen. Im September 2018 musste er den FC Ingolstadt nach vielen Jahren – zuerst als Profi und danach als Trainer – verlassen, nachdem in den ersten sechs Spielen der Saison 2018/19 nur ein Sieg gelungen war. Bei der SpVgg Greuther Fürth, die er mit geringen finanziellen Mitteln in die Erste Bundesliga geführt hatte, trat er im Mai 2022 selbst zurück, als nach dem einjährigen Intermezzo im Oberhaus der Abstieg feststand. Er wollte den Weg für einen neuen Coach mit neuen Ideen freimachen. Danach folgte Hannover 96, wo es Trainer traditionell schwer haben und sich seit 2019 zehn Fußball-Lehrer versuchten.

Hertha und Leitl aber benötigen nun endlich wieder einen Befreiungsschlag – so wie im März 2025, als man in äußerst prekärer Lage (nur drei Punkte Abstand auf Relegationsplatz 16) mit 5:1 bei Eintracht Braunschweig auftrumpfte und dem damaligen Ziel „Klassenerhalt“ viel näherkam. Jetzt sind die verkündeten Ziele – der Wiederaufstieg – ganz andere. Um mit Präsident Fabian Drescher zu enden: „Noch sind 90 Punkte zu vergeben.“