Hertha-Kolumne

Kay Bernsteins „Berliner Weg“ bleibt bei Hertha BSC wohl nur ein Wunsch!

Aber mit Super-Bubi Boris Lum (16) stehen immerhin schon mal zwölf Berliner im Kader von Trainer Cristian Fiel. 

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Boris Blum (16) ist ab sofort der jüngste Profi, der je für Hertha BSC auf dem Platz stand. 
Boris Blum (16) ist ab sofort der jüngste Profi, der je für Hertha BSC auf dem Platz stand. dpa

Mit „unbekümmert, frech und mutig“, beschreibt Herthas Sportdirektor Benjamin Weber das Riesentalent Boris Mamuzah Lum. Als dieser „spannende Junge“ (nochmal Zitat Weber) am zurückliegenden Sonntagnachmittag im Spiel der Hertha gegen die SV Elversberg in der 85. Minute eingewechselt wurde, hatte sich der defensive Mittelfeldmann einen Ehrenplatz in der Klub-Historie gesichert. Mit gerade einmal 16 Jahren, 11 Monaten und 27 Tagen ist er der jüngste Kicker, der je für Hertha ein Profispiel bestritt. Er löste so nach mehr als 16 Jahren Shervin Radjabali-Fardi ab. Der wurde im Juli 2008 im Alter von 17 Jahren und zwei Monaten im Qualifikationsspiel für den Uefa-Cup gegen Nistru Otaci aus Moldawien von Trainer Lucien Favre in der 71. Minute für Sofian Chahed eingewechselt.

Boris Lum schreibt bei Hertha BSC Geschichte

Neu-Rekordler Lum ist ein gebürtiger Berliner und ein Junge, der die Hertha-Akademie durchlaufen hat. Das sind für mich zwei Faktoren, die die Frage aufwirft: Wird Hertha tatsächlich irgendwann den „Berliner Weg“ auf die Spitze treiben und mit elf Berliner Jungs auflaufen?

Die vielleicht wichtigste Unterschrift der vergangenen Jahre: Mega-Talent Ibrahim Maza (18) verlängerte jüngst einen Vertrag bei Hertha BSC.
Die vielleicht wichtigste Unterschrift der vergangenen Jahre: Mega-Talent Ibrahim Maza (18) verlängerte jüngst einen Vertrag bei Hertha BSC.City-Press

Das erscheint angesichts des aktuellen Aufgebots durchaus nicht völlig utopisch zu sein. Die Journalisten-Kollegen des rbb haben erst vor 14 Tagen unter dem Titel: „Hertha BSC made in Berlin“ herausgefunden, dass kein deutscher Erst- und Zweitligist so viele Spieler aus der eigenen Stadt im Profikader besitzt wie die Hertha – nämlich elf. Mit Boris Lum kommt die Nummer 12 hinzu.

Hertha BSC verlängert wichtige Verträge

Dass dieser Weg in den kommenden Jahren erfolgreich sein kann, zeigen die Vertragsverlängerungen gleich mit drei Jung-Profis in den zurückliegenden Tagen und Wochen. Ende August unterschrieb Ibrahim Maza (18) bis 2027, vor zehn Tagen Marton Dardai (22) bis 2028 und am vorigen Freitag Keeper Tjark Ernst (21) bis 2027. Auf Dardai und Maza treffen die Punkte (gebürtige Berliner und Akademie-Absolvent) zu, nur Ernst tanzt aus der Reihe und kam 2022 vom VfL Bochum. Fakt ist: Je mehr Berliner Jungs, die natürlich zuallererst fußballerisch in der Lage sein müssen, Erste oder Zweite Liga zu spielen, im Aufgebot stehen, desto intensiver ist die Identifikation der Fans mit dem Team.

Zugegeben, die Vergleiche hinken ein wenig, aber es gibt extreme Beispiele, wo Lokalkolorit zu sportlichen Erfolgen führte. Berühmt ist dafür Athletic Bilbao, wo nur gebürtige Basken oder Jungs mit baskischen Wurzeln zum Einsatz kommen. Das gilt als Symbol der Eigenständigkeit – auch aus politischen Motiven heraus.

Hertha BSC: Bernsteins „Berliner Weg“ braucht eine Prise Erfahrung

Ein ganz anders gelagertes Beispiel lieferte einst der DDR-Oberligist 1. FC Magdeburg, der es mit einheimischen Akteuren sogar bis zum Europacupsieger brachte. Als die Mannschaft am 7. Mai 1974 im Finale des Europacups der Pokalsieger den AC Mailand mit 2:0 bezwang, standen ausschließlich Spieler aus dem damaligen Bezirk Magdeburg auf dem Rasen. Von Regisseur Jürgen Pommerenke (aus Wegeleben) über Mittelfeld-Stratege Paule Seguin (aus Burg) bis zu Torjäger Jürgen Sparwasser (aus Halberstadt) kamen alle elf Kicker aus dem Umkreis von Magdeburg. Damals durften die DDR-Klubs einige Zeit nur Spieler aus dem eigenen Bezirk beschäftigen.

Zurück zur Hertha. Die hat sich seit Januar 2023 unter Sportdirektor Weber im Verbund mit dem damaligen Präsidenten Kay Bernstein konsequent dem „Berliner Weg“ verschrieben. Aus Überzeugung und auch aus wirtschaftlichen Gründen. Doch die zahlreichen Talente brauchen auch Anführer an ihrer Seite, die als Nicht-Berliner in anderen Ligen oder auch Ländern Erfahrungen gesammelt haben. Mit Toni Leistner, Diego Demme, Fabian Reese oder auch Michael Cuisance sind diese Typen vorhanden. Am Ende geht es zuerst um den sportlichen Erfolg – um Titel oder eben den Aufstieg. Wenn das mit fünf, sechs oder sieben Berlinern im Team gelingt, wäre das schön, aber nicht entscheidend. Elf Berliner auf dem Platz bleibt eher ein Wunsch für Fußball-Romantiker.