Der klare KURIER-Kommentar

Hertha BSC: Eine Saison mit zu viel Hoffnung

Hertha landet nach dem 1:2 in Osnabrück auf Platz 9 und eigentlich hätte es viel schlimmer kommen können.

Author - Wolfgang Heise
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Die Fans hofften viel, die Spieler auch. Doch am Ende klappte es nicht mit dem sofortigen Wiederaufstieg für Hertha BSC.
Die Fans hofften viel, die Spieler auch. Doch am Ende klappte es nicht mit dem sofortigen Wiederaufstieg für Hertha BSC.Imago Images/Beautiful Sports

Nach dem 1:2 in Osnabrück beendet Hertha BSC die Zweitliga-Saison auf Platz 9. Die einen sagen: Zu wenig. Die anderen sagen: Genau richtig. Und ich sage: Es hätte viel schlimmer kommen können.

Genau vor einem Jahr und einem Tag war Herthas Bundesliga-Abstieg nach dem 1:1 gegen den VfL Bochum am 33. Spieltag besiegelt. Es folgte nach den Geldverbrenn-Chaosjahren der radikale Sparkurs im Sommer. Der Klub musste um die Lizenz bangen. Weil die teuren Spieler erst verkauft werden mussten, war Sportdirektor Benny Weber lange fast handlungsunfähig bei Neueinkäufen.

Der Saisonstart ging mit drei Pleiten quasi mit Ansage komplett nach hinten los. Einige Schwarzmaler befürchteten im August 2023 das Durchreichen in die Dritte Liga. Alle im Klub behielten Ruhe und vertrauten Trainer Pal Dardai und der neuen Mannschaft. Die Fans unterstützten den Kurs komplett.

Bauchmensch Dardai hatte bei den Spielern im Turbo-Tempo wieder einen Teamgeist in die Köpfe implantiert. Warum? Weil er es kann! Das wussten alle. Dann passierten kleine Wunder, mit denen so schnell keiner gerechnet hatte. Nach Jahren der Sturmebbe hatten die Blau-Weißen plötzlich wieder mit Haris Tabakovic einen Torjäger und mit Fabian Reese einen Flankengott. Dazu funktionierten drei junge Spieler prächtig: Torwart Tjark Ernst, Marten Winkler und Pascal Klemens.

Hertha stand zu Weihnachten auf Platz 7 und die Aufstiegsträume wurden immer größer. Aus zu großen Hoffnungen wurden Erwartungen. Dabei war schon damals zu sehen, an was es hakt: Das  Defensivverhalten - und damit ist nicht nur die Abwehrreihe gemeint – leistete sich zu viele Böcke und war nicht aufstiegsreif. Zweitligameister St. Pauli und Vizemeister Kiel haben in dieser Saison unter 40 Gegentreffer kassiert. Hertha schrammt an der 60er-Marke.

Mit neuem Schwung sollte ins Jahr 2024 gestartet werden. Doch nach nur 16 Tagen war bei Hertha nichts mehr, wie es war. Präsident Kay Bernstein verstarb, der Klub und die Mannschaft war unter Schock. Auch der Rückrundenstart ging nach hinten los. Nur ein Punkt (2:2 gegen Düsseldorf) aus drei Spielen, dazu das Pokal-Aus. Menschen sind keine gefühllosen Maschinen. Der Schicksalsschlag hätte viel schlimmere Auswirkungen haben können, nämlich noch mehr Niederlagen. 

Die Folgen des Todes von Kay Bernsteins gingen mir persönlich bisher zu wenig in die sportliche Beurteilung dieser Saison ein. Das Team erholte sich, gewann und verlor. Der roten Faden blieb. Vorne hui, hinten pfui, das reichte nicht für eine Siegesserie und Hertha verpasste jedes Mal den entscheidenden Schritt, ernsthaft in den Aufstiegskampf einzugreifen. Die Hoffnung war lange da, doch sie war einfach zu groß. Nächste Saison soll sie bei Hertha ein neuer Trainer erfüllen. Und ich möchte nichts mehr von Neuaufbau hören, sondern eine solide Abwehr sehen, vielleicht klappt es dann ja mit dem Aufstieg … ■