Die sportliche Katastrophe war eingetreten. Hertha BSC hatte die schlechteste Hinrunde der Vereinsgeschichte gespielt. Unglaublich! Nach nur einem Sieg und drei Remis in 17 Duellen blieb mit desaströsen sechs Punkten nur abgeschlagen der letzte Tabellenplatz in der Ersten Bundesliga. Das geschah in der Saison 2009/10.
Im Januar vor 15 Jahren aber stürmten dennoch die blau-weißen Anhänger die Fanshops. Der Klub hatte in seiner Not zu einer gelungenen Marketingmaßnahme gegriffen. Man ließ T-Shirts mit dem Schriftzug „Aufholjäger“ drucken und verkaufte diese für 10 Euro. Hertha wollte die Fans, die fortan voller Hoffnung das neue Outfit trugen, mobilisieren. Der für viele undenkbare Abstieg aus dem Oberhaus nach 13 Jahren Erstklassigkeit sollte doch noch verhindert werden.
Unter Funkel trainierte Hertha auf Mallorca einst im Regen
Cheftrainer Friedhelm Funkel, der den Schweizer Lucien Favre nach sieben Spielen abgelöst hatte, schwor die Mannschaft im Winter-Trainingslager in Palma de Mallorca an vielen kalten Regentagen auf die Rückrunde ein. Im nahen Tramuntana-Gebirge lag sogar Schnee! Funkels Motto: „Wer sich bewegt, der friert nicht!“
Das Ende der Aufholjagd ist bekannt. Nach dem 33. Spieltag – Hertha hatte immerhin noch 18 Punkte in der Rückrunde geholt – stand der Abstieg fest.
Der Hertha-Jahrgang 2025 hat es weitaus besser getroffen. In Andalusien, wo sich das Team gerade auf die Rückrunde in der Zweiten Liga vorbereitet, sind die Bedingungen – das Wetter und die Trainingsplätze – viel besser als einst bei Funkels gescheiterten Aufholjägern. Zudem ist die sportliche Situation von Cheftrainer Cristian Fiel und seinen Profis weitaus komfortabler und das Ziel, in diesem Fall der Aufstieg, greifbarer als 2010 der ersehnte Klassenerhalt.

Hertha trennen nur sechs Punkte vom Relegationsplatz
In der wilden Zweiten Liga beträgt der Abstand zum Relegationsplatz 3 nur sechs Punkte, zum ersten direkten Aufstiegsplatz sieben Zähler. Eine Aufholjagd mit aller Konsequenz zu starten, sollte doch möglich sein – auch ohne eine Neuauflage der beliebten T-Shirts von 2010.
In Benalup-Casas Viejas, einem 7000-Einwohner-Städtchen gut 60 Kilometer von Cadiz entfernt, trainiert das Team bis zum Sonnabend. Wenn diese junge, talentierte Truppe, angeführt von erfahrenen Profis wie Toni Leistner und Florian Niederlechner und mit einem hoffentlich bald in alter Form auflaufenden Fabian Reese, eine verschworene Gemeinschaft bildet, sollte der Angriff auf die Aufstiegsplätze gelingen. Vor allem die von Sportdirektor Benjamin Weber geforderten „Drei K“ – Konzentration, Konsequenz, Konstanz – sind dafür entscheidend.
Es gab bei Hertha in der Vergangenheit Beispiele – damals in der Ersten Liga – in der vor allem der Teamgeist Berge versetzte und spielerische Mängel ausglich. Im Januar 2004 schleppte Hertha magere 13 Punkte, die Abstiegsplatz 17 bedeuteten, mit ins Trainingslager nach Maspalomas auf Gran Canaria. Trainer-Original Hans Meyer hatte den glücklosen Huub Stevens und Interimstrainer Andreas Thom (drei Spiele) Anfang Januar abgelöst. Der von den Fans als Heilsbringer empfangene Meyer nahm sämtliche Spieler, auch die Rekonvaleszenten und verletzten Profis, mit auf die Kanaren, wollte so den „Geist von Maspalomas“ erzeugen. „Mit Härte und Spaß“, so sein Motto. Meyers saloppe Ansage: „Nach dem Trainingslager kenne ich die Jungs alle beim Namen.“
Hans Meyer verließ Hertha einst mit einem Koffer voll Geld
26 Punkte kamen in der Rückrunde hinzu, am 33. Spieltag und einem 1:1 bei 1860 München stand der Klassenerhalt fest und Meyer verließ Berlin als gefeierter Mann und mit einem „Koffer voller Geld“, wie er sagte.



