Hertha-Kolumne

Auf zwölf Jahre Hertha BSC packt Fabian Lustenberger fünf in Bern drauf

Der Schweizer hört im Mai auf. Seinen blau-weißen Fußballkoffer hat er für immer in Berlin.

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18. Mai 2019: Fabian Lustenberger steht nach seinem letzten Spiel für Hertha BSC mit zwei Mikrofonen in der Hand gerührt vor der Fankurve.
18. Mai 2019: Fabian Lustenberger steht nach seinem letzten Spiel für Hertha BSC mit zwei Mikrofonen in der Hand gerührt vor der Fankurve.Andreas Gora/dpa

Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Das war im August 2007. Wir haben mit Hertha 3:1 gegen den VfB Stuttgart gewonnen!“ Der Schweizer Fabian Lustenberger, der Anfang Mai 36 Jahre alt wird, konnte meine Frage nach seinem ersten Bundesligaspiel locker beantworten. Über Ostern hatte ich mit ihm telefoniert, kurz nachdem er über seinen Verein, den Schweizer Meister Young Boys Bern, in einem emotionalen Video sein Karriereende nach Saisonschluss bekannt gegeben hatte.

Lusti hat in 18 Jahren Profifußball lediglich für drei Klubs gespielt, am längsten für Hertha BSC

Das Echo in der Schweiz war enorm. „Als Musterbeispiel für Vereinstreue wird er in die Geschichtsbücher eingehen“, heißt es bei den Young Boys. Mit den Bernern will Lustenberger im Mai als „Captain“ zum vierten Mal das Schweizer Championat feiern. „Ich möchte unbedingt als Meister abtreten“, sagte er am Telefon. In der Berner Zeitung hieß es: „Als er in der Kabine das Wort ergriff, um seinen baldigen Abschied zu verkünden, pochte sein Herz!“ Der Entschluss sei ihm nicht leichtgefallen, erzählte Lustenberger, der in Berlin und auch in Bern als Kapitän agierte, was neben seinen fußballerischen Fähigkeiten für seine menschlichen Qualitäten spricht.

Der vielseitige Profi, der in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kam, hat in 18 Jahren Profifußball lediglich für drei Klubs gespielt: ein Jahr beim FC Luzern unter Trainer Ciriaco Sforza, zwölf Jahre bei Hertha BSC und nun fünf Jahre bei den Young Boys. Es war Lucien Favre, der den damals 19-Jährigen zur Hertha lockte, als Trainer und Jungprofi beide den ersten Schritt ins Ausland wagten.

Schaut man auf die Hertha-Mannschaft bei seinem Liga-Debüt für die Berliner – von Jaroslav Drobny im Tor bis zu Marko Pantelic im Angriff –, wähnt man sich in einer ganz anderen Zeit. Lustenberger kam erst in der 88. Minute für Solomon Okoronkwo ins Spiel. Niemand aus diesem Team außer dem Schweizer ist noch als Aktiver am Ball.

Bis zu seinem Abschied aus Berlin, einer deftigen 1:5-Niederlage im Olympiastadion gegen Bayer Leverkusen am 18. Mai 2019, hatte Lustenberger stattliche 220 Erstligaduelle für Hertha bestritten und 51 Zweitligaeinsätze in seiner Vita zu stehen. Zwei Abstiege und zwei sofortige Wiederaufstiege, dazu Auftritte in der Europa League gehören zu seiner Berliner Bilanz. Dabei spielte Lusti unter acht Cheftrainern.

Der Selbstläufer zwölf Jahre Hertha BSC hat eine ganz einfache Erklärung

Wie schafft man zwölf Jahre im Hertha-Trikot? Lustenberger sagt: „Ich habe mich in Berlin und im Verein sehr wohlgefühlt. Da ich mich überhaupt nicht mit einem Weggang beschäftigt habe, bekam ich auch keine Angebote.“

Diese seltene Vereinstreue hat viele Ursachen. Bei Hertha wurde der junge Profi erwachsen, musste in einem fremden Land zurechtkommen, bekam seine erste eigene Wohnung und stieg sogar zum Nationalspieler auf. Und er lernte in Berlin seine Frau Monique kennen, mit der er zwei Söhne und eine Tochter hat.

In Zeiten, in denen Profis nach Torerfolgen überschwänglich das Vereinslogo küssen, aber nur Monate später für einen neuen Klub und mehr Geld auflaufen, bilden Typen wie Lustenberger eine rühmliche Ausnahme. Er reiht sich in einen überschaubaren Zirkel von Profis ein, die ähnlich tickten. Am Saisonende wird der Slowake Peter Pekarik (37) mit Lusti gleichziehen und dann auch zwölf Jahre Herthaner sein. Andere Beispiele für das seltene Gut „Vereinstreue“ als Spieler gab es meist zu viel früheren Zeiten. Torhüter Christian Fiedler (17 Jahre bei Hertha), Andreas Schmidt (17), Pal Dardai (14) oder in den 1960er-Jahren ein Helmut Faeder (14) gehören zu den treuesten Blau-Weißen.

Am Ostermontag absolvierte Fabian Lustenberger beim 0:0 in Yverdon sein 150. Spiel für die Young Boys. Er freut sich, sagt: „Bald beginnt ein neuer Lebensabschnitt.“ Wahrscheinlich beruflich im Nachwuchsbereich bei den Young Boys und einem intensiven Familienleben. Viel Glück, Lusti! ■