Hertha-Kolumne

Alles eine Frage der Fitness: Stefan Leitl macht Hertha BSC Beine

Unterm neuen Trainer setzen Blau-Weiße ihre Kraft anders ein und schon ist die Konditions-Debatte verstummt.

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Herthas Jonjoe Kenny ist den entscheidenden Schritt schneller, flankt aus vollem Lauf.
Herthas Jonjoe Kenny ist den entscheidenden Schritt schneller, flankt aus vollem Lauf.City-Press

Herthas Profis haben keine Kondition, kein Durchhaltevermögen, „keine Körner“ in der Schlussphase der Liga-Duelle! So lauteten einige Vorwürfe in einer zuerst noch verhalten geführten Fitness-Debatte rund um die Mannschaft. Die schwappte erst richtig hoch, als das Team vor Wochen dem Abgrund Richtung Dritte Liga rasant entgegentaumelte.

Auch ehemalige Profis wetterten in einem traditionsreichen Podcast, beteiligten sich mit harten Worten an dieser Diskussion. Zu einem bestimmten Zeitpunkt – vor allem nach den grausamen Auftritten in Regensburg (unter Trainer Cristian Fiel) und in Elversberg (unter Stefan Leitl) sicherlich zu Recht. Inzwischen, nach zwei siegreichen Auftritten unter dem neuen Cheftrainer Leitl, hat sich die Lage etwas entspannt – ohne dass man sofort Entwarnung geben kann. Leitl, der mit der Fitness-Debatte konfrontiert wurde, entgegnete: „Die Werte sind absolut okay. Wir gehen natürlich etwas anders heran, haben auch andere Trainingsinhalte, an die sich die Spieler gewöhnen müssen. Aber die Leistungen sind absolut okay.“

Die Statistik überführt Hertha BSC

Wenn man die Statistik in allen bisherigen 27 Liga-Spielen bemüht und vor allem auf Laufleistung und Ballbesitz achtet, ergibt das interessante Fakten. Auch die späten Tore – eigene Treffer und Gegentore ab Minute 80 – geben Aufschluss über das Verhalten der Mannschaft in der Schlussphase der Spiele.

Siebenmal schossen Herthaner ein Tor, sechsmal musste man späte Gegentore einstecken, was zu drei Niederlagen führte. Das schien mir aber eher eine Frage fehlender Konzentration statt mangelnder Kondition zu sein.

In elf Duellen sind die Hertha-Profis mehr gelaufen als ihre Gegner, in 16 Begegnungen waren sie einige Kilometer weniger unterwegs. Immerhin sprangen acht Siege heraus, wenn Berlins Kicker lauffreudiger waren als die Konkurrenten. Die meisten Meter schrubbte das Team beim 0:0 gegen den 1. FC Nürnberg, dem ersten Auftritt unter Neu-Coach Leitl – 121,71 Kilometer!

Herthas Coach Stefan Leitl sitzt während des Trainings auf dem Ball und gestikuliert.
Herthas Coach Stefan Leitl sitzt während des Trainings auf dem Ball und gestikuliert.Matthias Koch/Imago

Herthas Ballbesitzfußball unter Fiel war brotlose Kunst

In den Statistiken, die Tendenzen aufzeigen, aber auch verwirrend sein können, spiegeln sich aber die Herangehensweisen der Trainer wider. Cristian Fiel, der laut sportlicher Führung attraktiven Ballbesitzfußball spielen lassen sollte und das auch selbst zelebrieren wollte, träumte als Spanier sogar vom erfolgreichen Pep-Guardiola-Fußball. Tatsächlich wies die Mannschaft unter seiner Führung in 14 Spielen mehr Ballbesitz auf als der Gegner, dabei hagelte es aber zehn Niederlagen. Der erhoffte Effekt war also kläglich verpufft. Oft ergab sich der enorme Ballbesitz – häufig über 60 oder 65 Prozent – durch nett anzuschauende Zuspiele im Mittelfeld ohne Raumgewinn. Man kann auch „brotlose Kunst“ dazu sagen.

Fiels Nachfolger Stefan Leitl betonte fortan die „Prioritäten der Zweiten Liga“, also vor allem Kampf, Wille, absolute Konzentration. Schönspielerei ist unter dem 47-Jährigen nicht gefragt. Es geht nicht um attraktiven Fußball, sondern um Punkte im Abstiegskampf in einer schwierigen Liga. In den bislang fünf Spielen unter Leitl konnten sieben Zähler gesammelt werden und bis auf den Blackout der Mannschaft beim 0:4 in Elversberg gab es gute Auftritte mit der klaren Tendenz nach oben. In vier Duellen lief die Mannschaft mehr als der Gegner. Leitl wollte stets „mehr Energie auf dem Platz und auch mehr Laufvolumen“. Beides ist seitdem deutlich zu sehen.

Mit der Umstellung des Systems von einst 4-3-3 auf ein 3-5-2 steht die Mannschaft in der Defensive stabiler und das Angriffsduo Fabian Reese/Derry Scherhant funktioniert immer besser und sorgte zuletzt für spielerische Höhepunkte. Auch der klare und eher „einfache“ Umschaltfußball, den die Mannschaft zeigt, ist durchaus attraktiv, wie die vielen schnellen Kombinationen über mehrere Stationen vor eigenen Treffern zuletzt gezeigt haben. Am Führungstor beim jüngsten 3:1-Sieg gegen den Karlsruher SC waren neben dem Schützen Reese zuvor Deyovaisio Zeefuik, Michael Cuisance und Derry Scherhant beteiligt. Laufleistung und Ballbesitz – hin oder her – Trainer Leitl hat recht: „Die einzige Währung, die zählt, sind Siege!“■