Hilfe für Wohnungslose

Warum gibt es diese Schließfächer nicht in ganz Berlin?

Im Märkischen Viertel stehen die ersten kostenlosen Schließfächer für Obdachlose.

Author - Stefanie Hildebrandt
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In der Fürstenwalder Straße 64 zeigt Christian Rädnitz die ersten Schließfächer für Obdachlose. Er ist Leiter einer nahe gelegenen Einrichtung für Wohnungslose.
In der Fürstenwalder Straße 64 zeigt Christian Rädnitz die ersten Schließfächer für Obdachlose. Er ist Leiter einer nahe gelegenen Einrichtung für Wohnungslose.Volkmar Otto

Der umtriebige Chef des Reinickendorfer Kult-Lokals Kastanienwäldchen, das Ende des letzten Jahres schließen musste, hat in diesen Tagen eine Herzensangelegenheit mit auf den Weg gebracht. Die ersten kostenlosen Schließfächer für Obdachlose Berlins wurden in der Finsterwalder Straße eröffnet. Eine Idee, die in ganz Berlin Nachahmer finden sollte, findet Norbert Raeder.

Noch sind die Abläufe rund um das sinnvolle Angebot neu, „wir lernen“, sagt Raeder. Doch am liebsten würde er gleich damit beginnen, auch an anderen Standorten, an denen sich Wohnungslose aufhalten, Schließfächer aufzustellen. Am Kurt-Schumacher-Platz, am Franz-Neumann-Platz, überall dort, wo man im Bezirk Kontakt zu Obdachlosen habe, seien Schließfächer denkbar.

Der erste Standort für das Pilotprojekt ist allerdings mit Bedacht gewählt. Ganz in der Nähe befindet sich eine Einrichtung für Wohnungslose des privaten Anbieters für Gemeinschaftsunterkünfte „home and care“. Christian Rädnitz ist der Leiter des Hauses, in dem derzeit 201 Menschen leben.

Auf der Straße fühlt man sie nie sicher

Er kennt die Bedürfnisse von Menschen, die auf der Straße leben. „Wer auf der Straße lebt, hat selten einen sicheren Ort, um persönliche Gegenstände, den Schlafsack, Fotos oder Ausweise zu lagern“, sagt er.

„Normalerweise sind die Leute ins Kastanienwäldchen gekommen, haben darum gebeten, mal ein paar Dinge abstellen zu können“, erinnert sich Norbert Raeder. Menschen auf der Straße müssen erfinderisch sein, statt eines Schranks haben sie nur das, was sie tragen können oder geheime Verstecke, die jederzeit geplündert werden könnten. Ausweise und Krankenkassenkarten werden in der Not in Matratzen eingenäht.

Initiator Norbert Raeder und das Team von „home and care“ haben die Schließfächer möglich gemacht.
Initiator Norbert Raeder und das Team von „home and care“ haben die Schließfächer möglich gemacht.Raeder

Nicht selten kommt in Berlin dann das Ordnungsamt und räumt die Schlafplätze von Obdachlosen. Dann sind mit einem Mal alle Habseligkeiten weg. Diejenigen, die ihr Leben nur schwerlich organisiert bekommen, trifft ein solcher Verlust besonders hart.

Kostenlose Nutzung per Code

Die Idee, Schließfächer aufzustellen, kennt Norbert Raeder aus Belgien. In der Reinickendorfer BVV stellt er einen Antrag, sie auch hier zu testen. Er wird einstimmig angenommen. Auch die 10.000 Euro will die Bezirkskasse übernehmen, doch es gibt eine tolle Überraschung. Der Anbieter „home and care“ will in Zeiten klammer Bezirkskassen die Schließfächer selber finanzieren. Norbert Raeder ist überglücklich, dass so etwas für diejenigen erreicht wird, denen das Leben oft nicht gut mitspielt.

Per Code öffnet sich das Schließfach, die Nutzung ist kostenlos.
Per Code öffnet sich das Schließfach, die Nutzung ist kostenlos.Volkmar Otto

Christian Rädnitz erklärt, wie die Schließfachvergabe funktioniert: Interessierte erhalten einen Code, mit dem sich das Fach öffnet, an der Rezeption des nahe gelegenen Wohnheims. Sie ist 24 Stunden am Tag besetzt. Dazu wird der Name des Nutzers notiert und ein Foto gemacht. Mit der niedrigschwelligen Registrierung wolle man auch einem Missbrauch der Schließfächer, etwa als Drogenversteck, vorbeugen.

Geht der Code einmal verloren oder wird er vergessen, kann er mithilfe der Daten jederzeit neu bereitgestellt werden. Die Schließfächer gibt es in verschiedenen Größen für verschiedene Bedürfnisse.

Das Pilotprojekt wird nun dokumentiert und evaluiert. Wer kommt und nutzt die Schließfächer? Bei Bedarf kann die erste Anlage sogar noch vergrößert werden, sagt Norbert Raeder. „Das wird sich herumsprechen“, glaubt auch Christian Rädnitz und hofft, dass auch andere Anbieter in ganz Berlin dem Reinickendorfer Beispiel folgen. ■