Für mich war Karstadt immer das Kaufhaus meiner Träume. Als ich in den 90er-Jahren in einem ostdeutschen Dorf aufwuchs, war es schon ein absolutes Highlight, als wir den ersten Supermarkt bekamen. Der wurde bei uns, wie in vielen ostdeutschen Orten, als Großzelt aufgebaut. Es waren ja sonst kaum Räume vorhanden.
Karstadt und Kaufhof verschwinden – ein Nachruf
Doch ein Kaufhaus zu besuchen, war ein ungleich besseres Erlebnis. Es war bei einem Ausflug im Jahr 1992 nach Leipzig als ich das erste Mal eines besuchte. Das weiß ich auch deshalb noch so genau, weil allein schon die riesigen Rolltreppen für mich schon ein Erlebnis waren, denn in der nächsten Kreisstadt war die einzige Rolltreppe im kleinen, früheren HO-Kaufhaus außer Betrieb.
Und hier begründete sich auch meine bis heute andauernde Vorliebe für Karstadt gegenüber Kaufhof oder dem schon länger verschwundenen Hertie. In Leipzig hatte der Karstadt nämlich die ungleich größere Spielzeugabteilung.

Karstadt hatte die größere Spielzeugabteilung
Eine große Spielzeugabteilung war für mich als damals Achtjährigen natürlich ungleich wichtiger als Kleidung oder Haushaltswaren. Und da schlug Karstadt alle anderen Kaufhäuser in der Messestadt. Nach langem Hin und Her entschied ich mich für einen großen blauen Spielzeugtraktor aus Metall, der so detailgetreu war, dass viele meiner Grundschulfreunde daheim neidisch waren.
Seitdem liebte ich Karstadt. Als ich später in den Nuller Jahren in Leipzig studierte, ging ich auch weiter lieber in den Karstadt als in den Kaufhof. Der wurde später auch noch aufwendig neu gebaut, war ein richtig modernes Vorzeigekaufhaus.
Im nahen Halle dominierte der Kaufhof den Marktplatz und war für die Hallenser ein Treffpunkt. Auch viele Ostberliner machten ihre ersten Schritte im Kapitalismus in einem der Karstadt oder Kaufhof-Kaufhäuser des Westens – später dann in den früheren Centrum-Warenhäusern am Alex und am Ostbahnhof.
Mit dem Verschwinden von Karstadt und Kaufhof endet eine Ära
Mit dem Verschwinden der beiden Marken endet nun auch diese Ära. Doch man muss auch ehrlich sagen: Daran haben wir alle eine Mitschuld. Mit jeder Bestellung beim Online-Versandhandel starben Karstadt und Kaufhof ein Stück weiter. Denn viele gingen nur noch hin, schauten sich um, probierten vielleicht etwas, kauften aber immer weniger.
Die Kaufhausketten reagierten zuletzt mit immer weniger Personal, mit einem lieblosen Angebot und wenig Ideen. Viele der Kaufhäuser darbten nur noch dahin. Beratung wie es der einstige Kern des Geschäftes war, gab es immer weniger. Nun soll ein erneuter Neustart die verbliebenen Filialen retten – unter dem Namen Galeria.

Ähnliche Erfahrungen in Ost und West
Doch vorher müssen noch einige der alten Filialen geschlossen werden. Neulich ging ich in das Karstadt in Tempelhof. Das Haus am Tempelhofer Damm war schon mit Ausverkaufs-Schildern behangen. Durch die Gänge zogen Schnäppchenjäger und nahmen den traurig blickenden Angestellten die letzten Waren ab. Bis zum Ende des Monats geht das noch so, dann schließt auch dort der Karstadt, der einst das Zentrum des T-Damms war.
In einer lokalen Facebook-Gruppe teilten viele Tempelhofer ihre Erinnerung an ihre ersten Besuche als Westberliner im Karstadt am T-Damm. Mir spendete es ein wenig Trost. Denn auch wenn ich dort früher nie war, glichen viele Erinnerungen denen meines ersten Besuches im Karstadt in Leipzig. Den Betreibern und Angestellten wünsche ich für die Filialen unter neuem Namen viel Erfolg. Für mich geht mit dem Verschwinden der Marken aber eine Ära zu Ende. Mach es gut, lieber Karstadt! ■
Was denken Sie über die Kaufhaus-Schließungen? Können Sie sich noch an ihren ersten Besuch in einem Kaufhaus erinnern? Schreiben Sie uns an leser-bk@berlinerverlag.com oder kommentieren Sie unseren Beitrag auf Facebook oder bei X. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften!