Prozess

Streit um Musik eskaliert: Er stach einen Schlichter nieder

Tatort Reinickendorfer Bar: Gäste gingen aufeinander los. Ausgerechnet einer, der vermitteln wollte, lag am Ende in seinem Blut.

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Radhouane C.  (30) vor Gericht.
Radhouane C. (30) vor Gericht.Olaf Wagner

Der eine wollte ständig arabische Musik hören, ging damit anderen Lokal-Besuchern gehörig auf den Geist. Der Zoff verlagerte sich nach draußen. Bis ein Schlichter (24) halbtot auf der Straße lag.

Ein Tunesier sitzt rund fünf Monate später auf der Anklagebank: Radhouane C. (30). In seiner Heimat hat er Abitur gemacht, später arbeitete er als Gabelstaplerfahrer und Barkeeper, Vorstrafen hat er nicht. Der Barkeeper wollte am 30. November nur noch einen Absacker nehmen. Nun steht er wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht.

Erstes Streit-Opfer war die Fernbedienung

Der Streit um die Musikauswahl in einer Bar in Reinickendorf hatte gegen drei Uhr morgens begonnen. Auslöser: Gäste konnten per Fernbedienung wählen. C. aber soll das Teil nicht aus der Hand gegeben, permanent auf arabische Töne gedrückt haben.

Es wurde heftiger, die Fernbedienung ging schließlich zu Bruch. Dann spielte die Musik vor der Tür - mit schroffen Tönen. Kroate L., der damals als Kellner arbeitete und mit einem Landsmann unterwegs war, wollte in dem banalen Zoff schlichten.

Doch C. habe erst mit einer Glasflasche geworfen, die am Boden zersplitterte. Es folgte der beinahe tödliche Stich. Die Staatsanwältin: „Der Angeklagte versetzte dem Geschädigten mit einem scharfen Werkzeug einen Stich in die Leistengegend.“

Plötzlich war überall Blut

Einen unbekannten Gegenstand soll er in den Oberschenkel von Ivan L. (24) gestoßen haben. Die Oberschenkelarterie wurde durchtrennt. Ein Arzt: „Dramatisch, das Blut ist förmlich weggesprudelt.“

Der junge Kroate brach vor der Bar bewusstlos zusammen. Während C. nach Hause ging und seelenruhig einschlief, kämpften Rettungskräfte um das Leben des 24-Jährigen. Der massive Blutverlust führte zum Herzstillstand.

Reanimation und 46 Blutkonserven

Reanimation über einen Zeitraum von etwa 50 Minuten. Dann Not-OP mit insgesamt 46 Blutkonserven. Tagelang schwebte er in Lebensgefahr. Bis heute leidet Ivan L. massiv unter den Folgen der Stich-Attacke. Sein Anwalt: „Er ist derzeit auf einen Rollstuhl angewiesen.“

C. stellte es nun als Notwehr dar: „Draußen waren mehrere Leute.“ Sie hätten ihn „verbal angemacht“. Es habe erst eine Schubserei gegeben. „Dann waren mehrere gegen mich.“

Version von C.: „Ich wurde getreten und fiel, wollte wegkrabbeln, es ging alles wahnsinnig schnell.“ Am Boden habe er etwas in die Hand bekommen – „ich wollte mich schützen, machte eine Bewegung nach vorn, traf irgendwen, ich war alkoholisiert“.

Am nächsten Tag wurde C. festgenommen. Er beteuert: „Ich wollte L. nicht verletzen. Es tut mir sehr leid.“ Fortsetzung: 20. Mai.