Selten hat man jemanden so enthusiastisch und kundig über eine Substanz sprechen hören, die den meisten Menschen schiere Ekelschauer über den Rücken jagt.
Pünktlich zu Beginn der Erkältungszeit im Herbst haben sich die Kuratorinnen einer neuen Ausstellung im Medizinhistorischen Museum der Charité, Susanne Wedlich und Beate Kunst, einer wandelbaren Masse angenommen, ohne die kein Organismus auskommt: „Schleim. Geheimnisse einer unterschätzten Körperflüssigkeit“, so lautet der Titel der Schau, die bis zum 6. September 2026 zu sehen sein wird.
Alleskönner im Körper: Schleim
Schleim ist erstaunlich vielfältig, ohne Schleim geht im menschlichen Körper gar nichts, lernen die Besucher. Er ist Schutzbarriere, Gleitmittel, Kleber, ja, er ist sogar das It-Piece der gegenwärtigen Forschung. Anhand von 140 Objekten gleiten die Ausstellungsmacherinnen durch die Geschichte des Schleims und würdigen ihn als das, was er ist: ein überlebenswichtiges Mittel, das einfach überall ist.

Ob Mensch oder Mikrobe, alle Lebewesen brauchen Schleim, der aufgrund seiner simplen Struktur extrem wandlungsfähig ist. Anderthalb Liter Schleim bildet der Mensch jeden Tag, der meist unbemerkt überall im Körper seine Arbeit tut. Im Verdauungstrakt, beim Atmen, beim Sex. Doof wird es erst, wenn etwas mit dem Schleim nicht stimmt. Bei Asthma oder Mukoviszidose etwa sind wesentliche Reinigungsmechanismen gestört.
Im Darm unterstützt Schleim das komplexe Ökosystem des Darmmikrobioms. Und tatsächlich gibt es wohl kaum eine Krankheit, bei der nicht auch eine Störung in Bezug auf den Schleim vorliegt, sagt Beate Kunst. Selbst wenn es ans Lebensende kommt, entsteht bei der Verwesung von Körpern Schleim. Und auch die Mikroben, die uns kiloweise besiedeln, bilden ihren eigenen Schleim.
In der Biophysik wird Schleim daher als Wundermittel untersucht. In der kurzweiligen kleinen Geschichte des Schleims darf die Vorstellung vom Urschleim nicht fehlen, ebenso wenig wie der Ekel, der uns erlerntermaßen erfasst, wenn wir Schleim sehen oder Schleimiges wie fermentierte japanische Bohnen essen sollen.

Schleim besteht zu mehr als 90 Prozent aus Wasser. Er ist ein Hydrogel – Wasser, in einer 3D-Struktur von Molekülen gebunden. Dafür, dass eigentlich wenig dran ist an der Substanz, kann sie jede Menge.
Was kann man in Zukunft mit Schleim machen?
In Sachen Schleim herrscht eine Art Aufbruchstimmung in der Biomedizin, berichten die Kuratorinnen. Es wird weltweit in Forschungsvorhaben untersucht, wie genau er nun Milliarden Mikroben, die wir mit der Nahrung, Atmung oder beim Sex aufnehmen, filtern kann und nur das durchlässt, was auch durchsoll.
Auch die Veränderbarkeit von Schleim – von flüssig bis fest – macht ihn interessant für die Forschung. In der Natur gibt es etwa Klebstoffe auf Schleimbasis, die viel besser funktionieren als herkömmliche. Für die Chirurgie werden bereits Gewebekleber entwickelt, die sich Bewegungen flexibel anpassen. Sie sind vom Schneckenschleim inspiriert.
Selbstdiagnose per Schleim
Für die Zukunft scheint das Feld der Selbstdiagnose per Schleim vielversprechend. Zahnseide, die im Speichel misst, wie gestresst man ist, oder Damenbinden mit Sensor, der ebenfalls die Schleimhautbeschaffenheit erfasst, werden erforscht.
So abstrus manches Vorhaben wirkt, so gesundheitswichtig ist intakter Schleim im Körper. Studien haben gezeigt, dass etwa Nano-Partikel von Plastik aus Teebeuteln in der Darmschleimhaut landen. Es gibt Hinweise darauf, dass Weichmacher in Lebensmittelverpackungen auch den Schleim im Körper weicher machen. Mit allen negativen Folgen, die man in entzündlichen, chronischen Erkrankungen, die derzeit so auf dem Vormarsch sind, sehen kann.





Warum aber ekeln wir uns vor dieser Substanz, die uns erst möglich macht, und die uns gesund erhält, so schrecklich? Auch das kommt in der Ausstellung zur Sprache. Ekel ist erlernt und man kann ihn auch wieder verlernen. Für Ärzte gibt es etwa Duftfläschchen in den Richtungen Erbrochenes, Kot, Verwesung, Eiter und Schweißfüße zu sehen, mit denen Medizinpersonal den unbefangeneren Umgang mit Erkrankten trainieren kann.
Zu den skurrilen Ausstellungsstücken gehören weiterhin eine Damenbinde mit Sensor, ein Spuckbecher für Tuberkulose-Kranke, Tiger-Schnegel beim Sex, Zervixschleim und der Ausguss vom beeindruckend großen System der Nasennebenhöhlen. Außerdem lernt man, dass es Speichelersatzlösung gibt, ebenso wie ein Gebilde namens Sternenrotz.
Das ist ein rätselhafter Glibber, der weltweit im Frühjahr auftritt. Früher dachten die Menschen, es handele sich hierbei um die Auswürfe von Himmelskörpern. Heute weiß man, dass Schleimpilze, Bakterienschleime oder auch von Füchsen ausgespuckter Froschlaich das Phänomen erklären.
„Wir möchten mit der Ausstellung zeigen, wie vielseitig und bedeutend Schleim wirklich ist“, sagt Susanne Wedlich, die auch ein Buch zum Thema mit dem Titel „Das Buch vom Schleim“ verfasst hat.
Die Ausstellung „Schleim – Geheimnisse einer unterschätzten Körperflüssigkeit“ ist seit dem 31. Oktober bis 6. September 2026 im Berliner Medizinhistorischen Museum am Campus Charité Mitte, Charitéplatz 1 in 10117 Berlin, Geländeadresse: Virchowweg 17, zu sehen. Das Museum ist dienstags, donnerstags, freitags und sonntags von 10 bis 17 Uhr sowie mittwochs und sonntags von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Am Montag ist das BMM geschlossen.

