Die Berliner Staatsanwälte sind chronisch überlastet. Personal ist knapp und Verfahren dauern oft viel zu lange. Kann da Künstliche Intelligen (KI) helfen, von der gegenwärtig so viel die Rede ist? Die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers hält es durchaus für möglich, diesen neuen Weg zu gehen: „Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, ob wir bei bestimmten Verfahren tatsächlich menschliche Intelligenz brauchen.“ Werden die bösen Buben also bald von der KI in den Knast gesteckt?
Denkbar sei dies möglicherweise bei Fällen, in denen es um einfache Formen der Kriminalität gehe, in denen es wenig Analyse- und Aufklärungsarbeit gebe. Als Beispiel nannte die Juristin Kontrolldelikte wie das Fahren ohne Fahrschein.
Nicht alle Straftaten können noch verfolgt werden
Viele Verfahren würden bereits von Polizei und Justiz standardisiert abgearbeitet. Gleichwohl seien die Behörden zunehmend überlastet. Die Hauptlast trage die Polizei, sagte Koppers, dann folgten die Staatsanwaltschaften und die Gerichte. Sie verwies beispielsweise auf Tausende Fälle von Ermittlungen im Zusammenhang mit Straßenblockaden und anderen Protestaktionen von Klimademonstranten oder Straftaten unter anderem im Zusammenhang mit Demonstrationen nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023.

„Wenn wir so weitermachen wie bislang, werden wir das personell nicht mehr stemmen können“, sagte Koppers. Die Arbeitsbelastung bei den Staatsanwaltschaften sei bundesweit hoch, es mangele an Personal. „Schon jetzt können wir nur noch einen Bruchteil der Verfahren zu Gericht tragen. Die Anklagequote ist bundesweit gesunken, weil wir die Ressourcen nicht mehr aufbringen, alle Straftaten gleichermaßen zu verfolgen“, sagte die Generalstaatsanwältin.
Ermittlungen werden häufig eingestellt
„Wir müssen uns daher anschauen, ob wir wirklich am Legalitätsprinzip festhalten und tatsächlich alles unter Strafe stellen wollen – oder ob wir Schwerpunkte setzen. Dann können wir uns auf schwere Kriminalität fokussieren“, so Koppers. In einigen anderen europäischen Ländern sei dies bereits der Fall. Das Legalitätsprinzip verpflichtet in Deutschland Strafverfolgungsbehörden wie Polizei und Staatsanwaltschaft dazu, ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, wenn sie Kenntnis haben über den Anfangsverdacht für eine mögliche Straftat. Häufig enden die Ermittlungen mit einer Einstellung.
„Die Erwartungshaltung der Politik und daraus folgend der Bevölkerung ist es, dass wir alle Straftaten mit derselben Intensität verfolgen. Diese Erwartung können wir aber nicht erfüllen“, sagte Koppers. Die Zahl und Komplexität der Strafverfahren nehme nach wie vor zu. „Aber wir haben keinen entsprechenden Zuwachs an Personal.“
Staatsanwaltschaft findet kaum Personal
Neue Mitarbeiter zu gewinnen, sei zunehmend schwierig. Wichtig sei eine bessere Bezahlung und eine Lockerung oder sogar Abschaffung der Notenanforderungen. „Als Staatsanwältin brauche ich eine sehr hohe Entschlusskraft und Teamfähigkeit. Das sind nicht unbedingt Fähigkeiten, die im Examen abgeprüft werden“, sagte die Juristin.
Auch der angespannte Wohnungsmarkt in Berlin sei ein Problem. Größtes Hindernis sei die hohe Arbeitsbelastung. „Diese ist das Hauptargument dafür, dass wir junge Kollegen und Kolleginnen verlieren oder dass sie sich schon nach der Ausbildung im Proberichterdienst gegen uns entscheiden“, sagte Koppers. Dass einige dann in der Justiz blieben, sei für die Gerichte zwar wertvoll, helfe der Staatsanwaltschaft aber nicht.
Mit Jahresbeginn gibt es in Berlin 425 Planstellen für Staatsanwälte, von denen laut Koppers 378 besetzt, aber nur 345 tatsächlich im Einsatz seien. Bei der übergeordneten Behörde, der Generalstaatsanwaltschaft, gibt es 44 Stellen. In den kommenden Jahren steht die Berliner Justiz vor einer großen Pensionierungswelle. Laut Deutschem Richterbund scheiden bis 2033 knapp 40 Prozent der aktuell rund 1940 Richter sowie Staatsanwälte aus Altersgründen aus. ■