Eigentlich macht Tessa Mittelstaedt in ungeraden Jahren keine wichtigen Dinge. Die frühere „Tatort“-Assistentin ist, was das angeht, abergläubisch. Mittelstaedt wurde in einem geraden Jahr geboren (1974), ebenso ihr Sohn und ihre Tochter. Und ihren Liebsten, den Schauspieler Matthias Komm, lernte sie 2010 kennen. 2018 folgte, Sie ahnen es, die Verlobung. Hochzeit 2023 ist also ausgeschlossen. Immerhin spielt sie jetzt in Berlin Theater. Und das ist ihr wichtig, auch in einem ungeraden Jahr.
Am Sonntag (29. Oktober) feiert sie Premiere mit dem Stück „Das perfekte Geheimnis“. Nach den großen Kino-Erfolgen kann man „Das perfekte Geheimnis“ jetzt im Theater am Kurfürstendamm sehen. Hausherr Martin Woelffer besorgte die Inszenierung im Riesentheater am Potsdamer Platz. Es geht, so viel sei an dieser Stelle verraten, um ein Dinner unter Freundinnen und Freunden. Plötzlich kommt die Idee für ein „lustiges“ Spiel auf: Alle legen ihre Smartphones auf den Tisch und alles, was reinkommt, wird geteilt. Ausnahmslos …
Berliner KURIER: Frau Mittelstaedt, Sie haben sicher die Verfilmung mit Elyas M'Barek und Jessica Schwarz gesehen. Was machen Sie auf der Bühne anders?
Tessa Mittelstaedt: Nein, weder habe ich das italienische Original noch die französische oder die deutsche Adaption gesehen. Absichtlich. Ich wollte so pur, wie irgend geht, an die Figur der Eva herantreten. Das mache ich immer so, so bleibt mir meine ganz eigene Fantasie. Nach der Premiere werde ich mir die verschiedenen Fassungen anschauen. Ich bin gespannt.
BK: Wie heilig ist Ihnen das, was Ihnen aufs Smartphone geschickt wird?
TM: Also ich habe so ein Spiel noch nie gespielt. Da bin ich eher bei Robert, Evas Mann (Eva ist ihre Rolle, d. Red.), der sagt: Ich finde es gefährlich, so ein Spiel zu spielen. Recht hat er.
BK: Warum?
TM: Missverständnisse sind programmiert, denn unser Handy ist wirklich die Blackbox unseres Lebens geworden, und diese Intimsphäre gilt es zu schützen. Für mich wäre es bedeutend schlimmer, das Smartphone zu verlieren als mein Portemonnaie.
BK: Ihr Smartphone geht die Öffentlichkeit nichts an?
TM: Es gibt beim Smartphone für mich kein „öffentlich“. Es ist ja quasi wie ein Tagebuch, in dem alles gespeichert ist: Kontakte, Fotos, Termine, Chats ... Das geht niemanden etwas an.

Tessa Mittelstaedt hat ihr ganzes Leben auf dem Handy
BK: Was wäre denn, wenn ein Daten-Dieb Ihr Handy knacken würde? Wären Sie aufgeschmissen, und was wäre Ihnen dabei besonders peinlich?
TM: Da unsere Telefone mittlerweile für das Online-Banking benötigt werden, Passwörter darin gespeichert sind, viele oder alle Kontakte, Krankenkassendetails und Ähnliches wäre es eine Katastrophe, würde es gehackt. Natürlich! Wie gesagt, das Telefon hat mittlerweile eine höhere Bedeutung als das Portemonnaie, was früher das Allerheiligste war.
BK: Da würde mich interessieren: Sind Sie schon mal der Versuchung erlegen, unerlaubt ins Smartphone Ihrer Freunde, Ihres Partners, oder Ihrer Familienmitglieder zu spinksen? Und bitte nicht schwindeln!
TM: Ich war versucht, bin ihr aber nicht erlegen. Ganz nach dem Kinderspruch: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.
BK: Und was ist absolut tabu?
TM: Das Telefon meines Partners ist tabu, genauso wie zum Beispiel Tagebücher. Ich will nicht wissen, welche Seiten mein Mann öffnet. Ich halte es für wichtig, dass jeder seine kleinen Geheimnisse haben darf, solange sie nicht für Beziehung, Gesundheit und Familie gefährlich werden.
BK: Und wieso?
TM: Wir Menschen brauchen das, glaube ich, als kleine Fluchten, Freiheiten und Träume, im Alltag, wie die lange Leine in der Liebe: Weil ich dich niemals anhielt, halt ich dich fest, sagte ja schon Rilke. Ist doch sehr weise.

BK: Was sagen solche Handy-Spiele unter Freundinnen und Freunden eigentlich über den Zustand unserer Gesellschaft aus?
TM: Das kann ich nicht beantworten. Solche Spielchen spiele ich nicht. Aber es gibt ja harmlosere Varianten: Frage-Spiele zum Beispiel wie Vertellis oder Gesellschaftsspiele wie Therapy.
BK: Worum geht’s da?
TM: Es geht darum, den Anderen ein klein wenig mehr kennenzulernen, wobei jeder Mitspieler das Recht hat, nicht zu antworten. Beim Beantworten des Anrufs oder Vorlesen einer Nachricht kann Mann/Frau nicht mehr ausweichen, was da ankommt, steht wie der rosa Elefant im Raum, ohne Wenn und Aber. Im Theaterstück hat jeder Charakter eine andere Motivation und genau das macht das Zugucken und Entlarven ja so freudvoll für die Zuschauer.
Tessa Mittelstaedt musste hochschwanger aus ihrer Wohnung raus
BK: Haben Sie eher viele oder eher wenige, dafür aber besonders feste Freunde?
TM: Ich habe eher innig ausgewählte Freund:innen, viele von früher, aus Hamburg, aus meiner Theaterzeit in Dresden. Meine Freunde sind auf der ganzen Welt verteilt, New Jersey, Wien, München, Dresden, Hamburg, die wenigsten in Berlin.
BK: Sie leben in Pankow. In einer Ecke der Stadt also, die man nicht unbedingt als räudig bezeichnet. Warum sind Sie dorthin gezogen?
TM: Wir waren damals in einer Notsituation. Wir lebten an der Rummelsburger Bucht. Ich war hochschwanger, trotzdem wurden wir von unserem ehemaligen Vermieter auf recht miese Art und Weise vor die Tür gesetzt und mussten uns schnell neu orientieren. So haben wir auf unserer Suche nach einem neuen Zuhause Pankow entdeckt und leben seitdem hier: familienfreundlich und grün.
BK: Ihre Kinder sind im schulpflichtigen Alter. Was gibt man so jungen Menschen mit auf den Weg in einer Stadt, die sich immer krasser entwickelt und immer unsicherer wird?
TM: Ich versuche sie zu ermutigen, auf ihr Bauchgefühl zu hören, ihre Intuition. Wenn sie sich nicht wohlfühlen in bestimmten Situationen, mit Menschen oder Gegenden, diese umgehend zu verlassen. Es ist nicht einfach, Kinder los- und in die Welt gehen zu lassen, gerade jetzt, aber das müssen sie. Und so ist es meine Aufgabe, sie so gut wie möglich vorzubereiten. Ihre Sinne zu schärfen. Zu integren Persönlichkeiten zu erziehen. Mit Respekt- und Empathiegefühlen. Sie werden dann ihre eigenen Erfahrungen machen, ich kann sie nicht hundertprozentig schützen, was ich immer will, aber das würde sie in ihrem Weg einschränken.
Eltern sollten sich die Freunde ihrer Kinder angucken, sagt Tessa Mittelstaedt
BK: Sie lassen los …
TM: Ich lasse los, aber mein Herz und meine Tür bleiben für alle Kinder meiner Familie offen, ewig, bis zu meinem letzten Atemzug.
BK: Sollten Eltern sich die Freunde ihrer Kinder genau anschauen, oder ist Laufenlassen auch in dem Fall besser?
TM: Ja, natürlich sollten sich Eltern die Freunde der Kinder angucken, zum einen, weil es mich interessiert, wer da zum Spielen kommt, aber auch, um vielleicht, wenn nötig, beim Kind kritisch nachzufragen, sich auszutauschen und zu verstehen, warum das eigene Kind sich diesen Freund ausgesucht hat. Das erzählt mir ja auch wieder ganz viel über meinen Schützling. Ich würde Freundschaften nie verbieten, aber klar meine Meinung oder Bedenken äußern, wenn ich sie hätte, auch wenn sie kritisch wären.
Die Fragen stellte Karim Mahmoud