Vor 15 Jahren schien die Karriere von Roland Kaiser beendet zu sein. Schwer erkrankt an COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) musste ihm 2010 die Lunge transplantiert werden. Und wie jeder weiß: Das Lungenvolumen ist wichtig für einen Sänger. Aber schon acht Monate später stand der Schlagerstar erstmals wieder auf der Bühne. Seit über 50 Jahren ist Roland, der Kaiser, wie Dieter Thomas Heck gesagt hätte, im Musikgeschäft unterwegs – inklusive zweiter Luft. Ein wahrer „Marathon“: So heißt auch das neue Album des gebürtigen Berliners.
Roland Kaiser (72) hat über 90 Millionen Tonträger verkauft und geht gefühlt das ganze Jahr auf Tournee: Roland Kaiser ist ein Künstler mit Ausdauer. Am Freitag erscheint Album Nr. 29. „Der Weg von 50 Jahren ist schon mit einem Marathon vergleichbar. Durchhalten und vor dem Ziel nicht zusammenkippen, hat mit Ausdauer und Kondition zu tun“, sagt Kaiser. „So eine Karriere ist ein Marathon und kein Mittelstreckenlauf. Je nachdem, wie das Schicksal es will. Aber es liegt auch am Publikum, ob es zulässt, dass es ein Marathon wird.“
Roland Kaiser: In den Berliner Kneipen beginnt er zu singen
Die Karriere des als Ronald Keiler in Berlin geborenen und in Berlin-Wedding aufgewachsenen Musikers beginnt 1974 – mit der ersten Single „Was ist wohl aus ihr geworden“. Auf dem ersten Teil der Marathon-Strecke folgen Evergreens wie „Joana“, „Santa Maria“, „Manchmal möchte ich schon mit dir“ oder „Sieben Fässer Wein“ und 1981 das erste Nummer-eins-Album „Dich zu lieben“.
Wer einen Marathon läuft, kommt häufig an einen toten Punkt, den es zu überwinden gilt, bevor die zweite Luft kommt. Auch Kaiser kennt diese Phase: Nach einer Lungentransplantation 2010 gelingt ihm wenige Monate später ein umjubeltes Comeback.
Der Sänger, der mit seiner Frau schon länger in Münster wohnt, scheint auf dem zweiten Abschnitt des Marathons erfolgreicher denn je. Sein Duett mit Maite Kelly, „Warum hast du nicht nein gesagt“ (2014), gehört zu den meistverkauften deutschen Schlagern, mit seinem letzten Album „Perspektiven“ (2022) landet er erst zum zweiten Mal nach 1981 auf Platz 1.
Wie sehr das Publikum seinen Kaiser liebt, ist auf seinen Konzerten zu beobachten, zu denen im vergangenen Jahr weit mehr als 400.000 Menschen kamen – darunter Ehepaare, Freundinnengruppen, Enkel mit ihren Omas und auch Teenager. „Ich bin immer wieder positiv überrascht, wenn ich auf der Bühne stehe und davor junge Menschen sehe mit 18 oder 20, die die Texte mitsingen können“, erklärt der geborene Berliner stolz.
Legendär: die „Kaisermania“-Konzerte am Dresdner Elbufer. Seit mehr als 20 Jahren spielt er hier jeden Sommer. Zehntausende Fans kommen jedes Mal. Vier Konzerte gibt es in diesem Sommer, zwei im Juli, zwei im August. Und alle vier Open Airs sind natürlich längst ausverkauft.

Der Kultsänger, der bei seinen Auftritten gern elegant mit Anzug, Weste und Krawatte auf der Bühne steht, ist glaubwürdig und nehme die Jugend außerdem ernst, wie er sagt. „Ich bin jemand, der versucht, immer auch die Bindung zur Jugend zu suchen, sie auch zu verteidigen und in das richtige Licht zu setzen. Weil mir zu viele Leute sagen, die Jugend von heute sei faul und würde nichts machen. Das stimmt eben nicht.“
Musikalisch arbeitet Kaiser ebenfalls gern mit jüngeren Kollegen zusammen, auch auf seinem neuen Album. Den Ohrwurm „Ich werde da sein“ über den Zusammenhalt in Partner- und Freundschaften schrieb der Saarbrücker Rapper EstA, der halb so alt wie Kaiser ist. „Hut ab, wie immer Musik am Puls der Zeit. Roland Kaiser ist wie ein guter Wein, je älter – desto besser wird er“, kommentierte ein Fan unter das Musikvideo bei YouTube.
Roland Kaiser: Gegen Hetze, für Achtung und Respekt
Auch mit der nachdenklich stimmenden Single „Achtung und Respekt“ fängt Kaiser aktuelle Stimmungen ein. In einer gesellschaftlich äußerst hitzigen Zeit erteilt der bekennende Sozialdemokrat Hetzern und Spaltern eine deutliche Absage.
„Wir haben in unserer Gesellschaft eine Veränderung im Umgang miteinander. Wir haben eine niedrigere Reizschwelle. Da werden Menschen, die in Bus und Bahnen die Fahrscheine kontrollieren, attackiert, und auch Sanitäter oder Feuerwehrleute. Das hat mit Achtung und Respekt ganz wenig zu tun“, sagt Kaiser.

Bei den 12 Songs auf „Marathon“ geht es natürlich vor allem um große Gefühle. „Immer wenn die Liebe fehlt“ ist ein Plädoyer für diese Emotion, „Das Leben schont keinen“ beschreibt die Unwägbarkeiten des Lebens und in „Was aus euch wird“ behandelt Kaiser eine Frage, die sich wohl alle Eltern mal stellen: Was wird aus den Kindern, wenn ich nicht mehr da bin?
Kaiser, der seine Lieder in der Regel nicht mehr selbst schreibt, setzt auf altbewährte, lebensnahe Schlagertexte und modernen Pop-Sound. Seinen Hang zu schlüpfrigen Songs erkennt man auf „Was heut passiert“ („Manchmal kommt Lust vor Vernunft“) und vielleicht noch „Auf den Dächern der Welt“ („Wir kennen kein Ende und keine Moral“).
Insgesamt ist „Marathon“ ein recht farbenreiches Album, beinhaltet ein Rosenstolz-Cover („Liebe ist alles“), Tango-Beats („Was heut passiert“) und Country-Einflüsse („Länger als gedacht“).

In diesem Jahr plant der 72-Jährige eine Arenatour, Open-Air-Konzerte, seine legendären Kaisermania-Gigs in Dresden und die Kinopremiere seines Konzertfilms. Dem musikalischen Marathon-Mann geht also die Luft noch lange nicht aus. ■