Unhaltbare Zustände

Ratten und Mäuse im Ankunftszentrum Tegel

Im Integrationsausschuss des Abgeordnetenhauses berichten Bewohner, wie sie monatelang unter unwürdigen Bedingungen in der Flüchtlingsunterkunft leben.

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Betten stehen in einem Raum als Unterkunft für Geflüchtete im Ankunftszentrum Tegel.
Betten stehen in einem Raum als Unterkunft für Geflüchtete im Ankunftszentrum Tegel.Carsten Koall/dpa

5000 Menschen leben im Ankunftszentrum Tegel in riesigen Hallen, in denen Boxen aufgebaut sind. Bald sollen es 7000 Menschen sein. Getrennt voneinander durch zwei Meter hohe Kunststoffwände harren sie hier oft monatelang aus, anstelle einer Tür vor jeder Box mit Doppelstockbetten nur ein Vorhang. Im Integrationsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses sprachen jetzt Menschen, die seit langem in Tegel auf engsten Raum leben, von den bedrückenden Zuständen dort.

Stress und keine Privatsphäre im Ankunftszentrum Tegel

„Wir lebten in ständigem Stress. Immer unter psychologischem Druck“, sagte Nataliia Brovko am Donnerstag bei einer Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Frau aus der Ukraine lebt mittlerweile in einer neuen Unterkunft. Doch sie erinnert sich gut an den Druck, der Bewohnern dort gemacht werde: Wer gegen Regeln verstößt, könnte jederzeit die  Unterkunft verlieren. „Uns wurde klargemacht: Ihr fliegt hier raus und könnt unter der Brücke schlafen wie Obdachlose“, so Brovko.

Eigentlich war der Aufenthalt in Tegel nur für wenige Wochen gedacht, mittlerweile leben die Menschen monatelang hier. Bewohner der Halle klagen über dauerhaft fehlende Privatsphäre. Umziehen sei nur in der Dusche möglich. Angela Zaitseva etwa berichtet mithilfe von Dolmetschern von Diebstahl, von Taschen- und Unterkunftskontrollen. Und davon, dass es auch Mäuse und Ratten auf dem Areal gebe. Vor allem ältere Kriegsflüchtlinge bewahren offenbar Essen in den offenen Boxen auf, was Ungeziefer anlockt.

Geflüchtete sitzen beim Essen in einem Aufenthaltsraum vom Gelände des Ankunftszentrums Tegel.
Geflüchtete sitzen beim Essen in einem Aufenthaltsraum vom Gelände des Ankunftszentrums Tegel.Carsten Koall/dpa

Unmut über die Zustände in Tegel kennt auch Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat Berlin. Das fängt bei chronisch Kranken an, die nicht optimal versorgt werden. „Es gibt auch die Extremform, dass Mütter mit ihren drei Tage alten Babys in gemischte Parzellen mit sechs anderen Männern gelegt werden“, sagt Barnickel.

Keine Geschlechtertrennung in Tegel?

Anne-Marie Braun von der Initiative Schöneberg hilft kritisiert vor allem, es gebe im Unterkunftszentrum in Tegel keine Geschlechtertrennung: „Ich verstehe wirklich nicht, warum es notwendig ist, Männer und Frauen in gleichen Boxen, sogar in gleichen Betten schlafen zu lassen. Das ist mir unverständlich.“

Leiterin des Ankunftszentrums, Kleopatra Tümmler, versichert, es werde durchaus separiert. „Es gibt Bereiche für allein reisende Frauen, es gibt Bereiche für Familien mit Kindern, es gibt Bereiche für allein reisende Frauen mit Kindern und so weiter“, erläutert sie. Angesichts der hohen Zahl an Menschen, die in Tegel untergebracht seien, bleibe die Verteilung aber eine Herausforderung.

Diesen Ort wünscht sich keiner

Im Integrationsausschuss nehmen auch die weiteren Verantwortlichen Stellung: „Tegel ist kein Ort, den sich irgendjemand hier wünscht“, sagt der designierte Präsident des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), Mark Seibert. Auch wenn bei einer Einrichtung dieser Größe nicht alles rundlaufe, gäben alle ihr Bestes: „Selbstverständlich läuft bei einer Einrichtung dieser Größenordnung nicht immer alles rund. Aber wir zerren jeden Tag darum, dass es runder läuft.“

Blick entlang von Schlafquartieren in der Flüchtlingsunterkunft in Tegel
Blick entlang von Schlafquartieren in der Flüchtlingsunterkunft in Tegeldpa

Zuletzt gab es Probleme mit dem Sicherheitspersonal auf dem Areal. Bei einer Razzia konnten Dutzende Sicherheitsmitarbeiter keine korrekten Papiere vorweisen. 250 Security-Leute braucht es pro Schicht. Aber auch hier sind die Ressourcen in einer in Verruf geratenen Branche begrenzt.

Der designierte LAF-Präsident Seibert verweist unterdessen darauf, dass das Land jüngst die Betreiberverträge mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) nachgebessert habe. Jetzt dürfen auch andere Hilfsorganisationen in Tegel mit unterstützen. Dennoch: Die Notlage bleibt und Tegel als Notlösung ebenso. ■