Kein Klavier auf dieser Welt ist vor ihm sicher. Ob in Flughäfen oder in Einkaufzentren – wo immer Thomas Krüger (33) auf so ein Musikinstrument in der Öffentlichkeit trifft, setzt sich der Berliner daran und spielt drauflos. Die Menschen, die ihm zuhören, sind begeistert. Die Videofilmchen, die von seinen spontanen Auftritten entstehen, sehen Millionen von Menschen, sind auf YouTube ein Hit. Denn Thomas Krüger ist der „Mr. Pianoman“, der Internet-Star aus der Marzahner DDR-Platte.
Vor kurzem konnten die Berliner ihn erst live erleben. Mit einem Elektro-Piano stand Krüger während des 100. Geburtstages der S-Bahn in einem Sonderzug, spielte ein selbst komponiertes Jubiläums-Ständchen auf das legendäre Verkehrsmittel der Hauptstadt. Denn Krüger ist nicht nur ein begnadeter Pianist, er ist seit seiner Kindheit auch ein S-Bahn-Fan. „Eigentlich wollte ich auch beruflich etwas mit Verkehrswesen und Infrastruktur machen“, sagt er. Doch sein Leben verlief in andere Bahnen.

Wie es dazu kam, erzählt der junge Musiker bei einem Treffen mit dem KURIER auf der Marzahner Promenade. Ganz in der Nähe hat er seine Kindheit verbracht und hat dort auch jetzt sein Zuhause. Doch bevor das Gespräch beginnt, wird erst einmal Musik gemacht. Krüger rollt mit Reporter-Hilfe ein orangefarbenes Klavier aus dem Marzahner Stadtteilzentrum auf dem Platz. Es gehört ihm, ist ein Geschenk von seiner alten Schule.
Und dann legt Krüger los. Mit Popsongs wie „Money, Money, Money“ von ABBA bis „Enter Sandman“ von Metallica. Auch alte DDR-Hits wie „Alt wie ein Baum“ von den Puhdys und klassische Werke lässt er anklingen. Seine Finger fliegen dabei so einfach spielerisch über die schwarz-weißen Tasten des Instrumentes. Passanten, die zufällig vorbeikommen, bleiben erstaunt stehen, klatschen und ziehen glücklich weiter.
Mr. Pianoman aus Marzahn: Mit fünf Jahren fing er mit dem Klavierspielen an

Alles fing mit einem Bekannten seiner Mutter an, erzählt Krüger. „Der Mann war Musiklehrer, brauchte einen Raum für seine Musikschule. Diesen Raum fand er auf dem Grundstück unserer Familie“, sagt er. „Ich war damals fünf Jahre alt und das Klavier des Lehrers zog mich magisch an. So ging es los.“
Krüger lernte, viel über Gehör Lieder nachzuspielen und zu improvisieren. „Natürlich lernte ich auch Noten“, sagt er. „Mit 12 Jahren fing ich dann an, auf einem klassischen Klavier zu spielen.“
Nach dem Abi hatte der Marzahner dann die berufliche Wahl: Entweder er geht seiner Eisenbahnleidenschaft nach, oder er folgt seiner Liebe zur Klaviermusik. Die Liebe siegte.
„Ich wollte Musiker werden und auf der Bühne stehen, das war mein großes Ziel.“ So startete Krüger 2010 ein Lehramtsstudium für Musik. Damit war er auf der sicheren Seite. „Falls es mit der Bühne nicht klappt, kann ja ich immer noch Lehrer werden.“
Mr. Pianoman aus Marzahn: Bei Dieter Bohlens „Supertalent“ begeisterte er die Jury

Damit es mit der Bühne klappt, bewarb sich Krüger in Eigeninitiative zum Beispiel bei „Jugend musiziert“, errang beim regionalen Wettbewerb einen ersten und zweimal einen zweiten Preis. Und der Marzahner war 2013 beim RTL-„Supertalent“ dabei. Er begleitete am Klavier seinen Sängerfreund Andreas Lüders.
Neben Dieter Bohlen saß damals auch Designer Guido Maria Kretschmer in der Jury. „In der Vorrunde bekam ich für mein Klavierspiel von Guido den ,Goldenen Buzzer‘“, sagt Krüger. Damit war das Duo automatisch in der Live-Show. Bis ins Halbfinale kamen sie. Sieger wurde der damals 17-jährige Lukas Pratschker, der mit seinem Hund Falco eine Tanznummer zeigte.
Dennoch war die RTL-Show für Krüger ein Erfolg und ein weiterer Schritt in Richtung Bühne. „Ich knüpfte Kontakte, wurde für Stadtfeste in Marzahn oder für Auftritte in Seniorenheimen und Privatfeiern gebucht, spielte beim Klassik-Open-Air in Helle Mitte.“ Der Anfang als selbstständiger Musiker war gemacht.
Mr. Pianoman: Mit einem wackligen Video kam der Durchbruch

Dann kam der Durchbruch. 2017 schoss plötzlich im Internet ein Video durch die Decke. Die Aufnahme entstand bereits im Vorjahr während einer Studienreise nach Frankreich. Es zeigt, wie Krüger sich im Pariser Flughafen in einer Ecke an ein öffentliches Klavier setzt und ein Medley aus Popsongs spielt, die ihm gerade in den Sinn kamen. „Meine Mutter hatte das Video gedreht, es war etwas verwackelt.“

Trotzdem stellt Krüger es auf seinem YouTube-Kanal unter dem Künstlernamen „Mr. Pianoman“. „Zehn Monate später ging dann die Aufnahme im Netz viral“, sagt er. „Bis heute haben über 35 Millionen Menschen dieses Video gesehen.“
Krüger hat damit seine Berufung gefunden. Wie gesagt, jedes öffentliche Klavier, das irgendwo in der Welt steht, wird von dem Jungen aus Marzahn seit dem erobert. Er spielte in Salzburg, in Wien, in Hauptbahnhöfen, in Hotels wie dem Ritz-Carlton in Berlin, in Amsterdam, sogar nach Brasilien wurde er für einen Auftritt eingeladen. Stars wie Frank Zander hat der Marzahner mit dem Klavier begleitet.

Selbst im Urlaub mit der Freundin kapert er Klaviere, wie in Dubrovnik, wo „Games of Thrones“ gedreht wurde und er die Serienmelodie spielte. Und immer werden diese Aktionen gefilmt und im Internet hochgeladen. Über 165 Millionen Menschen schauen sich mittlerweile den „Mr. Pianoman“-Kanal an, über 930.000 haben ihn fest abonniert. Und die Klicks bringen Werbeeinnahmen.
Davon könne er mittlerweile ganz gut leben, sagt der Marzahner. Dazu kommen Konzerte auf der echten Bühne. Derzeit ist Krüger mit seiner Konzert-Tour „Piano Medleys in Concert“ unterwegs, spielt da nicht nur Songs anderer Komponisten, sondern auch seine eigenen Werke, die es nun sogar auf Spotify zu hören gibt.