Prozess in Berlin

„Missgeschick“: 91-Jähriger spaltet Ehefrau im Pflegeheim mit Axt

Ein 91-Jähriger soll seine Frau im Pflegeheim mit einer Axt erschlagen haben. Er spricht von einem „Missgeschick“, einer „Verzweiflungstat aus Liebe“.

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Ein Mann zwischen Liebe und Verzweiflung vor Gericht: Claus P. erschlug seine Frau Marianne im Pflegeheim mit einer Axt.
Ein Mann zwischen Liebe und Verzweiflung vor Gericht: Claus P. erschlug seine Frau Marianne im Pflegeheim mit einer Axt.Berliner KURIER

Ein Ehepaar wird gemeinsam alt. Sie landet im Heim, er hält es nicht mehr aus. Was als Besuch beginnt, endet blutig. Jetzt steht Claus P. (91) vor Gericht – und erzählt von einer „Verzweiflungstat aus Liebe“. Claus P., Jahrgang 1934, war einst selbst Staatsanwalt. Heute sitzt er als Angeklagter im Landgericht Potsdam. Schwerhörig, mit randloser Brille, beigem Pullover und blauer Trainingsjacke hört er die Anklage nur bruchstückhaft. Sein Familienstand? Verwitwet. Seine zweite Frau Marianne – seine große Liebe – ist tot. Und er soll es gewesen sein, der sie mit einer Axt erschlug.

Gelähmt im Pflegeheim: Claus P. konnte die Schmerzen seiner Frau nicht ertragen

„Die kleinen Buchstaben“, entschuldigt sein Anwalt, als der Richter ihn bittet, die Akten genauer anzusehen. P. sieht schlecht, leidet unter Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, künstlicher Hüfte. In der U-Haft, klagt er, müsse er sogar kalten Tee trinken. Marianne, 87, war schwer krank. Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall – zuletzt gelähmt im Pflegeheim. Claus P. besuchte sie fast täglich. Doch ihre Schmerzen konnte er nicht ertragen. „Sie wollte nicht ‚dahinsiechen‘“, erzählt er.

Seine Frau habe von einer „Pille“ gesprochen, „wie damals in der Nazizeit“. Eine Zyankali-Kapsel, die man in der Backe versteckt, auf die man nur noch beißen muss. „So eine hätte sie haben wollen.“ Doch P. wusste nicht, wie er da herankommen sollte. Also griff er zur Axt. Tage vor der Tat borgte sich P. die Mordwaffe. Dem Nachbarn sagte er, er müsse „etwas zerkleinern“. Sein Sohn fand die Axt später im Haus. „Vater, was willst du denn mit der Axt?“ – doch P. wechselte das Thema.

Die Pflege von Angehörigen kann Menschen zur Verzweiflung bringen. Ein Senior steht jetzt vor Gericht, weil er seine Frau mit einer Axt erschlug.
Die Pflege von Angehörigen kann Menschen zur Verzweiflung bringen. Ein Senior steht jetzt vor Gericht, weil er seine Frau mit einer Axt erschlug.Sebastian Kahnert/dpa

Mord im Pflegeheim: Claus P. sagt, die Axt sei ihm „aus der Hand gerutscht“

Am 19. Mai 2025 wickelte er die Waffe in ein Handtuch und ging ins Pflegeheim. Am Bett seiner Frau sei ihm die Axt „aus der Hand gerutscht“, schildert er. Eine kleine Verletzung sei entstanden, „jetzt hat sie auch noch Schmerzen wegen dir“, habe er gedacht. Dann sei eine „schwarze Wolke“ gekommen. Claus P. schlug zu – immer wieder. „Nach dem Missgeschick kam der Rausch. Was für eine Schande für meine Familie“, stöhnt er im Gerichtssaal.

Immer wieder fasst sich P. während der Verhandlung an den Kopf, nippt an seinem Apfelsaft aus dem Tetra Pak. Der Richter fragt mehrfach, ob er eine Pause brauche. Doch der 91-Jährige bleibt sitzen. Als der Staatsanwalt weitere Fragen ankündigt, sagt P. nur: „Auweia.“ Den Schilderungen der Pflegekräfte, die von einem „gespaltenen Schädel“ berichten, hört er scheinbar teilnahmslos zu. Vielleicht, weil er so schlecht hört. Vielleicht auch, weil seine Welt ohne Marianne für ihn längst zu Ende ist. Claus P. nennt es eine „Verzweiflungstat aus Liebe“. Er habe seine Frau erlösen wollen. Doch für die Justiz ist klar: Es war ein brutaler Mord. Das Urteil steht noch aus.

HILFE BEI SUIZIDGEDANKEN
Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote: Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch Türkisch. mutes.de Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de