„Sometimes you can’t stop. I’m proud of you!“ (Manchmal kannst Du nicht aufhören. Ich bin stolz auf Dich). Auf Englisch begrüßt mich meine Trainerin, als ich mich zum zweiten Mal an diesem Tag startklar mache. Startklar heißt: Ich setze mir eine Brille auf. Ich habe in den vergangenen Wochen weder mit Boxhandschuhen, noch mit Laufband oder Kraftmaschine trainiert. Mein Übungsgerät war eine Virtual-Reality-Brille: die Meta Quest 3. Ich wollte wissen, ob dieses Ding wirklich zum Fitness-Training taugt. Mein Ergebnis nach drei Wochen: vier Kilogramm weniger.
Normalerweise trainiere ich in einem Fitnessstudio in den Schönhauser Allee Arcaden in Berlin-Prenzlauer Berg. Aber was heißt normalerweise … Früh ist zu früh, und nach der Arbeit ist man oft zu abgekämpft (und zu bequem), um sich noch mal ins Fitnessstudio zu quälen. Freunde locken, das Kino. Dazu kommen bei mir Probleme mit der Achillessehne, die mich immer wieder zwingen, wochenlang auszusetzen.
Von „FitXR“ bis „Beat Saber“: Es gibt Dutzende Bewegungsspiele für die Meta Quest 3
Als im Februar die Meta Quest 3 mit einer ganzen Batterie von Fitness-Spielen gelauncht wurde, dachte ich, das könnte was sein für mich. Ich habe schon vor Jahren durch Nintendos Wii gelernt, dass sich Videospielen und sportliche Betätigung nicht ausschließen müssen – als ich nach einer Nacht mit virtuellem Skispringen, Bowling und Volleyball am nächsten Tag Muskelkater hatte. Nicht im Gamer-Daumen, wie man denken könnte, sondern in beiden Oberschenkeln.

Zwei Vorteile machen mir den Versuch schmackhaft. Die VR-Brille erspart mir den Weg ins Studio und damit fällt die Suche nach einer Ausrede weg, warum ich heute wieder mal keine Zeit habe. Und ich kann im Wohnzimmer barfuß trainieren, der hintere Teil des Sneakers malträtiert nicht mehr meine geplagten Achillessehnen.
Der erste Versuch: Die cremefarbene, kabellose Meta Quest 3 lässt sich einfach über den Kopf schieben und mit den Bändern fixieren. Gut für mich: Ich muss nicht mal meine normale Brille absetzen, die passt unter die VR-Brille, die Sehschärfe muss nicht nachjustiert werden. 515 Gramm wiegt die Meta Quest 3, daran gewöhne ich mich schnell. Cool: Wenn nicht gerade ein Programm läuft, sehe ich dank der sechs verbauten Kameras auch mit der VR-Brille den Raum, in dem ich mich bewege. In jeder Hand hält der Spieler einen Controller.

Die ersten Wochen waren meine Probierphase. Es gibt inzwischen Dutzende Bewegungsspiele für die Meta Quest 3. Da ist die Bergsteigersimulation „The Climb 2“ (29,99 Euro), da sind Spiele wie „FitXR“ (9,99 Euro pro Monat) und „Litesport“ (ab 8,99 Euro), die es nur im Teuer-Abo gibt. „FitXR“ bietet Zugriff auf Hunderte Fitness-Kurse – von Zumba bis zum Boxen. In „Litesport“ erscheinen die Trainer direkt vor einem im Raum, um Fehler bei der Ausführung zu korrigieren.
In „Beat Saber“ (29,99 Euro) kommen Blöcke auf einen zugeflogen und müssen mit virtuellen Lichtschwertern im Rhythmus der Musik zerschlagen werden. Hier ist die virtuelle, neonfarbene Kunstwelt nicht so meine Welt. In „OhShape“ (19,99 Euro) geht es um Schnelligkeit und Präzision, man muss den Körper in die angezeigten Positionen bringen, um heil durch die Level zu kommen. Macht Spaß, ist aber mehr Spiel als echter Sport.
Meine Probierphase endet, als ich „Les Mills Bodycombat“ (29,99 Euro) entdecke. Mit den beiden virtuellen Trainern Rachel und Dan. Die so aussehen und so klingen wie Trainer aussehen sollen, mit dem richtigen Gespür für Vorwärtspeitschen und Motivieren („Sometimes you can’t stop. I’m proud of you!“). Ein Mixed-Martial-Arts-Workout. Mit Sportarten, die ich nie vorher probiert hatte, mit Boxen, Kickboxen, Karate. Beim ersten Training („Lower Body Conditioning“) bin ich nach 13 Minuten platt.
Minus vier Kilogramm: Ich kontrolliere auf der Waage, was mir das Training gebracht hat
Der Spieler steht in einem riesigen Sportstudio, der Ausblick aus dem Fenster wechselt. Von Mars-Landschaften bis zu Sci-Fi-Städten. Die Idee ist simpel: Die Musik läuft, die während des Trainings unsichtbaren Rachel und Dan geben abwechselnd die Kommandos auf Englisch. „Bang, bang, hit the rhythm“. Und dann muss man im richtigen Rhythmus zuschlagen, Scheiben mit „Sky Punches“ (Schläge nach oben) oder „Hammer Punches“ (beidarmig) treffen.
Es gibt Jabs, Hooks und Uppercuts, die man aus dem Boxen kennt. „Move the shoulder! Jab, Jab, Cross“, treibt mich die Trainerin vorwärts. Nach zehn Minuten bin ich schweißüberströmt, das Atmen fällt schwerer. „This is excellent work!“, höre ich vom Trainer.

Es gibt fliegende Objekte, die man greifen muss, um sie wie ein Kickboxer mit den Knien zu erschlagen. Manche Übungen muss ich aus der Hocke absolvieren, manchmal heranschwebenden Wänden mit Bewegungen aus der Hüfte ausweichen.
Boxen, Schnelligkeit- und Unterkörpertraining wechseln sich ab. Für mich perfekt: Jede Trainingsrunde von „Les Mills Bodycombat“ simuliert einen Wettkampf. Es gibt Punkte für jeden Schlag und man tritt in jeder Runde gegen sechs virtuelle Konkurrenten an, sieht, wie viel Punkte die machen, versucht, am Ende vorne zu sein.
Nach ein paar Tagen bekomme ich ein Gefühl für den Rhythmus des Trainings, für meinen Rhythmus. Täglich trainiere ich zweimal, 20 bis 30 Minuten vor der Arbeit, eine halbe Stunde nach der Arbeit. 30 Minuten lassen sich in den Tagesablauf einplanen, ohne dass es groß auffällt. Mehr braucht es auch nicht: Nach einer halben Stunde ist das nächste Shirt reif für den Wäschekorb. Viel länger als 30 Minuten mag ich nicht Gas geben, denn irgendwann beginnt man auch unter der Brille zu schwitzen.
Fazit: Fitness-Training per VR-Brille funktioniert, wenn man das richtige Programm findet, das zu einem passt.