Manfred Moslehner ist kein Mann der großen Worte. Dass er diesen ganzen Trubel um ihn nicht bräuchte, ist ihm deutlich anzumerken. Doch für Manfred Moslehner geht es um alles. Darum, die letzten Jahre seines Lebens in seinem Haus verbringen zu dürfen. Sie in Würde und Ruhe verbringen zu dürfen.
Wenn man die Geschichte um Manne verfolgt, fragt man sich, wie um Himmels willen die Fronten so verhärten konnten. Zwischen Investor und alten Mietern in der Siedlung Am Steinberg. Seit 14 Jahren wehren sich die Mieter gegen ihre Verdrängung. Um sie herum leben längst neue Besitzer in den edel sanierten Doppelhaushälften.
Zwei Welten prallen in wenigen Straßenzügen aufeinander.
Manne: Schlosser, 1000 Euro Rente
Manne hat schon viele Prozesstage über sich ergehen lassen. In seinen zu groß wirkenden Jeans, ist der ehemalige Schlosser zu einem Symbol geworden, das er wohl nie sein wollte. Von 1000 Euro Rente lebt Manne in dem Haus, in dem er geboren wurde. Bäume und Sträucher wuchern vor dem Eingang, als wolle sich das schiefe Häuschen verstecken. Verstecken vor dem Zugriff der Eigentümer, der Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft, die die Doppelhaushälften luxussanieren und dann weiterverkaufen will.

Ende April hat Manne einen letzten Prozess um seine Räumung verloren, mit der Hilfe von Spenden ging er in Berufung. An diesem Tag geht es vor dem Landgericht aber um etwas anderes: Der Investor hat ein Zwangsgeld beantragt, weil Moslehner Mitarbeitern den Zutritt zu seinem Haus verwehrt haben soll. Die waren beauftragt, Modernisierungsarbeiten zu planen und durchzuführen. Moslehner bestreitet das.
Protest gegen die Verdrängung
Manfred Moslehner hat viele Unterstützer, die ihn auch an diesem Tag zum Gericht begleiten, berichtet die Berliner Zeitung.
Hartmut Lenz organisiert mit seiner Frau Brigitte den Protest in der Siedlung, in ihrem Haus ist die Zentrale des Widerstands gegen die Sanierung entstanden. Lenz ist auch heute da und hat ein Banner mitgebracht. „Steinberg kämpft“ steht darauf. Er verteilt rote Schals für alle. Die Unterstützer kenn das Procedere, sie sind längst erprobt im Protest.

Manfred Moslehner ist der ganze Auflauf aus Journalisten und Kameras unangenehm. Als ein Reporter der Berliner Zeitung ihn fragt, wie es ihm geht, zuckt er mit den Achseln und nuschelt: „Schlecht“.
Im Saal 355 stellt die Richterin dann klar: heute geht es nicht um die Räumung, sondern nur darum, „ob Herr Moslehner den Zutritt des Mitarbeiters verweigert hat“.
Investor fordert Beugehaft und Zwangsgeld
Der erste Zeuge ist der Mitarbeiter des Investors, ein junger Mann im blauen Anzug. Heute arbeitet er nicht mehr für seinen damaligen Chef. Der Termin bei Moslehner sei unangenehm für ihn gewesen. An den genauen Gesprächsablauf könne er sich nicht mehr erinnern, sagt er.
Moslehner habe ihm gesagt, er könne ihm den Schlüssel nicht geben, er habe nur den einen. Daraufhin sei er wieder gegangen. Ob er überhaupt seinen Namen genannt habe, fragt die Richterin. Ob er eine Legitimation vorgezeigt habe, die ihn zur Abholung des Schlüssels berechtigte? Der Mann kann sich daran – neun Monate später – nicht mehr erinnern. „Es ist alles schon so lange her.“ Auch ein zweiter Zeuge kann sich an den Ablauf nicht detailliert erinnern. Nach 90 Minuten Befragung ist die Verhandlung beendet. Ein Ergebnis gibt es noch nicht.

Wieder einmal hängt Manne in der Luft, weiß nicht, wie es weitergeht. Will es vielleicht auch gar nicht mehr wissen. Die Kräfte mit 84 Jahren sind endlich.
„Sie wollen Manne fertig machen, bis er nicht mehr kann“, sagt Hartmut Lenz nach der Verhandlung den Reportern. Er solle raus aus dem Haus, um jeden Preis. Dann seien die anderen Mieter dran, die noch da sind. Bei einem 85-Jährigen nur ein paar Häuser weiter habe es jetzt auch begonnen, der bekomme ständig Besichtigungstermine von Kaufinteressenten mitgeteilt.
Update: Vor Gericht hat der Vermieter von Manfred Moslehner am Mittwoch eine erste Niederlage vor dem Amtsgericht Wedding einstecken müssen. Die Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft hatte ein Ordnungsgeld und notfalls eine Beugehaft gegen den 84-jährigen Moslehner beantragt. Der Antrag wurde am Mittwoch vom Amtsgericht abgewiesen, berichtet die Berliner Zeitung.■