Christian Bonten macht es spannend: Bei der Vorstellung seines Gutachtens zum Grund für das Bersten des gigantischen Aquariums Aquadom im Berliner Radisson Hotel holt er weit aus. Er berichtet detailreich und fesselnd über eine Stunde lang von der Suche nach der Ursache, nach dem Knackpunkt, dem Beweis. Was bleibt, ist der Eindruck, dass alle Anstrengungen unternommen wurden, herauszufinden, warum das Aquarium barst: Dennoch muss Bonten ganz zum Schluss zugeben: „Geben Sie mir eine Million Euro und ich werde den einen Grund für das Geschehene nicht herausfinden.“ Es gibt offenbar mehrere Gründe.

Gemeinsam mit weiteren Ingenieuren hatte mit Christian Bonten einer der weltweit erfahrensten Kunststoffexperten die mehr als 700 Bruchstücke des äußeren Zylinders des Aquadoms in den vergangenen Monaten in einer Lagerhalle in Brandenburg akribisch untersucht. Eine absichtliche Beschädigung des Wasserbeckens wurde dabei bereits im August ausgeschlossen.
Warum barst der Aquadom in Berlin?
Doch was führte nun zu dem Unglück, das am 16. Dezember 2022 um kurz vor sechs die Hotelgäste aus dem Schlaf riss? Wie konnte es geschehen, dass sich eine Million Liter Wasser samt Fischen bis auf die Straße ergossen, tonnenschwere Acrylglasteile, die 20 Jahre gehalten hatten, in die Hotel-Lobby krachten?

Die Union Investment als Eigentümer des Dom Aquarees hatte das Gutachten in Auftrag gegeben. Weil die Versicherung den hohen zweistelligen Millionenschaden, der entstand, auch übernimmt, zahlt sie ebenfalls das nun vorgestellte Gutachten. Kiloschwer sei es, so der Autor, 66 Seiten, plus Anhang.
Bonten beschreibt das Vorgehen nach der Havarie am größten Aquarium seiner Art und führt aus, welche Hypothesen zum Vorgang schnell verworfen wurden. Die Suche nach Projektilen wird eingestellt, unsachgemäße Reinigungsmittel scheiden aus, Sabotage anderer Art, seismische Schwingungen, Veränderungen des Untergrunds oder Temperaturschwankungen: alles Sackgassen in der Untersuchung.
Nach dem Unglück beginnt zunächst das große Puzzeln, werden detailreiche Kartierungen angefertigt. Welches der teils tonnenschweren Bruchstücke landet wo? Ein Stück, das Bonten den „Zahn“ nennt, ist dabei besonders aufschlussreich. In Kombination mit dem erarbeiteten Fallmuster ergibt sich die Vermutung, dass es in der Nähe der Zustiegsleiter für Taucher, etwa auf der gegenüberliegenden Seite des „Zahns“ einen Impuls, einen ersten Wasseraustritt gegeben haben muss.

Drei mögliche Ursachen für Aquadom-Havarie
Warum aber der erste Bruch oder Riss entstand, dafür gibt es keine endgültige Erklärung. Einen Teil könnte die Sanierung das Aquariums ab 2019 wegen einer Leckage im Sockel beigetragen haben. Damals wurde das Wasser abgelassen, auf der Innenseite des Zylinders trocknete das Acrylglas viereinhalb Monate aus, weil eine Schutzfolie zu früh entfernt wurde. „Ein Fehler“, glaubt Bonten. Doch dies allein führte nicht dazu, dass das Aquarium barst. Denkbar sei auch, dass eine Klebenaht versagte. Ob es weitere unerkannte Kerben im Sockel während der Sanierung gab, die zu einem „langsamen Risswachstum“ führten, sei ebenfalls nicht herauszufinden. Jegliche Kerbe sei beim Bersten zu einer Bruchkante geworden und daher nicht detektierbar.

Hotel-Lobby wird neu gestaltet – ohne Aquarium
„Ich hätte auch gern die eine Ursache gefunden“, sagt Christian Bonten. Und: „Nach heutigen Kenntnisstand würde man ein solches Aquarium wieder so bauen.“ Allerdings wird dies in Berlin nicht geschehen. „Wir bauen kein neues Aquarium“, sagt Union-Investment-Sprecher Fabian Hellebusch. „Auch kein kleines.“
Wann das Hotel wieder öffnet, steht noch immer in den Sternen. Es gibt ein neues Konzept für die Gestaltung der Lobby, der acht Meter hohe Stahlbetonsockel des Aquadoms soll einbezogen werden. Der Bauantrag läuft. Doch die Arbeiten gestalten sich schwierig, weil auch die Panoramaaufzüge in der Lobby stark beschädigt wurden. Sie sind aber essenziell für den Hotelbetrieb. Immerhin: Demnächst werden die letzten Gewerbeflächen wieder freigegeben, sodass alle anderen Mieter wieder an den Start gehen können.