Duft von frischem Brot

KURIER-Besuch in der Marzahner Mühle: „Hier wird gebacken wie damals!“

Ein uriger Besuch in Marzahns Wahrzeichen, der Mühle auf dem Hügel – zwischen Plattenbauten, Straßenbahn und Bienchen!

Author - Veronika Hohenstein
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Der Müller Alexander Benedict (58) vor der Marzahner Mühle. Seit 2020 sorgt er dafür, dass das historische Handwerk des Brotbackens in Marzahn weiterlebt – mit Roggen, Herzblut und Blick für die Natur.
Der Müller Alexander Benedict (58) vor der Marzahner Mühle. Seit 2020 sorgt er dafür, dass das historische Handwerk des Brotbackens in Marzahn weiterlebt – mit Roggen, Herzblut und Blick für die Natur.Veronika Hohenstein

Wenn ganz Berlin noch schläft und der Nebel zwischen den Plattenbauten hängt, sind der Müller Alex Benedict (58) und Bäcker Peter Westphal (53) schon wach! Ein Alpaka mit zotteliger Frisur guckt schief am Zaun. Donnerstag ist Brotbacktag in der Bockwindmühle Marzahn. Der KURIER klopft an, das Gartentor knarrt. „Willkommen beim Marzahner Wahrzeichen!“, sagt der Bäcker und eilt zurück zum Ofen, wo eine Ladung Sauerteigbrote herauswill, braun und knusprig.

Schon Anfang der Woche geht’s los: Montags und dienstags wird das Mehl in der alten, urigen Mühle gemahlen. Mittwochs kommen die Vorteige dran – und donnerstags, da geht’s ans Backen. Schon um 5 Uhr geht hier auf dem grünen Hügel der Tag los – umringt von Plattenbauten und alten Marzahner Ziegeldorfdächern.

Alexander Benedict hütet die Mühle – und lässt Brot, Wissen und Gemeinschaft neu aufgehen.
Alexander Benedict hütet die Mühle – und lässt Brot, Wissen und Gemeinschaft neu aufgehen.Veronika Hohenstein

„Das Schöne am Sauerteig ist: Der schimmelt nicht“, sagt Müller Alexander Benedict, ein gebürtiger Usedomer. Er steht im warmen Backstübchen und verteilt den klebrigen Roggenteig in die alten Ofenformen. Aus einem kleinen Lautsprecher klingt das Soldatengebet von Estéban Cortez. Der Müller singt mit, knetet und formt den Teig. „Weißt du, es gibt kein hartes Brot. Hart wird es dann, wenn man keins mehr hat.“ Er lacht, erklärt, es sei ein altes Zitat – „und alte Zitate stimmen“. Aber das gilt natürlich nur für wahres, gesundes Sauerteigbrot.

Der einstige Inselbewohner hat schon immer die Liebe zur Natur empfunden. Seit vier Jahren betreibt er nun die Mühle und strengt sich auch für kleine Marzahn-Bewohner an: „Insekten, kleine Tierchen, alle sind willkommen!“ Das nahm sich ein ganzer Schwarm Bienchen sehr zu Herzen, der sich hier am Hügel niederließ. Mit gelben Höschen krabbeln die Bienen nun in ihrem Stock bei der Mühle herum.

Peter Westphal (53) sorgt donnerstags für knuspriges Sauerteigbrot in der Marzahner Mühle. Der KURIER war zum Backtag da – und wurde herzlich empfangen.
Peter Westphal (53) sorgt donnerstags für knuspriges Sauerteigbrot in der Marzahner Mühle. Der KURIER war zum Backtag da – und wurde herzlich empfangen.Veronika Hohenstein

„Roggen, Dinkel, Weizen – alles Bio“ und mit Bedacht verarbeitet. Das Getreide kommt vom Gut Rosenkranz in Niedersachsen. Doch zukünftig wird die Mühle auch vom Bio-Bauern Willie aus Wilmersdorf bei Werneuchen beliefert – das Korn sollte mittlerweile unter der Brandenburger Sonne gedeihen. „Der hat für uns extra Lichtkornroggen angebaut – das ist so zart, das lässt sich vermahlen wie Glas.“

Dieses Sauerteigbrot ist einfach der Wahnsinn: Lange Gehzeiten bauen Gluten ab, Milchsäurebakterien fördern die Verdauung – und Schimmel hat keine Chance. Ein Brot mit Bauchgefühl!
Dieses Sauerteigbrot ist einfach der Wahnsinn: Lange Gehzeiten bauen Gluten ab, Milchsäurebakterien fördern die Verdauung – und Schimmel hat keine Chance. Ein Brot mit Bauchgefühl!Veronika Hohenstein

Ein Besuch in der Marzahner Mühle: „Hier wird gebacken wie damals!“

Die Marzahner Mühle wurde Anfang der 90er errichtet, doch die Geschichte lebt. Ausgebildet wurde Alexander von Frederic Schüler aus Potsdam – einem Müller, der hier selbst hier lernte. Jetzt führt Alexander das Erbe weiter, mit Leidenschaft und vielen Zukunftsplänen. Es soll einen „feinen Wochenmarkt direkt auf dem Mühlenhügel“ geben. „Jeden Donnerstag. Mit regionalen, hochwertigen Produkten von Menschen aus der Umgebung.“ Wer mitmachen möchte, kann sich direkt beim Müller melden.

Dann gehen wir von der Backstube rüber zur Bockwindmühle. Diese darf heute ruhen. Schon seit Tagen wird vor Gewitter gewarnt, die Wolken hängen tief, plötzliche Windstöße zerren an den Mühlenflügeln – diese haben schon viele Stürme überlebt! Schließlich ist die Mühle nach einem alten Konzept gebaut. „Alles ist wie damals!“

Was habt ihr demnächst so geplant? „Oh, der Deutsche Mühlentag am Pfingstmontag, 9. Juni! Das wird ein Fest!“ Von 11 bis 18 Uhr ist hier am Hügel dann großes Programm, auch für Kinder. Denn am Mühlentag sind bundesweit alle Mühlen offen. Wer also mal erleben will, wie richtiges, gesundes Brot nach echtem Handwerk gemacht wird – kann es hier lernen! Auch wird es frische Schmalz- und Kräuterstullen sowie Zuckerkuchen aus dem Steinofen geben, aber auch Bogenschießen-Spaß, ein Natur-Kinderbastelprogramm und vieles mehr.

Echtes Marzahner Sauerteigbrot in wahrer Stadtrandromantik

„Aber das war es noch nicht: zu Mittsommer, 21. Juni, machen wir hier ein Fest wie die Schweden. Und alle sind eingeladen, mit Musik und Co.!“ Alexander lacht herzlich.

Getragen wird das Mühlen-Projekt übrigens von der Agrarbörse Deutschland Ost – diese fördert Gemeinschaft, Kultur und Naturerleben – mitten in Berlin. Normalerweise macht die Mühle donnerstags um 14 Uhr auf – gestern waren die Marzahner aber zügig und hatten schon vor 14 Uhr alle Brote weggekauft, denn dieses Marzahner Sauerteigbrot ist ein wahrer kulinarischer Geheimtipp!