Stadtgeschichte Berlin

DDR-Staub und Sternenglanz: Filmreife Einblicke ins Kino International

Das Kino International an der Karl-Marx-Allee öffnet während der Sanierung seine Türen – und weckt Erinnerungen an Glanz, Größenwahn und glitzernde Vorhänge.

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Restaurator Matthias in der Baustelle – Einblick in den Sanierungsarbeiten im Kino International.
Restaurator Matthias in der Baustelle – Einblick in den Sanierungsarbeiten im Kino International.Emmanuele Contini/Berliner Kurier

Es riecht nach Staub, Holz und irgendwie auch nach Vergangenheit. Zwischen Kabeln, Gerüsten und nacktem Beton steht ein Besucher im ehemaligen Jugendclubraum des Kino International und sagt leise: „Hier riecht es ja wie früher.“ Und auf einmal ist er wieder da, der alte DDR-Geruch, der in manchem Leben tief eingebrannt ist wie ein alter Film auf Zelluloid.

Am Wochenende öffnete das legendäre Premierenkino an der Karl-Marx-Allee seine Türen – mitten im Umbau, mitten in der Geschichte. Anlässlich des Tags der Städtebauförderung durften Berlinerinnen und Berliner einen Blick in das werfen, was bald wieder glänzen soll: ein Ost-Berliner Juwel, das nach Jahrzehnten zwischen Mythos und Realität nun zu neuem Leben erwacht.

Kino International: Ein Palast für die Filme – und für die Mächtigen

Eröffnet wurde das Kino 1963, gebaut im International Style – schnörkellos, kühl, modern. Ein Kontrast zur Pracht der „Zuckerbäcker-Architektur“, die bis dahin die Ost-Berliner Skyline prägte. Hier saßen sie, die Großen der DDR: Ulbricht, Honecker, das Politbüro – in der sagenumwobenen achten Reihe mit der besten Sicht zur Leinwand.

„Eine Legende besagt, dass Honecker immer auf Platz 15 saß – 08/15 bekam so eine ganz eigene Bedeutung“, schmunzelt Kinoleiter Thore Horch beim Rundgang durch den entkernten Bau.

Doch auch der Sozialismus hatte seine technischen Tücken: Bei der Eröffnung 1963 blieb der 70mm-Film fünfmal stecken – Walter Ulbricht verließ angeblich wutentbrannt den Saal. Danach mied er das Kino – aus Prinzip.

Im Keller des Kinos liegt verborgen eine Bunkeranlage – die Räume versprühen mehr DDR-Charme denn je.
Im Keller des Kinos liegt verborgen eine Bunkeranlage – die Räume versprühen mehr DDR-Charme denn je.Yoko Rödel

Glanz vergangener Zeiten im Kino International – unter dem Staub

Seit Mai 2024 wird das unter Denkmalschutz stehende Gebäude saniert. Außen eingerüstet, innen entkernt. Deckenverkleidungen abmontiert, Holzreliefs abgeschraubt, Teppiche entfernt. Und doch offenbaren sich Schätze: originale Leuchtenfassungen aus Porzellan, wiederentdeckte Oberlichter, sogar ein geheimer Schutzbunker im Keller – „vergleichsweise luxuriös“, wie Horch sagt. Es gab fließend Wasser, Trocken-WCs – kein Eimer, wie anderswo.

Blick in die Panorama-Bar, Wandelemente sind abmontiert, werden in Weißensee aufbereitet. Nur das Parkett war komplett hinüber, wird durch einen Boden (geräucherter Eiche) ersetzt.
Blick in die Panorama-Bar, Wandelemente sind abmontiert, werden in Weißensee aufbereitet. Nur das Parkett war komplett hinüber, wird durch einen Boden (geräucherter Eiche) ersetzt.Erik-Jan Ouwerkerk

Der alte Vorhang des Kinos International lebt – und funkelt bald noch schöner

Natürlich wurde gefragt: Was passiert mit dem silbernen Vorhang, dem schimmernden Herzstück jeder Premiere? Die schlechte Nachricht: Er war nicht mehr zu retten. Die gute: Er wird neu aufgelegt – aus lichtbeständigem Material, mit Original-Pailletten. „Er wird wahrscheinlich sogar noch mehr funkeln als vorher“, verspricht Horch.

Kino International: Von Kinotraum zu Denkmalpflege

Das Kino war einst der Ort für große Filme und kleine Fluchten. Jetzt wird es Stück für Stück wieder aufgebaut – mit Sorgfalt, Geduld und echtem Handwerk. 80 Prozent der Technik werden erneuert, von Heizung bis Lüftung. Der Zuschauerraum verliert 50 Plätze – aber gewinnt zehn Zentimeter Beinfreiheit pro Reihe. Ein Kompromiss, damit der Kultort auch wirtschaftlich bestehen kann.

Der Kinosaal, für die Sanierung musste alles raus. Wie es heißt, wird der beliebte Paillettenvorhang durch ein Duplikat ersetzt.
Der Kinosaal, für die Sanierung musste alles raus. Wie es heißt, wird der beliebte Paillettenvorhang durch ein Duplikat ersetzt.Yoko Rödel

Die Hoffnung liegt nicht nur im Saal

2026 soll die Wiedereröffnung gefeiert werden – mit Premieren, Klassikern, Sonderveranstaltungen. Doch für Thore Horch reicht das nicht. Er wünscht sich mehr: eine lebendige Karl-Marx-Allee, in der Cafés, Läden und Kultur die sanierten Fassaden mit Leben füllen. „Die Straße ist ein Denkmal, ja. Aber Denkmäler dürfen atmen“, sagt er. „Sonst verstauben sie. So wie ein alter Film, der nie mehr gezeigt wird.“

Funkelnder Vorhang, gläserne Fassade, Geschichte in jeder Wand – das Kino International ist mehr als ein Bau. Es ist Erinnerung. Es ist Aufbruch. Und vielleicht ist es bald auch wieder das, was es einmal war: Ein Ort, an dem Berlin für zwei Stunden die Welt bedeutet.

Das Kino International steht seit Beginn des 21. Jahrhunderts unter Denkmalschutz.
Das Kino International steht seit Beginn des 21. Jahrhunderts unter Denkmalschutz.imago-images