Berliner Ensemble

Katharina Thalbach, die nicht feiern will, wird zum 70. groß gefeiert

Als 15-Jährige debütierte die Thalbach an dem legendären Berliner Theater. Jetzt steigt dort eine große Geburtstags-Sause.

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Katharina Thalbach auf dem Theaterplatz vor der Dresdner Semperoper
Katharina Thalbach auf dem Theaterplatz vor der Dresdner SemperoperSebastian Kahnert/dpa

Große Feiern sind nicht ihr Ding. Besonders Geburtstage, vor allem wenn es die eigenen sind. „Ich feiere meine Geburtstage nicht“, sagte Katharina Thalbach, als sie 65 wurde. Doch fünf Jahre später kommt sie um ein großes Fest wohl nicht herum: Zu ihrem 70. Geburtstag lässt das Berliner Ensemble die Schauspielerin hochleben.

Noch vor einem Jahr kündigte Katharina Thalbach an, ihren 70. Geburtstag ignorieren zu wollen. „Das ist nicht meins. Eigentlich feiere ich keine Jubiläen“, sagte sie im Dezember 2022 in einem Interview. Der 100. Geburtstag ihres 2006 verstorbenen Vaters Benno Besson in der Berliner Volksbühne sei eine Ausnahme gewesen.

Im Berliner Ensemble: Als 15-Jährige debütierte die Thalbach als Hure Betty in der „Dreigroschenoper“

Nun gibt es am 20. Januar 2024, einen Tag nach ihrem 70. Geburtstag, mit einer Party am Berliner Ensemble wohl die nächste Ausnahme: „Mit einer großen Geburtstagssause und zahlreichen prominenten Weggefährt:innen aus ihrem reichen Künstlerinnenleben lassen wir sie hochleben, mit Anekdoten, szenischen Beiträgen und viel Musik“, teilt das Berliner Ensemble mit. Der Abend ist seit langem ausgebucht.

Der Ort der Feier ist bedeutungsschwanger: Als 15-Jährige debütierte Thalbach dort als Hure Betty in Erich Engels Inszenierung der „Dreigroschenoper“ – mit nur zwei Sätzen Text. Im selben Jahr, im Dezember 1969, sprang sie dann als Vertretung für die große Rolle der Polly ein. Es wurde ihr Durchbruch.

Bis heute gilt: Wo auch immer Thalbach auftaucht, ist sie trotz ihrer Größe von nur rund eineinhalb Metern präsent. Unverwechselbar ist ihre tiefe Reibeisenstimme, mit der sie ein Hörbuch nach dem anderen liest. Immer den Schalk im Nacken hat sich die Frau mit den Kulleraugen und dem großen Mund auch mit 70 Jahren zugleich etwas Mädchenhaftes bewahrt. Mit ihrer Berliner Schnauze kommentiert sie frei heraus, was immer sie gefragt wird.

Dass sie mal Schauspielerin werden würde, war fast vorhersehbar. Ihr Vater Benno Besson war Intendant der Volksbühne, ihre Mutter Sabine Thalbach Teil des Berliner Ensembles. Katharina, geboren am 19. Januar 1954 in Ost-Berlin, wuchs im Theater auf. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter kam sie mit zwölf Jahren zu Pflegeeltern und wurde Meisterschülerin der Brecht-Witwe Helene Weigel. Thalbachs Tochter Anna und Enkelin Nellie sind ebenfalls Schauspielerinnen.

Sie habe früh erwachsen werden müssen, das habe sie geprägt, betont die Thalbach häufig in Interviews. Sie kennt, was sie spielt, wenn sie in ihrer Paraderolle zu sehen ist: einer resoluten Frau, die sich durchboxt, ob als Wendeverliererin oder Schlecker-Frau („Die Schlickkerfrauen“ von 2014).

So arbeitete sie sich hoch bis zur Rolle der Bundeskanzlerin „Angela Murkel“ in der Satire „Der Minister“ (2012). Die verkörperte sie auch 2023 in „Miss Merkel – Ein Uckermark-Krimi“. Mit der Ex-Regierungschefin verbinde sie einiges, sagte Thalbach damals, nicht nur der gleiche Geburtsjahrgang: „Ich bin auch aus der DDR, ich liebe auch Physik, ich liebe auch Eintöpfe.“

In „Miss Merkel – Ein Uckermark-Krimi“ löste Katharina Thalbach (stehend) einen Mordfall.
In „Miss Merkel – Ein Uckermark-Krimi“ löste Katharina Thalbach (stehend) einen Mordfall.Maor Waisburd/RTL/dpa

Katharina Thalbach blickt zurück auf ein rund 55-jähriges Schaffen: Bis 1971 gehörte sie dem Berliner Ensemble an, nach vier Jahren an der Volksbühne kehrte sie dorthin zurück. 1976 siedelte sie mit dem Schriftsteller Thomas Brasch (1945–2001) nach ihrem Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns nach West-Berlin über. Sie war 16, als sie Brasch kennenlernte, ihn bezeichnet sie als ihre „große Liebe“. Am Schillertheater debütierte sie 1978 in der Titelrolle von Braschs „Lovely Rita“.

Katharina Thalbach feiert Erfolge in „Hosenrollen“

Auch auf der Kinoleinwand war und ist Thalbach eine markante Ausnahmeerscheinung: In Volker Schlöndorffs „Die Blechtrommel“ (1978/79) gab sie Oskars Stiefmutter und Liebhaberin Maria, sie war die Hure Lotte in Doris Dörries „Paradies“ (1986) und die Mutter Doris in Leander Haußmanns „Sonnenallee“ (1999). 2007 bekam sie für die Rolle einer Kranführerin und Gewerkschafterin in „Strajk – Die Heldin von Danzig“ den Bayerischen Filmpreis.

Etliche Male bewies sie ihr Talent für Hosenrollen – sei es als „Hauptmann von Köpenick“ am Berliner Maxim-Gorki-Theater (1996) oder als Preußenkönig im Fernsehfilm „Friedrich“ (2012). Sie wirkte außerdem in Kinderbuchverfilmungen mit wie „Der Räuber Hotzenplotz“, „Bibi & Tina“ und „Hanni und Nanni“.

Katharina Thalbach als Privatdetektiv Hercule Poirot bei einer Probe zu „Mord im Orientexpress“ auf der Bühne des Schillertheaters.
Katharina Thalbach als Privatdetektiv Hercule Poirot bei einer Probe zu „Mord im Orientexpress“ auf der Bühne des Schillertheaters.Jörg Carstensen/dpa

Seit ihrem „Macbeth“-Debüt (1987) führt sie im Theater und insbesondere im Musiktheater auch Regie. Und sie steht auf der Bühne: In der Komödie am Kurfürstendamm war sie zuletzt in „Mord im Orientexpress“ als Meisterdetektiv Hercule Poirot zu sehen.

Die Thalbach wohnt in einer Berliner WG

Im Fernsehen war sie in der „Extraklasse“-Reihe bis 2022 die WG-Mitbewohnerin eines Abendschullehrers (Axel Prahl) – eine Rolle, in die möglicherweise eigene Erfahrung einfloss: Seit die Schauspielerin ihre Wohnung in Berlin-Mitte wegen einer Eigenbedarfskündigung räumen musste, wohnt sie – wenn sie nicht in ihrem Haus in Brandenburg ist – selbst in einer Wohngemeinschaft.

Was das neue Lebensjahr beruflich für sie bringe und worauf sie sich am meisten freue, wollte sie auf Anfrage nicht beantworten. Wenn sie endlich mal Zeit finde, würde sie gerne Kunstgeschichte studieren, hat sie einmal in einem Interview gesagt. Dass sie mit 70 dazu kommt, ist aber wohl zu bezweifeln. ■