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Im Berliner Ostbahnhof: Hilfe für Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen

Rund um die Uhr und unauffällig sollen sich Frauen Hilfe holen können, die zu Hause oder in ihrem Umfeld Gewalt ausgesetzt sind. Die Bundespolizei hat eine Anlaufstelle am Ostbahnhof in Berlin eingerichtet. Weitere sollen folgen.

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Im Ostbahnhof in Berlin hat heute die erste Anlaufstelle Gewalt gegen Frauen der Bundespolizei eröffnet.
Im Ostbahnhof in Berlin hat heute die erste Anlaufstelle Gewalt gegen Frauen der Bundespolizei eröffnet.Florian Gärtner/imago

Die häusliche Gewalt gegen Frauen nimmt in Berlin zu. Im Mai (895 Anrufe) und Juni (814) hat die Beratungshotline der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG Berlin) so viele Anrufe wie noch nie erhalten. Deshalb gibt es jetzt ein neues Angebot. Die Bundespolizei hat eine Anlaufstelle am Ostbahnhof eingerichtet, wo sich Frauen rund um die Uhr und unauffällig Hilfe holen können.

Die Bundespolizei hat am Donnerstag am Berliner Ostbahnhof eine Anlaufstelle eröffnet, die rund um die Uhr besetzt ist. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kam im Rahmen ihrer Sicherheitstour zur Eröffnung: „Niemand sollte sich schämen, Opfer von Gewalt geworden zu sein“, sagte Faeser bei der Eröffnung des Büros.

In der Anlaufstelle arbeiten ausschließlich besonders geschulte Polizeibeamtinnen

Zwar könnten Betroffene auf jeder Polizeidienststelle Anzeige erstatten, sagte Faeser. Doch sei ein weiteres, leicht zu erreichendes Angebot sinnvoll. Auf dem Bahnhof sei man anonym, mancher Betroffenen falle der Weg dorthin möglicherweise leichter. Faeser sagte: „Wir wollen, dass mehr Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und mehr Frauen vor Gewalt geschützt werden.“ In der Anlaufstelle arbeiten ausschließlich besonders geschulte Polizeibeamtinnen, keine männlichen Kollegen. Sie beraten, helfen und nehmen Strafanzeigen auf.

„Es ist unerträglich, dass alle vier Minuten eine Frau in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt wird“, sagte Faeser. Sie hofft, dass sich das neue Angebot bewährt. Im Rahmen einer Pilotphase ist nach Faesers Angaben eine zweite Anlaufstelle der Bundespolizei am Kölner Hauptbahnhof geplant. Für die Bahnhöfe ist nicht die jeweilige Landespolizei, sondern die Bundespolizei zuständig, die dem Bundesinnenministerium untersteht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser eröffnete die Anlaufstelle im Berliner Ostbahnhof.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser eröffnete die Anlaufstelle im Berliner Ostbahnhof.Florian Gärtner/imago

Nach dem im Juni vorgestellten Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) zur häuslichen Gewalt gab es 2023 mehr als 256.000 Opfer. Das waren 6,4 Prozent mehr als im Vorjahr. 70,5 Prozent der Opfer sind weiblich, während drei Viertel (75,6 Prozent) der mutmaßlichen Täter männlich sind. Faeser sagte, in fünf Jahren seien die registrierten Übergriffe um 20 Prozent gestiegen.

In Berlin gibt es inzwischen acht Frauenhäuser

Dem BKA-Lagebild zufolge gab es im vergangenen Jahr insgesamt 903 Fälle versuchten und vollendeten Mordes oder Totschlags gegen Frauen. 509 davon geschahen im nächsten Umfeld. 247 Frauen kamen laut BKA infolge häuslicher Gewalt ums Leben. Das BKA geht von einem erheblichen Dunkelfeld aus. Es erarbeitet deshalb ein zusätzliches Lagebild zu der ausschließlich gegen Frauen gerichteten Gewalt. Ergebnisse sollen im kommenden Jahr vorliegen.

Eine Entwicklung, die auch in Berlin zu spüren ist. In Berlin wurde vor knapp einem Jahr das achte Frauenhaus eröffnet. Damit stehen in der Stadt 477 Schutzplätze für Frauen und ihre Kinder zur Verfügung. Das sei aber nicht genug, sagt Sama Zavaree, Koordinatorin der BIG-Hotline. Im Mai hätten ihre Mitarbeiter 427 Anruferinnen mitteilen müssen, dass sie ihnen trotz akuter Bedrohung keinen Schutzplatz in einem Frauenhaus anbieten können. Die Anruferzahlen bei BIG steigen seit Jahren. Verzeichnete die Hotline 2022 noch  8137 Anrufe, waren es im Vorjahr schon 8366. ■