Zu viele Quereinsteiger

Hilfe, Berlins Kitas gehen die echten Erzieher aus!

Nur noch jeder dritte Kindergarten in der Hauptstadt hat noch genügend Fachpersonal. Der Rest muss sich mit Aushilfen aus anderen Berufen behelfen. Das sorgt für Probleme.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Gut ausgebildete Kita-Erzieher sind in Berlin Kindergärten nicht mehr so häufig anzutreffen. Immer mehr Quereinsteiger übernehmen den Job.
Gut ausgebildete Kita-Erzieher sind in Berlin Kindergärten nicht mehr so häufig anzutreffen. Immer mehr Quereinsteiger übernehmen den Job.Panthermedia/imago

Der Fachkräftemangel sorgt nun auch bei der Kinderbetreuung für große Probleme. Denn den Berliner Kitas gehen die echten Erzieher aus. Eine aktuelle Studie zeigt, dass immer mehr Quereinsteiger in den Kindergärten zum Einsatz kommen, die keinen pädagogischen Fachabschluss haben.

Sie kommen aus der Krankenpflege, waren an Musikschulen tätig oder hatten zuvor einen Hausmeisterjob. Frauen und Männer, die als Quereinsteiger in den Berliner Kitas mit Kusshand genommen werden, weil es auf dem Markt immer weniger qualifizierte Kinderpädagogen gibt.

Nun schlägt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung Alarm. Danach hatte nur noch jede dritte Kita in Berlin im vergangenen Jahr eine hohe Fachkraft-Quote, also 35 Prozent aller Kindergärten in der Hauptstadt. In diesen Einrichtungen verfügen mindestens acht von zehn Mitarbeitern über einen Fachschulabschluss.

Laut der dem „Ländermonitoring frühkindliche Bildung“ der Bertelsmann-Stiftung sei dies ein drastischer Rückgang im Vergleich zu einer Erhebung aus dem Jahr 2017. Damals hatte noch jede zweite Kita, also 53 Prozent aller Kindergärten in Berlin, eine hohe Fachkräfte-Quote. Diesen krassen Rückgang gebe es in keinem anderen Bundesland, heißt es in der Studie.

Fachkräftemangel ist ein echtes Problem in den Berliner Kitas

Der Fachkräftemangel in den Kitas sorgt für ein echtes Problem, so die Experten der Stiftung. Für eine ordentliche Erziehung und Betreuung der Kleinkinder müsste jede Kita perspektivisch eine Fachkraftquote von 85 Prozent aufweisen. Die anspruchsvolle Arbeit mit den Kindern benötige eine entsprechende pädagogische Qualifikation, sagt Bildungsexpertin Anette Stein von der Stiftung.

Doch der Alltag sieht anders aus. In Berlin gibt es allein 282 staatliche Kitas, in denen etwa 7000 Erzieher über 35.000 Kinder betreuen. Das hört sich zunächst gut an. Doch in Wahrheit reicht das Personal nicht aus, um Kita-Kinder ausreichend gut zu betreuen.

„Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten unter schwierigsten Bedingungen und geben jeden Tag ihr Bestes für die Kinder“, sagt Christiane Weißhoff, Berliner Vorstandsmitglied der Erziehergewerkschaft GEW. „Doch die Belastung ist enorm, und viele Mitarbeiter denken ernsthaft darüber nach, den Beruf zu verlassen.“ Der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen sei auch ein Grund gewesen, warum es in diesem Jahr sehr viele Warnstreiks der Kita-Mitarbeiter gab.

Den Job in den Kindergärten hinzuschmeißen: Die Kita-Erzieher denken nicht nur darüber nach, sie tun es auch. Oder sie melden sich krank. Laut einer anderen Studie der Bertelsmann-Stiftung aus diesem Jahr waren Berliner, die in Kitas oder Horten arbeiten, im Jahr 2023 durchschnittlich fast 36 Tage (Vorjahr: 35,7) aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig.

Schlechte Arbeitsbedingungen: Kaum einer will noch Kita-Erzieher werden

Die offenbar schlechten Arbeitsbedingungen schrecken viele junge Menschen ab, einen Kita-Erzieher-Beruf zu ergreifen. Das fehlende Fachpersonal muss also mit besseren Aushilfen, den sogenannten Quereinsteigern, abgefedert werden, die im Idealfall aus artverwandten Berufen (etwa Musik- oder Sportpädagogik) kommen sollen.

Da sich aber aus diesem Bereich auch zu wenig Personal finden lässt, können in Berlin auch „sonstige geeignete Personen“ in den Kitas als Quereinsteiger arbeiten. Im Klartext können diese Berliner zuvor irgendwelche Berufe gehabt haben. Sie werden aber nur dann in den Kitas zur dauerhaften „Fachkraft“, wenn sie sich entsprechend qualifizieren, also sie eine berufsbegleitende Ausbildung absolvieren.

In der Praxis werden Quereinsteiger nebenbei von den echten Kita-Erziehern angelernt, was die Fachkräfte zusätzlich stresst. Dieser zusätzliche Aufwand für die Kita-Fachkräfte könne sich als weiterer „Belastungsfaktor deutlich negativ auf die Qualität im Team auswirken“, sagt Bildungsexpertin Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung. Die Leittragenden dieser Entwicklung sind am Ende die Kinder.