Ohne S-Bahn würde in Berlin und im Speckgürtel zu Brandenburg wenig laufen. Am Tag fahren 1,5 Millionen Passagiere mit den rot-gelben Zügen von und zur Arbeit, zu Sport und Spiel, zum Einkaufen und Shoppen. Und das seit 100 Jahren. Technisch ist das Berliner S-Bahn-System fast einmalig in Deutschland. Nur Hamburg macht es mit Gleichstrom und Stromschiene genauso. Am Donnerstag beginnen die großen Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag.
Die Berliner S-Bahn in beeindruckenden Zahlen: Auf 340 Kilometern verkehren 16 Linien, die 168 Bahnhöfe anfahren. Pro Werktag steigen 1,5 Millionen Passagiere zu. Gesamtzahl der Fahrgäste pro Jahr: 473 Mio., durchschnittliche Fahrstrecke pro Passagier: 9,9 Kilometer, Fahrzeugpark in Viertelzügen: 761, durchschnittliche Reisegeschwindigkeit: 39 km/h, S-Bahn-Fahrkartenautomaten: 444, Mitarbeiter der S-Bahn: 3005, davon sind 1278 Triebfahrzeugführer.
Mit 340 Kilometern ist das S-Bahnnetz heute nur fünf Kilometer länger als 1961
Am 8. August 1924 fuhr in Berlin erstmals eine elektrisch betriebene Bahn – und zwar auf der Strecke zwischen dem heutigen Nordbahnhof und Bernau. S-Bahn-Versuche hatte es auch schon vorher in Berlin gegeben, ab 1903 sogar einen elektrischen Regelbetrieb auf der Strecke zwischen Groß Lichterfelde Ost und dem Potsdamer Vorortbahnhof. Doch der Start auf dem Abschnitt nach Bernau mit einer Stromschiene und dem Gleichstrombetrieb gilt als Geburtsstunde der heutigen Hauptstadt-S-Bahn. Am Donnerstag beginnen deshalb die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen – mit einem Schwerpunkt auf Bernau.
Die S-Bahn der Hauptstadt gehört zu den pünktlichsten in Deutschland, hat in den vergangenen Jahren aber an Zuverlässigkeit eingebüßt. 2023 wurden 96,6 Prozent der Bahnhöfe rechtzeitig erreicht. Das war der schlechteste Wert seit 2019. Der Abstand zum in diesem Zeitraum besten Jahr 2020 (98,5 Prozent) ist aber nicht groß. Als pünktlich geht ein Zug in diese Statistik ein, wenn er mit weniger als sechs Minuten Verspätung einen Bahnhof erreicht hatte.
Mit 340 Kilometern ist das heutige S-Bahnnetz übrigens nur fünf Kilometer länger als 1961 – kurz vor dem Mauerbau. Betrieben wurde die S-Bahn damals, in Ost und West, von der Deutschen Reichsbahn aus Ost-Berlin. In zwei streng abgeschotteten Teil-Systemen. Während im Ost-Teil das Streckennetz nach Marzahn und Hohenschönhausen ausgebaut wurde, schrumpfte es im Westen nach dem Mauerbau.
Nach Aufrufen zum Boykott der „Ost-Bahn“ durch West-Berliner Politiker gingen die Fahrgastzahlen stark zurück. Im Westen wurde deshalb die Zahl der Linien Anfang der 80er von zehn auf drei reduziert, einige Linien (Friedhofsbahn nach Stahnsdorf) wurden schon mit dem Mauerbau eingestellt. Ab 1984 wurde die S-Bahn im Westteil der Stadt für ein paar Jahre von der BVG betrieben.

Die Rolle rückwärts kam mit dem Fall der Mauer. Seit dem 2. Juli 1990 rollt die Stadtbahn wieder ohne Grenze von Ost nach West, zum Jahreswechsel 1993/94 übernahm die Deutsche Bahn die S-Bahn Berlin komplett. Aber die Probleme begannen erst später. Ende der 2000er Jahre stand die Bahntochter in ihrer bis dahin größten Krise sogar zeitweise vor dem Zusammenbruch. Denn als das Eisenbahn-Bundesamt im Sommer 2009 entdeckte, dass Wartungszusagen nicht eingehalten worden waren, legte die Behörde einen großen Teil der S-Bahn-Flotte zwangsweise still. Über Monate mussten Fahrgäste weitreichende Einschränkungen im S-Bahnverkehr hinnehmen.
Die neuen Züge fahren auf der Ringbahn
Die Krise ist inzwischen überwunden. Das Unternehmen arbeitet derzeit vor allem an der Verjüngung der Flotte. Bis Ende kommenden Jahres soll die Sanierung der Baureihe 481 abgeschlossen sein, sie ist mit 500 Viertelzügen das Herzstück des Fuhrparks. Seit Mitte der 90er Jahre sind die Züge im Einsatz und sollen nach der Modernisierung noch bis Mitte der 30er Jahre fahren. Ergänzt wird die Flotte durch rund 65 Züge der deutlich älteren Baureihe 480. Sie fahren bereits seit Ende der 80er Jahre. Kürzlich wurden auch sie digital aufgerüstet, damit sie noch bis Ende der 2020er Jahre ihren Dienst verrichten können. Dann braucht es neue Züge.
Schon jetzt fahren neue Züge vor allem auf der Ringbahn. Der letzte Zug der Baureihe 483/484 wurde im vergangenen September in Betrieb genommen. Die Fahrzeuge sind mit moderneren Anzeigedisplays ausgestattet sowie mit einer neuen Kameratechnik.
Und jetzt wird der alten Lady S-Bahn eine große Geburtstagsparty ausgerichtet: Die soll vier Tage lang dauern – mit Sonderfahrten in historischen Zügen, mehreren Ausstellungen und Konzerten. Wir erklären, wo Sie mitfeiern überall können.
Der offizielle Festakt zum S-Bahn-Geburtstag wird am Donnerstag in Bernau stattfinden. Berlins Finanzsenator Stefan Evers, Brandenburgs Verkehrsminister Rainer Genilke (beide CDU) und S-Bahn-Chef Peter Buchner fahren zuvor mit einer historischen S-Bahn vom Nordbahnhof nach Bernau.
In Berlin und Brandenburg: Vier Tage wird auf diesen Bahnhöfen gefeiert
Donnerstag, 8. August: Ab 9 Uhr soll im Deutschen Technikmuseum (Trebbiner Straße 9/Kreuzberg) fahrplanmäßig die Ausstellung „Besser, schneller, elektrisch: Die Anfänge der Berliner S-Bahn“ zu sehen sein. Ab 10 Uhr gibt es Fahrten im historischen Sonderzug zwischen Nordbahnhof und Bernau. Bis zum 11. August sind weitere Fahrten über Oranienburg oder Wannsee eingeplant. Fahrpläne, Tickets & Beförderungsbedingungen unter: www.hisb.de. Um 13 Uhr beginnt in Bernau das Bahnhofsfest mit dem Brandenburgischen Konzertorchester Eberswalde und Öffnung der Info- und Marktstände. Um 15 Uhr (am S-Bahnhof Bernau) und um 21 Uhr am Nordbahnhof spielt der Köpenicker Rapper Romano live, auch seinen neuen Hit „S-Bahn fahr’n“. Im Kantorhaus in Bernau (Tuchmacherstraße 13) wird um 15.30 Uhr die Ausstellung „100 Jahre in Bewegung“ eröffnet. Am 8., 10. und 11. August kann hier der „Historische S-Bahn-Fahrsimulator Berlin“ ausprobiert werden. An allen vier Tagen jeweils um 16 Uhr wird die Dokumentation „Berlin auf Schienen“ im Tränenpalast (am S-Bahnhof Friedrichstraße) gezeigt.

Freitag, 9. August: Die Schauspielerin Sabine Weißhaar erzählt um 14 und 15 Uhr bewegende und abenteuerliche Zeitzeugenberichte von Lokführern, Flüchtlingen, Zollbeamten und Reisenden im Tränenpalast am alten Grenzübergang Friedrichstraße. Schon seit dem 28. Juli (heute ab 15 Uhr) ist im S-Bahn-Museum im Ostbahnhof die Ausstellung „1924–2024. Die bewegte Geschichte der Berliner S-Bahn“ zu sehen. Ab 17.30 Uhr steigt ein Musik-Open-Air am Tränenpalast – mit Ben Barrit, Yvy Maraey, Gotopo und Junk-E-Cat.
Sonnabend, 10. August: Ab 10 Uhr kann die Bauhaus-Bundesschule in Bernau besichtigt werden. Bis 17 Uhr gibt es kostenlose Bus-Shuttles vom S-Bahnhof Bernau. Um 14 Uhr öffnet einer der letzten Lost Places der Bernauer Bahnhofsgeschichte für wenige Stunden seine Pforten. Der Alte Güterschuppen Bernau, der hinter den Gleisen gelegen ist, ist etwa 1900 entstanden und war einst Umschlagsplatz und Lagerhalle für Getreide, Kohle, Baustoffe und weiterer Güter. Ab 14.15 Uhr gibt es dort auch Tanz-Performances.
Sonntag, 11. August: Zu Konzerten auf der historischen Terrasse am S-Bahnhof Zoologischer Garten lädt das Quasimodo. Ab 16 Uhr öffnet der Biergarten, ab 17 Uhr legt DJ Marc Hype live auf. Wie schon an den Vortagen wird auch am Sonntag die Glasfassade des Tränenpalastes als Leinwand benutzt – ab 21.30 bis 1 Uhr mit einer multimedialen Zeitreise. ■