Mitten im Hochhäusermeer im Nordosten Berlins haben wir ihn getroffen. Einen älteren Herren, der mit wehendem weißen Haar, weißem Bart und rotem Kapuzenmantel durch die Gegend rauscht. In diesen Tagen, vor allem an Heiligabend, hat er viel zu tun – wie alle Jahre wieder. Michael Rosensky (70) heißt der gute Mann mit bürgerlichen Namen. Doch jeder, der ihn so in seinem Aufzug sieht, weiß sofort: Er ist der wahre Weihnachtsmann. Ja, und er lebt in Berlin-Hellersdorf – und das nicht nur zur Weihnachtszeit!
Im Laienpuppenspieltheater am Kastanienboulevard sind wir bei Knecht Ruprecht zu Gast. Seit 13 Jahren arbeitet Rosensky in dieser Hellersdorfer Begegnungsstätte als Ehrenamtlicher. Dort hat der Weihnachtsmann auch sein Büro und ist bereit für ein Interview, obwohl er wegen seines Jobs nicht sehr viel Zeit hat. Gerade gab er eine Weihnachtsfeier für Kinder aus dem Kiez. Und die nächsten Auftritte warten schon.
KURIER: Lieber Weihnachtsmann, bist du auch wirklich der echte?
Weihnachtsmann Michael Rosensky: Na, dann fasst doch einmal meinen Bart an! Der ist wirklich echt, da brauche ich keinen falschen Bart aus Watte oder Stoff. Und wenn die vielen Erwachsenen und Kinder, die ich in diesen Tagen treffe und bei denen ich zu Gast bin, mich für den wahren Weihnachtsmann halten – dann bin ich es auch.
Darf man den Weihnachtsmann duzen?
KURIER: Oh, jetzt habe ich den Weihnachtsmann geduzt. Darf man das überhaupt?
Weihnachtsmann: Sicher! Die Kinder duzen mich ja sowieso, dann dürfen es auch die Erwachsenen. Das ist nicht respektlos. Außerdem sage ich ja ebenfalls zu allen Menschen Du.

KURIER: Lieber Weihnachtsmann, es muss es doch sehr anstrengend sein, um allen Menschen rechtzeitig die Geschenke zu bringen. Trotz Stress bist du immer fröhlich und wirkst so ruhig. Wie machst du das?
Weihnachtsmann: Die Arbeit macht mir einfach Spaß. Seit November bin ich bereits in Berlin und in Teilen Brandenburgs unterwegs, mache Bescherungen in Kitas, in Stadtteilzentren, in Flüchtlingsunterkünften, in Seniorenheimen oder hier im Laienpuppenspieltheater. Über 30 Auftritte kommen da zusammen, alle ehrenamtlich. Im Januar geht es weiter. Dann feiere ich als Väterchen Frost das Jolka-Fest mit russischen Kindern. Und ehrlich: Wenn ich dann in die strahlenden Augen der Kinder und in die fröhlichen Gesichter der Erwachsenen schaue – das ist für mich als Weihnachtsmann der schönste Lohn.
KURIER: Und Heiligabend?
Weihnachtsmann: Ich bin in diesem Jahr bei fünf Familien zu Gast, singe mit den Kindern und Erwachsenen Lieder und lese Geschichten vor. Da ich ja leider an diesem Abend nicht bei allen Familien sein kann, habe ich zum Glück viele fleißige Helfer, die den Menschen weltweit Freude bringen.

KURIER: Wie wird man eigentlich der Weihnachtsmann? Man kommt ja nicht als solcher auf die Welt – oder?
Weihnachtsmann: Nein, man wird eines Tages der Weihnachtsmann. Zuvor war ich Bauarbeiter, Polizist und Journalist. Ich habe sogar einen kleinen Buchverlag. Doch dann hatte ich vor 35 Jahren meinen ersten Auftritt als Weihnachtsmann. Meine Tochter Ulrike wollte, dass der Weihnachtsmann wieder zu ihr kommt. Also zog ich mir an Heiligabend meinen roten Bademantel über. Bis ich dann der echte Weihnachtsmann wurde, dafür musste ich noch einige Jahre warten.
KURIER: Wieso?
Weihnachtsmann: Na, ich hatte damals noch keinen weißen Bart und keine weißen Haare. Diese Pracht kam erst vor 13 Jahren. Beim Puppentheater bemerkte man dann mein Aussehen – und seit dem bin ich richtig auf Weihnachtsmann-Tour.

KURIER: Als Weihnachtsmann wird man ja mit Wünschen überhäuft. Welcher war der außergewöhnlichste, den du je zu hören bekamst?
Weihnachtsmann: Es war einer, der mir sehr zu Herzen ging. Vor Jahren kam ein vierjähriger Junge auf mich zu und wünschte sich von mir, dass ich dafür doch bitte sorgen soll, dass sich seine Eltern zu Heiligabend nicht streiten. Leider geht es nicht allen Familien gut – und nicht nur zu Weihnachten.
Michael Rosensky aus Hellersdorf verrät: Das macht der Weihnachtsmann im Sommer
KURIER: Wie hält es der Weihnachtsmann mit dem Schenken?
Weihnachtsmann: Es müssen keine teuren Geschenke unter dem Weihnachtsbaum liegen. Freude oder ein Lächeln seinen Mitmenschen schenken, ist für mich das Schönste. Ich erlebe es ja selber. Wenn ich etwa im Sommer mit einem roten Hemd und natürlich mit meinem weißen Bart durch die Gegend laufe und die Leute mir fröhlich zurufen, „Hey, da ist ja der Weihnachtsmann!“, dann lachen wir alle gemeinsam und ich bin einfach nur glücklich.
KURIER: Da stellt sich doch gleich die Frage: Was macht der Weihnachtsmann eigentlich im Sommer?
Weihnachtsmann: Der Weihnachtsmann bleibt in Berlin und ist nicht in Lappland, wie viele denken. Der Grund: Meine Rentiere können mich im Januar nicht von hier abholen, weil sie nicht wissen, wo sie mit ihren Schlitten landen sollen, weil bei uns im Winter kaum noch Schnee liegt. Also bleibt der Weihnachtsmann, fährt im Sommer an die Ostsee, arbeitet als Rettungsschwimmer, hilft bei der Tafel bei der Essensausgabe für Bedürftige und holt mit seinem Freund, dem Schweinswal, den Müll aus den Meeren.

KURIER: Lieber Weihnachtsmann, das hast du dir doch ausgedacht?
Weihnachtsmann (lacht): In der Tat habe ich im Februar vor zwei Jahren mir diese Geschichte zum Teil ausgedacht. Daraus entstand das Kinderbuch „Der kluge Weihnachtsmann – Sommergeschichten“. Die wunderbaren Bilder hat Katrin Scharr, eine ehemalige Erzieherin aus Hellersdorf, gezeichnet. Mit dem Buch bin ich dann im Sommer auch als Weihnachtsmann auf Lesereise.
Zuvor muss ich aber im Frühjahr bei Kinderveranstaltungen meinen Freund, den Osterhasen, vertreten, lese dann auch diese Geschichte vor – natürlich als Weihnachtsmann. Aber: Bei der Tafel helfe ich wirklich. Und als Rettungsschwimmer war ich vor vielen Jahren tatsächlich an der Ostsee im Einsatz.
Was sich der Weihnachtsmann zum Fest wünscht
KURIER: Was wünscht sich eigentlich der Weihnachtsmann zum Fest?
Weihnachtsmann: Ho, ho, da hätte ich einen ganz großen Wunsch! Ich würde mich freuen, wenn viele Menschen zum Blutspenden zum DRK gehen würden. Denn gerade zu den Festtagen oder in der Urlaubszeit werden in den Kliniken die lebenswichtigen Konserven knapp, weil viele Spender in dieser Zeit nicht da sind. Ich selber spende regelmäßig Blut. Trotz meines Alters geht das. Ich bin sogar einen Tag vor Weihnachten beim DRK in Potsdam-Babelsberg, um dort Blut zu spenden.
KURIER: Weiß der Weihnachtsmann schon, was er zum Fest geschenkt bekommt?