Das Holocaust-Mahnmal im Herzen von Berlin: Es ist eine der wichtigsten und umstrittensten Gedenkstätten in Deutschland. Das Feld mit den 2710 Betonstelen, das an die Ermordung der Juden in Europa durch Nazi-Deutschland erinnern soll, wurde vor 20 Jahren am 10. Mai 2005 eingeweiht. Nach dem Festakt kam es zu einem Skandal. Der Backenzahn eines jüdischen KZ-Opfers sollte in eine Stele einbetoniert werden. KURIER wollte wissen, was aus dem Zahn geworden ist.
Den Skandal löste ausgerechnet die Initiatorin des Holocaust-Mahnmals aus – die TV-Publizistin Lea Rosh (88, „III nach 9“, „Kennzeichen D“). Fast 17 Jahre machte sich die Berlinerin für das Denkmal stark, das sich nahe dem Brandenburger Tor befindet. So manchen Deutschen passt das Denkmal in dieser Größe mitten in der Hauptstadt nicht.
Lea Rosh wird als „Holocaust-Kassandra“ und „Gedenk-Domina“ beschimpft. Die streitbare Frau kann damit umgehen. „Die Botschaft, die wir mit dem Denkmal haben, ist ja auch keine sehr freundliche. Wir sagen den Deutschen, dass sie gemordet haben. So eine Botschaft hört keiner gern“, sagt die Mahnmal-Initiatorin.
Und sie geht noch einen Schritt weiter. Sie provoziert. Rosh erklärt bei ihrer Rede bei der Einweihung des Mahnmals, dass sie den Backenzahn eines jüdischen Menschen, der im KZ ermordet wurde, in eine der Betonsäulen versenken lassen will.
1988 hatte Rosh das einstige Vernichtungslager in Belzec (Polen) besucht. Dort habe sie auf dem Gelände den Zahn im Sand neben einem der langen Gräber in dem KZ gefunden. Sie habe damals geschworen, „dass wir den Ermordeten ein Denkmal setzen. Und dieser Zahn wird darin einen Platz finden“. Den Zahn und einen gelben Davidstern übergibt sie nach der Rede dem Mahnmal-Architekten Peter Eisenman.

Ihr Plan löste innerhalb der jüdischen Gemeinde Berlins und überall in Deutschland blankes Entsetzen aus. „Ich bin empört über so viel Pietätlosigkeit“, sagt Paul Spiegel, der damalige Präsident des Zentralrats der Juden. „Frau Rosh verletzt mit dieser Aktion religiöse Gefühle.“
Proteste aus der KZ-Gedenkstätte: Mahnmal-Initiatorin Lea Rosh gibt Zahn zurück
Ähnlich sah es auch Albert Meyer, der einstige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin. „Ein einbetonierter Backenzahn hat nichts mit Gedenken zu tun, das ist Hollywood-Kitsch“, sagte er damals dem KURIER. „Wenn die Idee umgesetzt wird, müssen wir Juden überlegen, ob wir diesen Ort überhaupt betreten können.“
Und Rabbiner Chaim Rozwaski machte klar: „Ich habe Respekt vor Frau Roshs Engagement. Aber das mit dem Zahn ist keine gute Idee. Auf diese Art bestatten wir unsere Toten nicht.“
Der schlimmste Vorwurf machte aber Robert Kuwalek. Der damalige Leiter der Gedenkstätte Belzec warf Rosh vor, unerlaubterweise den Backenzahn vom Gelände entfernt zu haben. „Es ist streng verboten, beim Besuch unseres Geländes ‚Souvenirs‘ mitzunehmen.“
Er forderte Lea Rosh auf, den Zahn zurückzugeben. „Dieses würdelose Gezerre um das Körperteil eines Verstorbenen muss aufhören.“ Lea Rosh lenkte ein. Einen Monat später wird der Backenzahn des Holocaust-Opfers nach jüdischer Sitte auf dem Gelände des einstigen Vernichtungslagers Belzec beerdigt.