Am Montag beschoss Russland ein Kinderkrankenhaus in der Ukraine mit Raketen. Mehr als 27 Menschen starben. Ukrainer und ihre Unterstützer protestieren deshalb am Montagabend vor der russischen Botschaft in Berlin. Doch dort untersagt die anwesende Polizei den Ukrainern Redebeiträge auf Ukrainisch. Die Ukrainer sind dementsprechend empört.
Das Land wehrt sich seit fast zweieinhalb Jahren gegen den russischen Angriffskrieg, in dem Putins Truppen immer wieder zivile Ziele bombardieren. In den besetzten Gebieten werden Zivilisten entführt und ermordet (KURIER berichtete mehrfach), die ukrainische Sprache wird verboten.
Polizei Berlin verbietet Ukrainern bei Demo Redebeiträge auf Ukrainisch
Nun wollten Ukrainer bei einer Spontandemo am Montagabend vor der russischen Botschaft Unter den Linden gegen die Terrorangriffe protestieren. Das dürfen sie auch, doch die Polizei hat für die Spontandemo plötzlich Auflagen verhängt. So kann die Demo zwar stattfinden. „Aber wir dürfen keine Redebeiträge auf Ukrainisch abhalten“, berichtet Maria Borysenko, Sprecherin des ukrainischen Vereins Vitsche.
Die Polizei Berlin versteht die Empörung der Ukrainer, entschied sich dennoch für die Untersagung der Redebeiträge auf Ukrainisch. „Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung zuständig“, so Nikolas von Bülow, Referent beim Einsatz- und Lagezentrum der Berliner Polizei. Die Demo sei erst gegen 13 Uhr spontan angemeldet worden. „Wir konnten so schnell keinen Dolmetscher gewinnen, der die Redebeiträge für die Polizei übersetzen kann“, erklärt von Bülow.
Dennoch sei bei der Veranstaltung mit emotionalen Reaktionen zu rechnen. „Wir dürfen da keine Straftaten zulassen“, so von Bülow. Das Vorgehen sei standardisiert und werde auch bei anderen Demonstrationen angewendet, so der Polizeivertreter.
Ukrainer empört über Demo-Verbot für Ukrainisch
Ukraine-Aktivistin Borysenko weist die Unterstellung möglicher Straftaten zurück. Bisher habe es keine Vorkommnisse auf den Demos gegeben. Auf Nachfrage des KURIER kann auch die Polizei auf die Schnelle keine benennen.
Die Auflagen in Bezug auf einen Dolmetscher würden laut den Ukraine-Aktivisten auch erst seit kurzem verhängt. Umso empörter sind die Mitglieder der ukrainischen Organisation über die Untersagung von ukrainischen Reden auf der Demo in Berlin. „Das ist für uns auch eine Trauerveranstaltung, wo wir als ukrainische Gemeinschaft unsere Trauer zeigen können“, so Borysenko.
Anwalt: Polizei muss Fehlverhalten beweisen
Die ukrainische Sprache vereine die Ukrainer. Angesichts dessen, dass die russischen Besatzer in den besetzten Gebieten der Ukraine die Sprache verbieten und ukrainische Menschen verfolgen würden, sei die Maßnahme der Polizei Berlin besonders bitter. „Es sterben gerade so viele Menschen für unsere ukrainische Sprache und Kultur, da tut es umso mehr weh.“
Auch Rechtsanwalt Patrick Heinemann, der den Verein Vitsche zuvor bereits vertreten hat, gibt es heftige Kritik am Vorgehen der Polizei Berlin. „Das Vorgehen der Polizei ist grob rechtswidrig. Die Versammlungsfreiheit schützt auch, über Art und Weise der Meinungskundgebung zu entscheiden - und damit auch über die Sprache“, schreibt Heinemann auf dem Netzwerk X. Die Beweislast, dass auf der Demo auf Ukrainisch rechtswidrige Inhalte verbreitet würden, trage seiner Ansicht nach die Polizei.
Nach zweieinhalb Jahren Angriffskrieg bis heute nicht ausreichend Dolmetscher
Die Polizei bleibt dennoch bei der Anordnung und verweist darauf, dass bei regulären Anmeldungen in der Regel ein Dolmetscher organisiert werden könne. Wie lange vorher man dafür anmelden müsse, sei nicht so genau zu sagen. „In der Regel ist es bei einer Anmeldung 48 Stunden vorher zu schaffen“, so Polizeimann von Bülow.
Warum man aber zweieinhalb Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, zehntausender ukrainischer Flüchtlinge in der Stadt und unzähliger ukrainischer Demos immer noch nicht über genügend Dolmetscher für die ukrainische Sprache verfüge, darüber konnte die Polizei Berlin keine Auskunft erteilen.