Der erste Täter wird bald seine Haft antreten. Wie wir berichteten, hat der 24-jährige Abdul-Majed Remmo das Urteil (5 Jahre Haft) akzeptiert und seine Revision zurückgenommen. Aber trotz des Mammut-Prozesses, bei dem fünf Mitglieder des kriminellen Berliner Remmo-Clans verurteilt wurden, ist der Fall immer noch nicht abgeschlossen. Wertvoller, historischer Schmuck fehlt noch, und die Polizei jagt einen sechsten Täter.
Vier Jahre nach dem Einbruch in Sachsens Schatzkammermuseum suchen die Ermittler nach dem „sechsten Mann“ des Coups und einigen der aus dem Historischen Grünen Gewölbe Dresden gestohlenen kostbarsten Pretiosen. Im Zuge des ersten Strafprozesses in dem Fall am Landgericht Dresden wird nach einem bisher Unbekannten gesucht, der direkt an dem spektakulären Juwelendiebstahl beteiligt war. „Die Ermittlungen zum Verbleib des nicht zurückgeführten Diebesgutes und einer Tatbeteiligung weiterer Personen dauern an“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft vor dem Jahrestag des Verbrechens. Weitere Auskünfte dazu seien aus ermittlungstaktischen Gründen nicht möglich.
Im Januar beginnt ein weiterer Prozess gegen ein Clan-Mitglied
Ab Januar 2024 muss sich ein weiterer junger Mann aus einer bekannten arabischstämmigen Berliner Großfamilie wegen des Verbrechens vor Gericht verantworten, wegen Beihilfe. Für die kurz nach der Tat gebildete und nach einem Schmuckstück benannte Sonderkommission (Soko) „Epaulette“ sind derzeit fünf Kriminalbeamte tätig, aber nicht ausschließlich. Bei Bedarf könnten laut Staatsanwaltschaft auch mehr hinzugezogen werden. Die Soko ging bisher 1766 Hinweisen nach und wertete die 2833 erfassten Spuren aus.
Der Kunstdiebstahl aus Sachsens berühmtem Schatzkammermuseum vom 25. November 2019 gilt als einer der spektakulärsten in Deutschland. Die Täter erbeuteten 21 historische Schmuckstücke aus Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von 116,8 Millionen Euro und verursachten über eine Million Euro Schaden. Zwei von ihnen brauchten nicht mal fünf Minuten, um durch ein Nächte zuvor präpariertes und mit Hydraulik-Spezialwerkzeug aufgestemmtes Fenster in das Museum einzusteigen, mit Axthieben Löcher in die Vitrine mit den kostbarsten Pretiosen zu schlagen und herauszureißen, was sie fassen konnten.

Fünf junge Männer aus dem Remmo-Clan hatte das Landgericht Dresden im Mai wegen des Juwelendiebstahls und Brandstiftungen an einem Fluchtauto in der Tiefgarage eines Wohnhauses sowie einem Stromverteiler zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Vier Beschuldigte wehren sich dagegen, einer hat die Revision zurückgezogen. Drei der Angeklagten sind im Zuge eines sogenannten Deals gegen Auflagen auf freiem Fuß – bis zum Haftantritt nach Rechtskraft der Urteile. Der sechste hatte ein Alibi und wurde freigesprochen – verbüßt derzeit aber eine Jugendstrafe wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum 2017 – wie einer der Verurteilten, der trotz Deals auch noch hinter Gittern bleibt.
Im Vorfeld einer Verständigung hatten sie den Großteil der Beute Ende 2022 zurückgegeben, teils mechanisch oder durch Feuchtigkeit beschädigt – gegen Geständnisse und Strafrabatt. Planer und Strategen des Verbrechens aber sind unbekannt, denn Dritte mussten sie dabei nicht belasten. „Der Coup von Dresden ist typische Clan-Kriminalität“, sagte der Jurist und Publizist Butz Peters, der den Prozess beobachtete und ein Buch darüber geschrieben hat, wie das Verbrechen möglich war, vorbereitet und ausgeführt wurde und was die Aufklärung erschwert.

„Das ist eine ganz andere Gangart“, sagte Peters. Bei dem „Fünf-Minuten-Blitzeinbruch“ in Dresden müsse es „Dutzende Unterstützer, Mitwisser, Helfershelfer“ geben. Die könnten womöglich nie überführt werden, „weil Clan heißt: alle schweigen“. Das funktioniere durch die Mauer des Schweigens gegenüber Polizei, Justiz oder Medien. Andernfalls drohe soziale Nichtachtung. „Wenn es sich lohnt, wird mal die eigene Beteiligung zugegeben, aber keiner verraten.“
Die Epaulette mit einem 50-Karäter-Brillanten fehlt immer noch
So hat die Soko „Epaulette“ auch keine Erkenntnisse zur noch fehlenden Beute. Dazu gehören die Epaulette (Schulterbesatz) mit dem „Sächsischen Weißen“, einem knapp 50-Karäter aus der Brillantgarnitur, sowie die Große Brustschleife und ein Teil des Brillantkolliers der Königin Amalie Auguste. Vor Gericht gaben mehrere der Angeklagten an, nichts über deren Verbleib zu wissen.