Der große Überblick

Ein Jahr legal kiffen: Was hat sich in Berlin getan?

Seit fast einem Jahr können Erwachsene in Deutschland legal einen Joint rauchen. Im ersten Jahr der Cannabis-Legalisierung hat sich in Berlin einiges getan. Der KURIER gibt einen Überblick.

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Mit angezündetem Joint haben zahlreiche Menschen die Legalisierung von Cannabis vor dem Brandenburger Tor in Berlin gefeiert. Mehrere hundert Personen versammelten sich in ausgelassener Stimmung, einige tanzten zu Reggae-Musik.
Mit angezündetem Joint haben zahlreiche Menschen die Legalisierung von Cannabis vor dem Brandenburger Tor in Berlin gefeiert. Mehrere hundert Personen versammelten sich in ausgelassener Stimmung, einige tanzten zu Reggae-Musik.Sebastian Gollnow/dpa

Mit dicken Joints wurde das Gesetz vor Jahresfrist von tausenden Berlinern vor dem Brandenburger Tor willkommen geheißen … und dann?

Vielleicht riecht es etwas häufiger nach Gras, ansonsten bekommt man auf Berlins Straßen und Plätzen auch nach einem Jahr nicht viel von der Cannabis-Legalisierung mit. Seit dem 1. April 2024 dürfen Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit mit sich führen, bis zu 50 Gramm in ihrer Wohnung aufbewahren und bis zu drei Cannabis-Pflanzen privat anbauen. Und seit dem 1. Juni können Cannabis-Anbauvereinigungen an den Start gehen. Sie bauen gemeinschaftlich Gras an und geben es zum Eigenkonsum an ihre Mitglieder ab.

Wie viele Berliner bauen in ihren Wohnungen und Gärten selbst an?

Das ist schwer zu sagen, denn der private Anbau ist nicht meldepflichtig. Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands schätzt, dass der Eigenanbau seit dem Inkrafttreten des Gesetzes erheblich gestiegen ist – zumindest letzten Frühling. Inzwischen habe die Nachfrage aber nachgelassen.

Wie läuft es bei den Berliner Anbauvereinigungen?

In Berlin haben bisher fünf Vereine eine Anbaugenehmigung erhalten, 21 Anträge seien noch in Bearbeitung. Die Pflanzen der Green Leaf Society gedeihen prächtig. Der Verein hat als erster in Berlin eine Genehmigung erhalten und im Januar zum ersten Mal Gras an seine Mitglieder ausgegeben. Er hat 100 Mitglieder. „Nachdem wir alle Anbauparameter optimal eingestellt haben, können wir nun jeden Monat eine kleine, aber feine Ernte einfahren“, sagte Vorstandsvorsitzende Jana Halbreiter. Im Durchschnitt erhalte ein Mitglied pro Monat 15 Gramm pro Monat.

Manche benötigen 50 Gramm – das ist das gesetzliche Maximum – aber auch kleine Mengen von 3 bis 5 Gramm seien möglich. Damit wolle man auch Gelegenheitskonsumenten erreichen, die ihr Gras sonst von ihrem Dealer im Görlitzer Park bekämen, erklärte Halbreiter.

Berlin: Hanfsämlinge werden auf der Hanfmesse «Mary Jane» zum Verkauf angeboten. (Archivfoto)
Berlin: Hanfsämlinge werden auf der Hanfmesse «Mary Jane» zum Verkauf angeboten. (Archivfoto)Monika Skolimowska/dpa

Der Verein White Lake Weed aus Weißensee hat im Januar eine Genehmigung erhalten, aber noch nicht mit dem Anbau begonnen. Vorstandsvorsitzender Mario Gäde hofft, im Sommer die erste Ernte für die bislang 100 Mitglieder einzufahren. Ein Gramm soll laut Plan 7 Euro kosten. „Das ist ein absolutes Konkurrenzprodukt zum Schwarzmarkt.“ Beim Dealer koste das Gramm im Schnitt 10 Euro, sagte Gäde.

Wird weniger illegal gedealt?

Bisher scheint es noch nicht gelungen zu sein, den illegalen Handel einzudämmen. Der Schwarzmarkt ist nach Einschätzung der Polizei bisher nicht reduziert worden.

„Die Teillegalisierung hat nach unserer Bewertung bislang den Schwarzmarkt rund um Cannabis nicht zurückdrängen können, er scheint eher zu florieren“, sagte die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel bei einer Pressekonferenz. Das liege wohl auch daran, dass bislang nur wenig legales Cannabis verfügbar sei.

Wie wirkt sich die Legalisierung auf die Zahl der registrierten Straftaten aus?

2024 zählte die Polizei 14.446 Rauschgiftdelikte - der niedrigste Stand seit zehn Jahren. Im Zusammenhang mit Cannabis erfasste die Polizei 1.227 Fälle von Verstößen, davon betrafen rund 600 Fälle den verbotenen Handel.

In früheren Jahren ging es etwa bei der Hälfte der Drogenfälle in der Kriminalstatistik um Cannabis, also um Marihuana und Haschisch. 2023 waren das rund 8.700 Delikte.

Machen sich gesundheitliche Folgeschäden bemerkbar?

Psychiater befürchten, dass die Zahl der Psychosen durch die Gras-Legalisierung steigt. „Ich erlebe in meiner Ambulanz genau den Effekt, den ich befürchtet hatte: dass viele Patientinnen und Patienten, die sowieso schon betroffen sind, in den letzten Monaten eine Zunahme des Substanzkonsums angeben“, sagte Stefan Gutwinski, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité.

Aus psychiatrischer Perspektive sei der Einführung von Cannabis insgesamt kaum etwas Positives abzugewinnen, weil es eine schädliche Substanz sei, die viele seiner Patienten schädige.