Ein starker Theaterabend in der Komödie am Kurfürstendamm. Der Intendant Martin Woelffer bringt den Kinoerfolg „Das perfekte Geheimnis“ auf die Bühne. Gespielt wird im Ausweichquartier, im Theater am Potsdamer Platz in Berlin. Das Ergebnis überzeugt in allen Belangen und ist ein Fest für die Smartphone-Gemeinde.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen auf eine Party und plötzlich sollen alle ihre Smartphones auf den Tisch legen. Alles, was reinkommt, jede Nachricht, jedes Foto muss mit allen anderen Gästen geteilt werden. Eine Horrorvorstellung, oder? Aber genau darum geht es in „Das perfekte Geheimnis“.
Schlimm ist das natürlich nur, wenn Gäste etwas zu verbergen haben, wenn etwa alte Freundinnen oder Freunde jahrzehntelang mit vorgetäuschten Gefühlen oder einer fingierten Identität unterwegs waren.
Im Stück von Paolo Genovese wird das auf die Spitze getrieben: Der Gastgeber (Tommaso Cacciapuoti) macht heimlich eine Therapie. Die Gastgeberin (Tessa Mittelstaedt) hat ein Verhältnis mit einem ihrer Partygäste (Karim Chérif), der naturgemäß seine Freundin (Jenny Löffler) nicht eingeweiht hat. Eine der weiblichen Anwesenden (Henriette Richter-Röhl) entpuppt sich als zynische Alkoholikerin, ihr Mann (Tobias Licht) lässt sich derweil regelmäßig Nacktfotos von einem Seitensprung aufs Handy schicken. Und zu guter Letzt ist da noch der nachdenkliche Ben (Oliver Dupont), der in Wahrheit nicht hetero, sondern schwul ist.

Wie eine harmlose Fete unter Freunden entgleist, wenn das alles an nur einem Abend herauskommt, weil alle ihre Handys auf den Tisch legen – man kann es sich lebhaft vorstellen.
Im Theater am Potsdamer Platz führen diese kleinen Geheimnisse zu den ganz großen menschlichen Katastrophen, und der Abend, der so fröhlich begann, endet in einem Desaster.
Manchmal ist es eben ganz gut, wenn jeder seine Geheimnisse für sich behält. Oder, um es mit den Worten von Oliver Dupont zu sagen: „Geheimnisse sind meiner Meinung nach auf jeden Fall notwendig. Ich glaube, jeder trägt Geheimnisse in sich.“
„Das perfekte Geheimnis“ ist leichtfüßig und elegant
Und so geht die Inszenierung von Martin Woelffer nach 135 Minuten mit einer Überraschung zu Ende, die die Fans des gleichnamigen Kinofilms angenehm überrumpeln dürfte.
Mitreißend und höchst vergnüglich anzusehen ist das Spiel der Darsteller. Timing und Tempo stimmen in jeder Szene. Das Ensemble brilliert von A bis Z. Selten hat man Henriette Richter-Röhl so nachdenklich und tiefgründig gesehen, und eine kleine Entdeckung ist Nica Heru, die Tochter der Gastgeber im Stück. Eine Kodderschnauze vor dem Herrn, wie früher nur Meret Becker. Und dabei kommt sie nicht mal aus Berlin!
Die Inszenierung von Martin Woelffer ist trotz des schweren Themas leichtfüßig und elegant, man lässt sich als Zuschauer gern von ihm an die Hand nehmen, auch wenn der Weg über weite Strecken nur in menschliche Abgründe führt.
Die Bühne von Tom Presting ist mit ihren beiden schrankhohen Smartphone-Displays und der reduzierten Wohn-Essküchen-Einheit ebenfalls ein Hingucker und fügt sich schmiegsam und funktional in die Inszenierung ein.
Nach der Premiere am Sonntag kann man sagen: Es ist ein Abend, der Spaß macht und einen zugleich gruselt, sicher einer mit überdehnten Gefühlen und versteckten Gemeinheiten, aber mit lässigem Humor und verdammt guter Moral.
So gesehen ist es das perfekte Theaterstück. Für sorglose Handy-Junkies in jedem Falle eine heilsame Erfahrung.
Es geht in „Das perfekte Geheimnis“ um die Zerbrechlichkeit von Freundschaften
„Das perfekte Geheimnis“ in der Komödie am Kurfürstendamm ist ein Stück über die Zerbrechlichkeit von Freundschaften und Beziehungen, die Wichtigkeit von zutiefst persönlichen Geheimnissen und auch ein Stück über das schnöde Glück, das man Vertrauen nennt. Alle schauen sie zum Schluss auf den Mond. Der hat auch seine dunkle Seite, und trotzdem ist er uns vertraut.
Henrik Ibsen, der Großmeister der geschälten Seele, hätte seine Freude an diesem Theaterabend gehabt. Langanhaltender Applaus.
Karten für „Das perfekte Geheimnis“ gibt es ab 18,50 Euro im KURIER-Ticketshop und unter Tel. 030/88 59 11 88