So niedlich

Das ist die flauschigste Wohngemeinschaft Berlins

Fünf junge Turmfalken leben im Wasserturm des Neuköllner Vivantes-Klinikums. Jetzt wurden die niedlichen Küken beringt.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Fünf niedliche Turmfalken leben in einer WG am Klinikum Neukölln.
Fünf niedliche Turmfalken leben in einer WG am Klinikum Neukölln.Vivantes

Berlins niedlichste Wohngemeinschaft ist 40 Meter hoch über dem Boden in einer großen Holzkiste zu Hause. Vor gut zwei Wochen sind dort im Wasserturm des Neuköllner Vivantes-Klinikums fünf junge Turmfalken geschlüpft. Per Webcam kann man sie rund um die Uhr beobachten. Doch am Montagvormittag entdeckten Neugierige nur einen weißen Zettel im Nest: „Wir sind gerade nicht zu Hause, denn wir werden beringt“, war darauf zu lesen.

Aus dem Fenster des Wasserturms ist das Panorama der Stadt gigantisch. Stefan Kupko aber hat dafür gerade keinen Blick. Er ist die Stufen der eisernen Treppen um die großen Wasserbehälter herum hinaufgestiegen, um den Jungvögeln heute ihre Erkennungsringe anzulegen.

300 Brutpaare von Turmfalken in Berlin

Stefan Kupko macht diesen Job ehrenamtlich in halb Berlin, er kennt die Nester der Turmfalken, von denen es mittlerweile wieder über 300 Brutpaare in der Stadt gibt. Vorsichtig setzt er einen Jungvogel nach dem anderen in eine Box und trägt sie ein paar Stufen hinunter. Hier liegen schon ein Einkaufsbeutel und verschiedene Beringezangen bereit.

Stefan Kupko hat in seinem Leben schon 5000 Falken beringt.
Stefan Kupko hat in seinem Leben schon 5000 Falken beringt.Vivantes

Zeterndes Federknäuel in Stoffbeutel verstauen

Stefan Kupko ist Greifvogelschutzexperte beim Nabu und in seinem eigentlichen Beruf Pfleger in der Rettungsstelle des Auguste-Viktoria-Klinikums in Schöneberg. Hunderte Male hat er das schon gemacht: den jungen, zeternden Vogel greifen, ihn in einem Stoffbeutel verstauen und erst mal mit einer Federwaage wiegen.

„Die kleinen Falken sind zwischen zweieinhalb und drei Wochen alt und sind von ihren Vogeleltern sehr gut gefüttert worden: Sie wiegen alle schon um die 200 Gramm. Anfang Juli werden sie dann flügge und verlassen den Nistkasten. Deswegen ist jetzt ein guter Zeitpunkt zum Beringen“, sagt Stefan Kupko und trägt für jeden Vogel die Werte in ein kleines schwarzes Buch ein.

Die kleinen Turmfalken kuscheln sich eng aneinander.
Die kleinen Turmfalken kuscheln sich eng aneinander.Vivantes

So ein winziger, meckernder Vogel in der Hand weckt Beschützerinstinkte. Sein kleines Herz puckert in dem fragilen Körper, der noch mit Flaumfedern bedeckt ist, sich aber schon bald in den Himmel über Berlin erheben wird.

Berliner Turmfalke flog bis nach Mali

Anhand der Ringe können Experten wie Stefan Kupko sehen, wohin die Greifvögel fliegen. Ein Turmfalke aus der Kreuzberger Thomaskirche etwa halte den Rekord im Langstreckenfliegen: bis ins afrikanische Mali ist der Berliner Turmfalke geflogen. „Es ist spannend, wenn man die Vögel gesund und munter wieder findet“, sagt Kupko. Auch Falken aus Polen haben schon häufiger in Berlin gebrütet.

Turmfalken-Mutter am Nistkasten am Wasserturm des Vivantes-Klinikums Neukölln
Turmfalken-Mutter am Nistkasten am Wasserturm des Vivantes-Klinikums NeuköllnVivantes

Während Kupko einen Vogel nach dem anderen jeweils mit zwei Ringen versieht, hören die Umstehenden das Pfeifen der Mutter, sie wartet vor dem Nest darauf, dass ihre Jungen zurückkehren, um sie mit Häppchen von Mäusen oder kleineren Vögel zu füttern. Etwa 20-mal am Tag müssen die Eltern der fünf Kleinen Nahrung heranschaffen, in Berlin ist das Angebot dafür reichhaltig. In den ersten Tagen nach dem Schlüpfen ist der Vater sogar allein für die Versorgung der Familie zuständig, die Mutter wärmt die Kinder im Nest.

Im Urlaub kümmert er sich um die Falken

„Dass es den Turmfalken in Berlin so gut geht, liegt vor allem an den guten Brutplatzangeboten. Die Nistkästen hier am Neuköllner Klinikum habe ich selbst 1995 gebaut und angebracht“, sagt Stefan Kupko.  Meine Kolleginnen und Kollegen vom Greifvogelschutz und ich haben in den letzten Jahrzehnten mehr als 300 Nistkästen in der Stadt installiert.

Dabei ist der 60-Jährige für die Falken im ehemaligen Westteil von Berlin zuständig. Ein weiterer Kollege ist in Marzahn unterwegs zu den insgesamt über 200 weiteren Brutstandorten. „Dieses Jahr habe ich mir dafür auch Urlaub genommen, sonst schaffe ich das nicht.“ In den vergangenen 30 Jahren hat Stefan Kupko schon mehr als 5000 Falken beringt.

Im Juli und im August kann man auf dem Tempelhofer Feld jagende Turmfalken beobachten. Eltern zeigen ihrem Nachwuchs dann, wie es geht.
Im Juli und im August kann man auf dem Tempelhofer Feld jagende Turmfalken beobachten. Eltern zeigen ihrem Nachwuchs dann, wie es geht.Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

„Ich wollte eigentlich schon immer Biologe, genauer gesagt Ornithologe werden und mit Greifvögeln arbeiten“, sagt Kupko. „Schon in der Schule habe ich einen eigenen Turmfalken aufgezogen und gezähmt, mein Biolehrer war nämlich Falkner und hatte an der Schule eine Greifvogelstation.“ Aber mit Falknerei lasse sich schlecht Geld verdienen. „Daher habe ich dies als Hobby gewählt und dazu einen sicheren Arbeitsplatz in der Pflege in der Rettungsstelle des Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikums.“ ■