Es ist das perfekte Geschenk zum zehnjährigen Jubiläum des Vereins. Die Giants Cheerleader, 2014 gegründet, ein Cheerleading-Verein aus Berlin-Marzahn, haben sich erstmals mit einer Mannschaft für die Teamweltmeisterschaft in den USA qualifiziert. Der Erfolg zeigt auch: Cheerleading wird immer beliebter – und ist weit mehr als nur der akrobatische Sidekick bei einem Football-Turnier.
Sie springen, turnen und fliegen sogar durch die Luft: Betritt man die Turnhalle einer Schule in Marzahn, zeigt sich Disziplin, Durchhaltevermögen und echter Leistungssport. Denn dort trainieren die Giants Cheerleader. „Ich kann mir mein Leben ohne Cheerleading gar nicht mehr vorstellen“, erzählt die 23-jährige Jil vor dem Training.
Cheerleading boomt bei uns: Schon 25.000 Deutsche trainieren diesen Sport
Seit zehn Jahren ist Jil im Verein und inzwischen Kapitänin der Fabulous Giants, eines der beiden Senior-Teams. „Ich habe früher getanzt und Akrobatik gemacht, aber mir war beides immer so ein bisschen zu langweilig“, berichtet die große Studentin mit blonden, langen Haaren. Durch Mitschülerinnen sei sie schließlich auf Cheerleading gestoßen und dabei geblieben.

Mit der Begeisterung für den Nischensport ist Jil nicht allein. Der deutsche Cheerleading und Cheerperformance Verband (CCVD) verzeichnete im vergangenen Jahr einen Mitgliederzuwachs von 16 Prozent. Insgesamt sind nach Angaben einer Sprecherin etwa 25.000 Athletinnen und Athleten in 350 Vereinen aktiv.
Im Mutterland des Cheerleading, den USA, gibt es das Phänomen seit mehr als 100 Jahren. Während Cheerleaderinnen früher meist die Aufgabe hatten, das Publikum vor Sportevents anzuheizen, erweist sich Cheerleading heute als eigenständige Sportart mit einer anspruchsvollen Mischung aus Akrobatik und Bodenturnen.
Bei den Giants in Marzahn trainieren etwa 200 Cheerleaderinnen in acht Teams. Dass der Sport immer mehr von der Nische in die Breite gelangt, bestätigen auch sie: Mehr als 50 Interessierte stehen derzeit auf der Warteliste des Vereins. „Ich glaube, dass wir so langsam im Kommen sind und uns aus der Nische herausarbeiten mit guten Leistungen“, sagt Fabulous-Coach Stefan Knop. „Viele andere große Vereine tun das bereits, und wir in Marzahn haben jetzt so diesen kleinen Sprung geschafft.“

Mit diesem „kleinen Sprung“ meint der Trainer eigentlich Großes. „Überraschend“ und „unerwartet“ haben sich die Fabulous Giants im Dezember bei einem Wettbewerb in Schweden für die Teamweltmeisterschaft in Orlando qualifiziert. Anfang Mai dürfen sich die 26 Sportlerinnen bei der Summit 2024 Championship mit Topvereinen aus aller Welt messen.
Die Fabulous Giants trainieren bis zu viermal wöchentlich für den Wettkampf
„Eine Woche lang konnte man das gar nicht realisieren“, berichtet Kapitänin Jil mit leuchtenden Augen. Vermutlich begreife sie den Erfolg erst am Tag des Wettbewerbs. Ähnliches erzählt auch ihre Teamkollegin Michelle: „Selbst wenn du danach noch deiner Familie davon erzählt hast, hast du auch immer wieder angefangen zu weinen“, so die 22-Jährige.
Für die Fabulous Giants, die bis zu viermal wöchentlich für den Wettkampf trainieren, geht mit der Summit-Meisterschaft ein Traum in Erfüllung. „Wir fahren da rüber und wollen einfach mal alles kennenlernen, alles genießen“, meint Trainer Stefan Knop. „Wir rocken das und werden gut abschneiden“, ist sich der Coach sicher.
Das Phänomen Cheerleading ist Ende des 19. Jahrhunderts in den USA entstanden. Laut dem CCVD sollten Cheerleader damals vor allem die Zuschauer eines Sportevents zum Anfeuern einer Mannschaft animieren. Ein Bild, das auch heute noch das Image des Sports prägt.

Mit Pompons ausgestattete Highschool-Schülerinnen, die einfach nur Footballer anfeuern? Dieses Klischee sei „eine ganz schlimme Sache, gegen die nicht nur wir, sondern alle Vereine ankämpfen“, erklärt der Coach. „Das sind wir nicht. Wir sind die, die den Sport machen“, betont Knop. Cheerleading sei harter Leistungssport, man müsse „immer wieder über seine Grenzen hinausgehen“, erzählt Kapitänin Jil.
„Anderen blind zu vertrauen, ist hier richtig wichtig“, erzählt die 16-jährige My Anh
Bei Wettbewerben müssen sich die Cheerleader mit einer Choreografie aus verschiedenen Elementen vor einer Jury beweisen. Die sogenannten Stunts, also die Hebefiguren, werden meist von zwei bis fünf Athleten ausgeführt. Kombiniert man einzelne Stunts, entsteht eine Pyramide, an der meist alle Teammitglieder beteiligt sind. Hinzu kommen etwa möglichst synchrone Sprünge und das Tumbling, das Elementen des Bodenturnens ähnelt.
Die Sicherheit der Athleten ist beim Cheerleading das oberste Gebot, ernsthafte Verletzungen können ansonsten die Folge sein, betont der Trainer. Eine besondere Herausforderung sind dabei die sogenannten Baskets, bei denen Cheerleader bis zu fünf Meter in die Luft geworfen werden. „Anderen blind zu vertrauen, ist hier richtig wichtig“, erzählt die 16-jährige My Anh. Die Schülerin ist bei den Fabulous Giants eine der Jüngsten.

Das Team müsse immer bei der Sache und voll konzentriert sein, erklärt Coach Stefan Knop. Deshalb herrsche beim Training auch mal ein strengerer Ton, „sonst wird es gefährlich und die machen, was sie wollen“, sagt der 45-Jährige.
Der Weg zur Teamweltmeisterschaft in Orlando ist nicht nur sportlich eine Herausforderung. Auch finanziell gibt es für das Team aus Marzahn noch einige Hürden. Manche der jungen Frauen kämen aus einkommensschwachen Verhältnissen, viele studierten oder steckten mitten in der Ausbildung. Die Giants sammeln deshalb Spenden, vor wenigen Tagen wurde dem Team auch eine Projektförderung des Landessportbundes zugesichert. Einen Teil der Reise finanzieren die Sportlerinnen jedoch selbst.
Jil und ihre Teamkolleginnen können die Summit-Meisterschaft kaum erwarten. Für die 16-jährige My Anh ist es die erste große Reise ohne Familie, „aber es ist ja trotzdem meine Familie dabei, weil der Verein einfach perfekt ist“, schwärmt die Schülerin.
Wie groß die Liebe zum Verein tatsächlich ist, zeigt Jil mit einem Tattoo, „fabulous“ steht in geschwungener Schrift auf ihrem linken Unterarm geschrieben. Für die Team-WM plant sie gemeinsam mit anderen Cheerleaderinnen der Fabulous Giants ein neues Tattoo – der Sport sei ohnehin „ein Teil von mir geworden“. ■