Jetzt will sie Schadenersatz

Zweijähriger fällt von Seebrücke in Usedom, Mutter verletzt sich schwer

Die Mutter aus Brandenburg sagt, die Brücke sei nicht sicher und will Geld von der Gemeinde. Die sieht das anders. Nun muss ein Gericht entscheiden.

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Die Zinnowitzer Seebrücke mit seiner Tauchgondel ist weltberühmt, zieht seit Jahrzehnten Touristen aus ganz Deutschland und Europa an.
Die Zinnowitzer Seebrücke mit seiner Tauchgondel ist weltberühmt, zieht seit Jahrzehnten Touristen aus ganz Deutschland und Europa an.Leo/Imago

Die Zinnowitzer Seebrücke mit seiner Tauchgondel ist weltberühmt. Seit Jahrzehnten zieht die beliebte Attraktion auf der Ferieninsel Usedom Touristen aus ganz Deutschland und Europa an. So auch vor drei Jahren eine Familie mit zwei Kindern aus Brandenburg. Doch ihr Ausflug auf den Holzsteg endete in einem Drama. Der zweijährige Sohn stürzte von der Brücke in die Ostsee.

Die damals 34-jährige Mutter aus dem Landkreis Barnim in Brandenburg war in Panik hinterhergesprungen und hatte sich vor allem das linke Bein schwer verletzt. Der Junge selber blieb unverletzt. Die Frau sagt, die Brücke sei nicht sicher und verlangt 35.000 Euro Schadensersatz vom Ostseebad. Doch die Gemeinde Zinnowitz wehrt sich. Es steht Aussage gegen Aussage. Nun muss ein Gericht über den aufsehenerregenden Sturz des zweijährigen Jungen entscheiden. Am Montag (9. September) beginnt der Prozess vor dem Landgericht in Stralsund.

Mutter sagt, die Brücke sei nicht sicher

Am Abend des 22. Juli 2021 betrat die Frau mit ihren beiden Söhnen - der ältere war damals zehn Jahre alt - den vorderen Bereich der Seebrücke, so die Angaben des Gerichts. Die junge Frau will die malerische Kulisse auf einem Foto festhalten, so wie vor und nach ihr Tausende Touristen. „Es war der letzte Abend. Ich wollte ein Abschiedsfoto im Sonnenuntergang auf der Brücke machen", berichtete die Brandenburgerin kurz nach dem Unglück dem „Nordkurier“.

Die Mutter sagt laut Gericht, der kleiner Junge habe neben seinem Bruder gestanden, sich hingehockt, das Gleichgewicht verloren und sei durch das Geländer gerutscht. „Wären beide einen Schritt weiter vom Geländer entfernt gewesen, wäre er einfach auf den Po geplumpst und nichts wäre passiert.” So aber sei der Junge zwischen dem Boden und der untersten Geländer-Strebe hindurch gerutscht und fünf Meter in die Tiefe gestürzt. 

Durch diesen Spalt rutschte der Zweijährige ins Wasser.
Durch diesen Spalt rutschte der Zweijährige ins Wasser.Stefan Sauer/dpa

„Meine größte Angst war, dass eine Welle kommt oder die Strömung ihn mitreißt. Wenn er unter Wasser geraten wäre...”, berichtet die Frau weiter. „Ich glaube, ich kam nur einen Sekundenbruchteil nach ihm unten an.” Schnell seien ihr mehrere Menschen vom Strand zur Hilfe geeilt. Erst in dem Moment habe sie gemerkt, dass sie sich beim Sprung ins 50 Zentimeter flache Wasser selbst schwer verletzt hatte.

„Plötzlich kamen die Schmerzen. Mein Bein ist total kaputt. Es war ein offener Bruch. Ich sah meinen Knochen über den Schuh ragen. Ziemlich schnell wurde ich mit starken Schmerzmitteln versorgt.” Die Mutter zog sich dabei mehrere Brüche unter anderem des linken Sprunggelenks zu. Die Mutter und der Junge seien von Rettern geborgen und in eine Klinik gebracht worden. 

Sie widerspreche Berichten, nach denen das Kleinkind für das Foto auf die Brüstung gesetzt worden sei. „Es kann keine Zeugen geben, die das gesehen haben, weil es nicht stattgefunden hat”, sagte sie damals dem „Nordkurier“. Achim Froitzheim, Sprecher des Landkreises Vorpommern-Greifswald, beruft sich auf Auskünfte aus der Rettungsleitstelle, diese wiederum auf Zeugen.

Mutter sieht Gemeinde in der Pflicht

Die Mutter macht laut Gericht geltend, die Seebrücke sei nicht sicher und das Geländer hätte anders gebaut sein müssen. Als Klagesumme sind mindestens 35.000 veranschlagt. Außerdem mache die Frau weitere Kosten von mehr als 2.000 Euro geltend etwa für die Zuzahlung zu Medikamenten, für orthopädische Hilfsmittel und eine Haushaltshilfe. Die Frau wolle auch erwirken, dass sie zusätzliches Geld erhalte, für den Fall, dass es ihr in Zukunft schlechter geht.

Die Gemeinde sagt laut Gericht, die Seebrücke sei in Ordnung. Die Mutter habe eine Mitschuld, weil sie besser hätte aufpassen müssen. Zudem hätte sie sich nicht so stark verletzt, wenn sie erst über das Geländer geklettert wäre, sich dann hätte herabhängen und schließlich fallen gelassen hätte, anstatt direkt zu springen.

Eine richterliche Entscheidung wird laut Gericht – wie bei Zivilverfahren üblich – voraussichtlich an einem anderen Termin verkündet. ■