4800 Läden stehen leer

Wie Brandenburg gegen die Verödung seiner Innenstädte kämpft

Viele Läden stehen in Städten wie Calau und Wittenberge leer. Lokale Initiativen versuchen, neue Unternehmer anzulocken.

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Blick aus einem leeren Geschäft auf den Marktplatz von Calau. Ein trauriges Bild in vielen Brandenburger Innenstädten: Viele Läden stehen leer.
Blick aus einem leeren Geschäft auf den Marktplatz von Calau. Ein trauriges Bild in vielen Brandenburger Innenstädten: Viele Läden stehen leer.Patrick Pleul/dpa

Wer mit dem Auto durch das Land Brandenburg unterwegs ist, sieht sie immer wieder: kleine Städte, in denen das Zentrum verödet. Zwischen Bekleidungsgeschäft und Drogeriemarkt klafft eine Lücke: Viele Gewerbeflächen stehen auch in Brandenburger Kommunen leer. Lokale Initiativen versuchen, neue Unternehmer anzulocken.

Es ist ein trauriges Bild auch in vielen Brandenburger Innenstädten: Viele Läden stehen leer, die Schaufenster sind verklebt. Die Pandemie hat dem Einzelhandel stark zugesetzt. Steigende Energiekosten und weniger Geld in den Taschen der Verbraucher tragen dazu bei, dass mancher Händler in den Innenstädten aufgibt.

In ganz Brandenburg stehen 4800 Läden leer

Laut einer Studie des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, der Brandenburger Industrie- und Handelskammern und mehrerer Ministerien standen 2022 rund 13.500 Einzelhandelsbetriebe in Brandenburg mehr als 4800 Leerständen gegenüber.

Viele Kommunen sind dagegen aktiv und gehen gegen leere Läden in den Innenstädten vor. In Wittenberge (Prignitz) ging mit 2023 ein Leerstandswettbewerb zu Ende, der neue Händler mit günstigen Mieten in die Stadt locken sollte. Wer ein schlüssiges Konzept vorlegen kann, erhält eine Ladenfläche zum Preis von einem Euro pro Quadratmeter. Wittenberge mietet die Immobilie an, die Einzelhändler erhalten einen Untermietvertrag bis maximal August 2025.

Schon lange geschlossen ist auch diese Kneipe in Calau.
Schon lange geschlossen ist auch diese Kneipe in Calau.Patrick Pleul/dpa

Gut einen Monat nach Ende der Frist ist Jens Knauer mit den Bewerbungen zufrieden. Im Technologie- und Gewerbezentrum Prignitz ist er als Leerstandsmanager dafür zuständig, verwaiste Innenstädte etwa in Wittenberge oder Perleberg zu beleben. 24 Bewerbungen seien eingegangen, sagt Knauer. Die meisten seien Ideen für gastronomische Betriebe, aber auch aus Kunst und Kultur hätten sich viele Interessenten gemeldet.

13 Konzepte entsprachen den geforderten Kriterien. Bewertet wurden Persönlichkeit und Motivation der Bewerber, die langfristige Tragfähigkeit des Konzepts oder der Erlebnischarakter für Besucher. Zwei Anmietungen sollen im April erfolgen. Dabei handle es sich um ein Kunstprojekt und eine Dienstleistung zur Vermittlung von Arbeitskräften in der Region. Vier weitere Vermietungen seien bis zum Sommer geplant.

Die Stadt verweist auf ihr Leerstandsmanagement der vergangenen Jahre. Habe es 2019 noch 35 Leerstände in der Elbestadt gegeben, seien es jetzt 23.

Sebastian Bürgel, Unternehmer, und Karina Rude, Mitarbeiterin der Wohn- und Baugesellschaft Calau mbH, stehen vor dem neu eröffneten Ladengeschäft.
Sebastian Bürgel, Unternehmer, und Karina Rude, Mitarbeiterin der Wohn- und Baugesellschaft Calau mbH, stehen vor dem neu eröffneten Ladengeschäft.Patrick Pleul/dpa

In Calau bei Cottbus gibt es eine solche Initiative schon seit mehreren Jahren, sie nennt sich „Gewerbestarterpaket“. Die Wohn- und Baugesellschaft Calau (WBC) besitzt in der Niederlausitz-Stadt neben zahlreichen Wohnungen auch 20 Gewerbeimmobilien. „Wir haben vor ein paar Jahren gesehen, dass die Überalterung da ist und wir Schwierigkeiten bekommen werden“, sagt WBC-Geschäftsführerin Marion Goyn.

Mit Unterstützung der örtlichen Industrie- und Handelskammer habe die Gesellschaft das Starterpaket auf den Weg gebracht: Bei Neugründung oder Übernahme einer der Ladenflächen zahlen die Mieter im ersten Jahr die Hälfte der Nettokaltmiete. Zusätzlich gibt es Unterstützung beim Marketing, etwa die Möglichkeit, sich im Stadtjournal „Der Calauer“ kostenlos auf einer ganzen Seite zu präsentieren.

Vor kurzem sei das 15. Starterpaket vergeben worden – für insgesamt 20 Ladenflächen, berichtet Goyn. „Da kann man sehen, was passiert wäre, wenn wir es nicht hätten“, sagt die Geschäftsführerin. Von den 15 hätten zwei oder drei wieder aufgegeben. „Aber da fehlte aus meiner Sicht das Marketing“, meint Goyn. „Ich kann nicht nur die Ladentür aufmachen. Ich muss erst mal aktiv neue Kunden gewinnen.“

Wie Welzow neue Nutzer für „Charakterimmobilien“ sucht

Kommunen engagieren sich nicht allein bei Einzelhandelsimmobilien. Steffen Soult ist Projektbearbeiter Stadtentwicklung und Bergbau in Welzow (Spree-Neiße) im Lausitzer Tagebaugebiet. Seine Aufgabe ist es, die ehemaligen Bergbau-Verwaltungsgebäude oder etwa ein altes Feuerwehrgebäude an den Mann oder die Frau zu bringen – Klinkerbauten, die leer stehen und auf neue Nutzer warten. „Das sind Charakterimmobilien“, sagt Soult. „Für Privatleute sind sie in der Regel zu groß, und für den Abriss sind sie zu schade, weil sie ortsprägend sind.“ Interessenbekundungen gebe es bereits.

Privat engagiert sich Soult bei einem weiteren Projekt: Im nahe gelegenen Neupetershain will er als Vorsitzender des Vereins Neupetershainer Geschichten das leer stehende Bahnhofsgebäude an der Bahnstrecke Cottbus–Dresden neu beleben. Geplant ist ein kulturelles Zentrum mit einem Veranstaltungsbereich. Fest steht bereits, dass dort ein Kabarett einzieht. Ebenso sollen Firmen aus der Bioökonomie angelockt werden, die versuchen, dem Klimawandel auf den Tagebauflächen der Region zu begegnen, berichtet Soult.

Für solche Projekte sind die Kommunen nicht auf sich allein gestellt. Wie das Infrastrukturministerium mitteilt, wurden 2023 rund 86 Millionen Euro Bundes- und Landesmittel in den drei Programmen zur Städtebauförderung „Lebendige Zentren“, „Sozialer Zusammenhalt“ und „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ in Brandenburger Kommunen bewilligt. Damit habe man 109 städtebauliche Gesamtmaßnahmen in 68 Kommunen unterstützt.