Sensation auf dem Land

Irre: Hier sehen Sie Brandenburgs erste Dorfuhr, die muht!

Zwei Berliner Schauspieler sorgen für ordentlich Theater in der Abgeschiedenheit der Uckermark. Ihre Attraktion ist eine Kuh-Uhr.

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Metzelthin: Tobias J. Lehmann (l.), Schauspieler und Regisseur, und Sebastian Reusse, Schauspieler, stehen vor ihrer Uhr, die nach Kuh klingt.
Metzelthin: Tobias J. Lehmann (l.), Schauspieler und Regisseur, und Sebastian Reusse, Schauspieler, stehen vor ihrer Uhr, die nach Kuh klingt.Patrick Pleul/dpa

Zwei Berliner Schauspieler sorgen für Theater in der Abgeschiedenheit der Uckermark. Die Giebelwand eines alten Stalls gerät zum Anziehungspunkt – durch tierische Laute.

Wenn den Bewohnern des 100-Seelen-Örtchens Metzelthin in der Uckermark (Brandenburg) die Stunde schlägt, dann mit klingenden Scheibeneggen und einer muhenden Kuh. Seit Ende Dezember hat das Dörfchen eine neue Sehenswürdigkeit, wie es Ortsvorsteher Andy Lemm schmunzelnd formuliert. An der in frischem grün gestrichenen Giebelwand eines alten Stallgebäudes sorgen drei Dinge für landwirtschaftliche Klänge: Eggen mit davor hängenden Hämmerchen, eine alte Bahnhofsuhr und eine lebensechte, schwarz-weiße Kuhfigur.

So erklärt es der Berliner Schauspieler und Regisseur Tobias Lehmann. Gemeinsam mit dem Thüringer Klangkünstler und Pianisten Erwin Stache hat er die „visuelle Klanginstallation“ erfunden und sie zusammen mit seinem Schauspielerkollegen Sebastian Reusse über mehrere Monate aufgebaut. Die ungewöhnliche Konstruktion nennen sie lateinisch „Horologium soni agrarii“. Übersetzt heißt das: die Uhr des landwirtschaftlichen Klanges. Sechs Scheibeneggen werden mit den elektromagnetisch ausgelösten und im Dunklen sogar leuchtenden Hämmerchen für bestimmte Tonfolgen angeschlagen. „Wir können zehn verschiedene Melodien spielen. Und die Kuh hat mehrere Muh-Variationen drauf.“

Kuh hat mehrere Muh-Variationen drauf

Zum Beweis tippt Lehmann auf eine kleine Tastatur und schon zeigt die Uhr, was sie so drauf hat. Klangkünstler und Tüftler Stache habe die elektronischen Steuerelemente installiert. Das gesamte Klangensemble werde computergestützt „zum Leben erweckt“, so der Künstler. Lehmann weist auf 16 weitere, auf zwei Achsen montierte Eggen in der Mitte der Giebelwand, die demnächst noch angeschlossen werden sollen. Zudem wird eine zweite Kuhfigur auf das Dach des Gebäudes gesetzt. „Wir wollen den ehemaligen Stall zu einem Hofladen mit Café ausbauen. Im Obergeschoss sollen Ferienwohnungen entstehen“, erklärt er. In den Dörfern fehle es an Kommunikationsorten, das müsse sich wieder ändern.

Die Uhr-Kuh hat sogar ein richtiges Euter. 
Die Uhr-Kuh hat sogar ein richtiges Euter. Patrick Pleul/dpa

Dass die Hauptstädter die Klanginstallation ausgerechnet in der uckermärkischen Idylle aufbauten, hat seinen Grund: Lehmann hatte bereits 2001 ein Häuschen im Grünen gesucht und fand es schließlich in Metzelthin. „Der Ort gefiel uns“, so sein Fazit. Er blieb nicht lange allein. Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Künstlerkolonie Schütte & Raibach, zu der auch Reusse gehört, gründete er 2013 das „Uckermärkische Nationaltheater“ in einer riesigen, alten Scheune auf dem ehemaligen Gutsgelände des Dorfes, das sie ab da „Kulturgut Metzelthin“ nannten. „Das Gebäude hat zwei große Säle, die wir seit 2013 bespielen, mit Theater, Konzerten oder DJs, die auflegen.“ Außerdem, so erzählt er, fahre der gemeinnützige Verein im Sommer mit einem vom Traktor gezogenen Bühnenwagen durch die umliegenden Dörfer und gebe Vorstellungen.

Zweite Kuhfigur auf das Dach des Gebäudes gesetzt

„Das Kulturgut Metzelthin hat sich mit verschiedenen Formaten einen Namen in der Region gemacht“, bestätigt Anet Hoppe, Geschäftsführerin der Tourismus-Marketing Uckermark GmbH. Die Künstler böten Kunst, Kultur, Musik, gemeinsames Essen nicht nur für Touristen, sondern auch für die Uckermärker. Das kann auch der Metzelthiner Ortsvorsteher Lemm bestätigen. „Wir sind sehr zufrieden, dass direkt im Dorf Veranstaltungen gemacht werden. Da gibt es keine Berührungsängste, sondern die Metzelthiner gehen gern ins Theater oder Konzert.“ Gezahlt werde für den Eintritt zu Veranstaltungen beim Austritt, also nach den Vorstellungen. „Jeder gibt, was er kann, sodass auch Leute mit wenig Geld zu uns kommen können“, sagt Lehmann.

Er und Reusse kennen sich von der Schauspielschule, träumten schon damals von einem eigenen Theater. „In der Uckermark ist das allerdings nicht einfach. Da kommst Du nur mit Idealismus weiter“, deuten die Uhrenbauer an. Denn seit vergangenem Jahr ist ihre Metzelthiner Spielstätte geschlossen. „Wir sind beim Bauamt angeschwärzt worden, weil wir die Scheune einfach umgenutzt haben. Der Antrag auf Umnutzung läuft, ist aber noch nicht durch. Solange dürfen wir sie nicht mehr betreten“, erklärt Lehmann. Das Publikum sei begeistert, doch die Behörden würden sich schwertun, meint Reusse.

Kuh-Klanginstallation zieht Schaulustige an

Mit knapp 25.000 Euro habe der Musikfonds e.V. die Klanginstallation in Metzelthin gefördert, sagt Lehmann. „Investiert haben wir aber doppelt so viel.“ Die alte Bahnhofsuhr war schon lange in seinem Besitz, für Innenräume jedoch zu groß. Er habe Klangkünstler Stache um Rat gefragt, mit dem zusammen er 2020 für ein Kunstprojekt die mittelalterliche Stadtmauer in Templin (Uckermark) zum „Reden“ gebracht hatte. „Wir haben das Gemäuer verkabelt und Aufnahmen von Templinern abgespielt, die wir zu ihrer Stadt befragt hatten.“ Mithilfe von Stache wurde Lehmanns alte Bahnhofsuhr zum Herzstück in Metzelthin.

Mittlerweile hat sich die ungewöhnliche Konstruktion herumgesprochen, bestätigt der Ortsvorsteher. „Immer wenn ich daran vorbeikomme, stehen da Leute, die extra angereist sind und staunen.“ Auch die Metzelthiner fänden die Uhr „total cool“, Negatives habe er bisher kaum gehört, so Lemm.

„Die Uhr ist nicht übermäßig laut und ist kein nervender Fremdkörper. Sie klingt, als würde hier auf dem Lande eben gearbeitet“, sagt Reusse. Er und Lehmann haben schon wieder neue Ideen, doch die seien noch nicht spruchreif. ■