Die Einwohner von Hennigsdorf sind geschockt: Ihr Krankenhaus am Rande der Stadt soll dicht gemacht werden. 2000 Bürger gingen vor wenigen Tagen auf die Straße, um mit einer Menschenkette für den Erhalt zu kämpfen. Am Mittwoch will der Kreistag in einer Sondersitzung das Aus beschließen. Hausarzt Sven Ola (55), der mit protestierte, warnt vor einer Schließung: „Der Speckgürtel wächst, die Leute werden älter und kranker, 150 Betten sollen gekürzt werden, die ambulante Versorgung wird nicht vorbereitet.“
Das Krankenhaus Hennigsdorf (458 Betten, mehr als 600 Ärzte und Pfleger) bei Berlin ist das größte der Region. Die Klinik soll schließen, dafür das Krankenhaus in Oranienburg für mehr als 300 Mio. Euro von bisher 220 auf dann 500 Betten erweitert werden. Die Konzentration ist auch eine Folge der bundesweiten Krankenhaus-Reform von Karl Lauterbach (SPD).
„Es wird bei uns fast 30 Prozent weniger Krankenhausbetten geben“
In Hennigsdorf soll es in fünf bis sieben Jahren keine stationäre Versorgung mehr geben, am Standort nur noch eine Poliklinik, eine Klinik für Psychiatrie und die Notfallversorgung. „Als ambulant tätige Ärzte aus dem Landkreis Oberhavel, welche die geplante Schließung des Krankenhauses Hennigsdorf mit kompensieren sollen, protestieren wir hiermit mit all unserer Kraft und Empörung auf das Schärfste“, schreibt Ola in einem Brandbrief im Namen seiner Kollegen an die Abgeordneten des Kreistages Oberhavel.
„Es wird bei uns fast 30 Prozent weniger Krankenhausbetten geben“, sagt Sven Ola zum KURIER. „Das führt zu einer Unterversorgung im wachsenden Speckgürtel von Berlin.“ Viele der bisher erbrachten Leistungen im Krankenhaus sollen von den Hausärzten ambulant erbracht werden. „Eine Hüft-OP kann man aber nicht ambulant machen“, sagt der Hausarzt. „Eine Darm-OP auch nicht.“
Es gebe schon jetzt zu wenig ambulant tätige Ärzte in der Region, sagt der Mediziner. Schon jetzt seien die Hausarzt-Praxen überfüllt, stehen viele Hausärzte kurz vor der Rente. „Meine Praxis kann den vielen Patienten gerade noch gerecht werden. Wo sollen die Hausärzte herkommen? Wir können uns doch keine backen.“

Ola und seine Kollegen bemängeln auch, dass die ambulanten Ärzte in den Entscheidungsprozess überhaupt nicht einbezogen wurden. Es gab keine Einladung zum Gespräch bei der Geschäftsleitung der Oberhavel-Kliniken, nicht mal ein Info-Schreiben oder dergleichen. „Wir haben es am 12. Februar aus der Zeitung erfahren, also vor nicht mal zwei Monaten“, sagt Ola.
Sven Ola sieht schwarz für die medizinische Versorgung in der Region. Da wären nicht nur die um 30 Minuten längeren Wege für die Bürger der 27.000-Einwohner-Stadt in das Krankenhaus nach Oranienburg. Ola sieht eine überfüllte Rettungsstelle voraus, Patienten, die schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden, um Betten freizubekommen, eine sinkende Behandlungsqualität.
Bei der nächsten Krise stehen wir vor dem Kollaps
„Und die Hausärzte müssen sich dann um die Nachversorgung kümmern, die eigentlich im Krankenhaus erfolgt wäre“, sagt der Arzt, wofür aber keine Zeit sei. „Wenn ich höre, dass man eine Herzkatheter-Operation ambulant ausführen soll, wird mir schwindelig.“ Und der 55-Jährige fragt, was passieren soll, wenn es zu einer nächsten Corona-Krise bekommt. „Dann stehen wir vor dem Kollaps“, sagt er.

Auch Thomas Günther (SPD), der Bürgermeister von Hennigsdorf, kämpft für die Klinik: „Die Schließung unseres Krankenhauses wäre ein fatales Signal für eine ganze Region. Ich fordere deshalb von den Kreistagsabgeordneten: Lassen Sie sich nicht unter Zeitdruck setzen. Fordern Sie sich die Informationen ein, die Sie brauchen, um auf Basis einer ordentlichen Faktenlage diese weitreichende Entscheidung zu treffen. Das drohende Aus für unser Krankenhaus betrifft ja nicht nur uns jetzt, sondern viele nachfolgende Generationen. Daher ist es wichtig, auch direkt vor der Abstimmung im Kreistag deutlich Flagge für unser Krankenhaus zu zeigen.“ ■