Teichland Linum statt Tessin

Echt Brandenburger Reis aus dem Storchendorf Linum

Wie ein Schweizer Landwirtschafts-Pionier im nördlichsten Anbaugebiet Europas Spitzenreis anbaut und auch noch Biodiversität fördert.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Keine Konkurrenz für China: dennoch geht der Reisanbau im Brandenburgischen Linum ins dritte Jahr. Ermutigt durch den Erfolg haben Guido Leutenegger (l.) und Robert Jäkel (l) Spezialmaschinen aus Asien angeschafft.
Keine Konkurrenz für China: dennoch geht der Reisanbau im Brandenburgischen Linum ins dritte Jahr. Ermutigt durch den Erfolg haben Guido Leutenegger (l.) und Robert Jäkel (l) Spezialmaschinen aus Asien angeschafft.Markus Wächter

Wenn in China der sprichwörtliche Sack Reis umfällt, interessiert das niemanden. In Brandenburg aber ist Reis im Säckchen eine kleine Sensation. Zumal, wenn es regional angebauter Reis ist. Dass im letzten Jahr im Linumer Rhinluch die ersten 146 Ein-Kilo-Säcke Reis geerntet wurden, werteten Guido Leutenegger und sein Team als Aufbruch. In diesem Jahr konnten die Neu-Reisbauern im nördlichsten Anbaugebiet Europas den Ertrag deutlich steigern.

Ganze zwei Tonnen Risotto-Reis der Spitzensorte „Loto“ wurden in den letzten Tagen in Linum geerntet. Ein eigens aus Asien angeschaffter Reisdrescher hat die Arbeit auf dem schlammigen Boden eines ehemaligen Karpfenteichs innerhalb eines Tages verrichtet.

Mann mit Visionen: Guido Leutenegger
Mann mit Visionen: Guido LeuteneggerVolkmar Otto

Reispioniere in Brandenburg

Durch den Landwirtschaftsbetrieb „Natur konkret“ des Schweizers Guido Leutenegger weht auch im dritten Jahr des Reisanbaus in Brandenburg Pioniergeist und die Lust am Betreten von Neuland.

Erst wenige Tage vor der Ernte war der Reisdrescher angekommen, in Einzelteilen in einem Container aus Asien und ohne Anleitung zum Zusammenbau. Doch die Männer um Leutenegger und seinen Geschäftsführer Robert Jäkel stellten den Raupen-Drescher fix auf die Ketten und fuhren die bisherige Rekord-Ernte ein. Jetzt heißt es, die Poliermaschine mit chinesischem Manual flott kriegen und den Reis einsacken.

„Der Reisanbau in ehemaligen Karpfenteichen ist die Antwort auf die Bedingungen vor Ort in Linum“, sagt Guido Leutenegger, der mit seinem Betrieb profitable Landwirtschaft und den Erhalt von Biodiversität in Einklang bringen will. Brandenburg mit seinen trockenen Sommern solle natürlich kein Reisland werden, erklärt er schmunzelnd bei der Verkostung seines außergewöhnlichen Produkts.

Linumer Bruch: Der wohl nördlichste Anbau von Reis in Europa. 
Linumer Bruch: Der wohl nördlichste Anbau von Reis in Europa. Volkmar Otto

Doch dem Appell an andere Landwirte, mit den gegebenen Bedingungen vor Ort klug und vor allem im Einklang mit der Natur zu wirtschaften, lässt Leutenegger hier äußerst schmackhafte Taten folgen. „Nehmt die Landschaft und entwickelt dazu ein passendes Konzept“, so das Credo des Schweizers. Im Schweizer Tessin lässt Leutenegger etwa über 1000 Schottische Hochlandrinder auf einst aufgegebenen Bergweiden grasen. Im brandenburgischen Ribbeckshorst hält der Bio-Betrieb eine Angus-Mutterkuhherde auf dem Kranichhof, dessen Flächen Leutenegger von den Stadtgütern Berlin pachtet. Bei Bad Belzig schützt er mit seinem Tun den Lebensraum der bedrohten Großtrappe.

In Linum schließlich heißt „im Einklang mit der Natur“, vorhandene Wasserflächen clever zu nutzen. Denn neben Wärme benötigt Reis Wasser. Viel Wasser. Und das haben sie hier in den ehemals bis zu 58 regulierbaren Karpfenteichen. In der DDR wurde die Fischerei in Linum in großem Stil betrieben. Mittlerweile sind im Teichland Linum nur noch etwa die Hälfte der Teiche mit Karpfen besetzt.

Karpfen, ein verkannter, regionaler Fisch

Das Image des Fisches schwächelt: zu morastig, zu grätig, so lauten die gängigen Einwände. Auch hier versucht „Natur konkret“ mit Filet vom Karpfen und Sommerrollen mit Karpfen gegenzusteuern. Tatsächlich sind die regional und nachhaltig produzierten Fische in einigen Berliner Slow-Food-Restaurants mittlerweile sogar wieder en vogue.

Weil aber die Hälfte der Karpfenteiche frei waren, kam Leutenegger 2020 auf die Idee, in Linum Reis anzubauen. Der erste Versuch ging gehörig in die Binsen, im zweiten Jahr wuchs nicht nur das Interesse an den verrückten Reisbauern, sondern auch der Respekt vor der Beharrlichkeit, mit der das Projekt vorangetrieben wird. Von den 146 Säckchen Reis waren schon bald keine mehr für den Verkauf im Hoflanden übrig, selbst der Brandenburger Umweltminister hatte sich ein paar Säckchen des „Linumer Teichreises“ für Werbezwecke gesichert. 

Der Reisanbau im Brandenburgischen Linum geht ins dritte Jahr. Ermutigt durch den Erfolg wurde die Anbaufläche verdreifacht und Spezialmaschinen aus Asien angeschafft. 
Der Reisanbau im Brandenburgischen Linum geht ins dritte Jahr. Ermutigt durch den Erfolg wurde die Anbaufläche verdreifacht und Spezialmaschinen aus Asien angeschafft. Markus Wächter

„Aus der Experimentierphase sind wir jedenfalls heraus“, sagt Geschäftsführer Robert Jäkel. Die Reisfelder von Linum bleiben Reisfelder. Doch Herausforderungen und Verbesserungspotenzial gibt es auch in den kommenden Jahren, schließlich soll der Betrieb irgendwann schwarze Zahlen schreiben. Dazu müssen die Reisbauern in Brandenburg auch den Gänsen und Spatzen wie auch den Wildschweinen Einhalt gebieten, die sehr auf den Risottoreis stehen. „Im nächsten Jahr wollen wir versuchen, mit dem Einsatz von Lasern den Ertrag weiter zu steigern“, so Jäkel.

Reis-Pflanzen aus Brandenburg

Auch die 35.000 Setzlinge, die pro Hektar benötigt werden, sollen im nächsten Jahr in Brandenburg selber gezogen werden. Bisher kamen die kleinen Reispflanzen aus Italien oder aus dem Tessin in der Schweiz, traditionelle Anbaugebiete für Risottoreis. Mithilfe von Folientunneln, die mit der Abwärme einer Biogasanlage erwärmt werden, sollen die Bio-Reispflanzen demnächst echte Brandenburger Pflanzen werden.

Der biologisch angebaute Risotto-Reis aus Brandenburg schmeckt, gekonnt zubereitet, köstlich.
Der biologisch angebaute Risotto-Reis aus Brandenburg schmeckt, gekonnt zubereitet, köstlich.Markus Wächter

Für die Ernte aus dem Jahr 2024 werden im Hofladen schon Vormerklisten geführt, so groß ist das Interesse an einem besonderen Präsent. Auf den Großmarkt schielen die Linumer jedoch eher nicht. Der Teichreis wird ein exklusives Nischenprodukt bleiben, mit 9,80 Euro für ein Kilo ist man dabei. Der frisch polierte Reis soll ab Mitte November im Hofladen, der immer Donnerstag bis Sonntag geöffnet hat, erhältlich sein.

Nach dem Kauf kann man sich über Rotbauchunken und Waldwasserläufer freuen, die die Reisfelder für sich entdeckt haben. „Wissen Sie, in Brandenburg gibt es noch viel mehr Natur und Biodiversität als in der Schweiz“, sagt Guido Leutenegger und nimmt sich die Freiheit, mit der Natur zu wirtschaften, anstatt gegen sie. ■