Ersetzen in den Filmstudios Babelsberg bald Avatare echte Schauspieler? Bei Komparsen, also Kleindarstellern, passiert das schon. Avatare von Darstellern tauchen in Liebesfilmen, Komödien oder Actionstreifen auf. In Potsdam-Babelsberg ist das Realität – zumindest im Volucap-Studio. Hier werden Menschen eingescannt, deren digitale Klone dann als Hintergrundkomparsen angeboten werden. Zentral dabei: Künstliche Intelligenz (KI).
Sven Bliedung von der Heide, der Gründer des Volucap-Studios in Babelsberg, spricht von einer „KI-sierung“ der Branche. KI kam hier schon bei Szenen für den Hollywood-Blockbuster „The Matrix Resurrections“ (2021) mit Keanu Reeves zum Einsatz. Damals wurden auch sogenannte Deepfakes von Schauspielern erstellt.
42 Kameras scannen von allen Seiten eine Person ein
Die Arbeit im Volucap funktioniert dabei so: 42 Kameras scannen von allen Seiten eine Person ein – das Gesicht, ihre Bewegungen und den Rest des Körpers. Aus den Bilddaten wird mittels KI dann ein 3D-Avatar des Darstellers generiert. Für Bliedung von der Heide ein entscheidender Schritt für die Zukunft der Branche. Viele Filmschaffende blicken aber auch mit Sorge auf diese Entwicklung. In dem jetzt folgenden Video sieht man zum Beispiel, wie bei Volucap aus dem BMX-Champion Matthias Dandois ein digitaler Avatar erstellt wird.
Natürlich, mit fortschreitender Entwicklung der KI werden die digitalen Avatare immer lebensechter. Daher wollen die Schauspieler in Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi und der Produktionsallianz den Einsatz von KI mitgestalten. Ziel sei es, die Arbeit von Filmschaffenden zu erhalten, sagt Heinrich Schafmeister vom Bundesverband Schauspiel (BFFS). Er sitzt als BFFS-Bevollmächtigter bei den Verhandlungen mit am Tisch. „Wir gehen momentan die Fälle durch, die durch KI eintreten könnten – sowohl für Filmschaffende vor als auch hinter der Kamera.“
Bei vielen Kollegen herrschen große Ängste und Ungewissheiten, wie der 67-Jährige sagt. „Wir versuchen jetzt im Bereich Film/Fernsehen sozusagen vor die Welle zu kommen, aber im Synchronbereich sind wir schon hinter der Welle.“ Denn dort werden menschliche Akteure seinen Angaben zufolge immer mehr ersetzt. „Die Entwicklung in der Synchronbranche triggert alle anderen, denn Schauspieler machen im Prinzip ja auch alles: Sie stehen auf der Bühne, drehen Filme, synchronisieren“, so Schafmeister.
Bliedung von der Heide und die Produktionsallianz können die Sorgen nachvollziehen, wie sie sagen. „Aber wer will bestreiten, dass in der Nutzung Künstlicher Intelligenz viele Chancen liegen? Es muss darum gehen, Rahmenbedingungen zu gestalten und die Kompetenzen der Menschen in den Mittelpunkt zu rücken“, findet Björn Böhning, Vorstandssprecher der Produktionsallianz, die Interessen von Hunderten Produktionsfirmen in Deutschland vertritt.
Künstliche Intelligenz schreibt an Filmdrehbüchern mit
Viele Produktionsfirmen hierzulande nutzen bereits Künstliche Intelligenz. Bei der UFA wird KI vor, während und nach der Produktion verwendet, sie hilft dabei, in der Postproduktion Nummernschilder unkenntlich oder im Schnitt die Nachbearbeitung schneller zu machen. Auch bei Constantin Film wird KI in allen Bereichen getestet, wie eine Sprecherin mitteilt. Innerhalb der Bavaria Film Gruppe probiert eine Arbeitsgruppe neue KI-Tools aus und bewertet diese. Ziel sei es, so Marcus Ammon, Geschäftsführer Content bei Bavaria Fiction, durch KI-Technologien die Fähigkeiten von Mitarbeitern zu ergänzen und zu verstärken, statt sie zu ersetzen.

Einen ähnlichen Ansatz hat Taç Romey. Er ist Professor für Serielles Erzählen an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und gibt dort Workshops, wie KI beim Schreiben von Drehbüchern helfen kann. Seine Kurse seien sehr stark nachgefragt, auch von größeren Produktionshäusern. Romeys Ansatz: „Wir treten mit der KI in einen Dialog, in einen Pingpong“. Er nehme nie eins zu eins die generierten Vorschläge, sondern lasse sich davon nur inspirieren.
KI könne in vielerlei Hinsicht bei Drehbüchern helfen, etwa bei der sogenannten Logline, mit der eine Serienidee erzählt wird. Es gebe mittlerweile professionelle Programme mit unterschiedlichen Modellen, die beim Schreiben unterstützen könnten, so der Professor. Drehbuchautoren könne er nur raten, sich mit KI auseinanderzusetzen.