Mit der Kirche, mit Christenlehre, mit Göttern und Engeln hatte die offizielle DDR nicht so viel zu tun. Auch wenn die kirchlichen Feiertage im Osten wichtig waren. Ostern, Pfingsten, Weihnachten. Gefeiert wurde gerne, freigemacht auch. Eine Weihnachtstradition, die bis heute weiterlebt, hat ihren Ursprung sogar in DDR. Dass Kinder Briefe an den Weihnachtsmann in Himmelpfort schreiben. Und auch der Weihnachtsengel Nr. 1, mit dem damals alles begann, schreibt auch heute noch Briefe.
Mit „Weihnachtsengel“ Konni fing 1984 alles an. Vor 40 Jahren hielt die damals 25-jährige Postangestellte Kornelia Matzke im brandenburgischen Himmelpfort zwei Briefe mit Wunschzetteln an den Weihnachtsmann in der Hand. Die Absender, zwei Kinder aus Berlin und Sachsen, hatten nach einer Adresse für ihre Weihnachtswünsche gesucht und glaubten sie in dem idyllischen 450-Einwohner-Dorf mit dem himmlischen Namen im Norden Brandenburgs gefunden zu haben: Himmelpfort.
Kornelia Matzke: Sie wollte die Kinder nicht enttäuschen
Matzke brachte es nicht über das Herz, die Briefe mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt“ zurückzusenden. Sie holte sich die Erlaubnis, die Briefe selbst zu beantworten und schrieb den beiden Kindern – natürlich als Weihnachtsengel im Namen des Weihnachtsmanns.
Das sprach sich offenbar schnell herum. Im Jahr darauf kamen noch mehr Wunschbriefe an den Weihnachtsmann in Himmelpfort an. „Da habe ich mir ein eigenes Postschließfach gemietet und die Briefe dort gesammelt“, erzählt Matzke. Gemeinsam mit Kolleginnen schrieb sie den Kindern zurück. Bis 1989 beantworteten die Frauen jährlich rund 75 Briefe. „Der Datenschutz spielte damals noch keine große Rolle“, sagte Matzke einmal der BZ. „Und auch die Stasi überwachte uns nicht.“

Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 nahm die Zahl der Wunschzettel dann erheblich zu. Mehr Konsum, mehr Kinderwünsche. Bald gingen in der Vorweihnachtszeit täglich 1000, manchmal bis zu 2000 Briefe ein. Deshalb engagierte die Deutsche Post 1995 erstmals zwei „Weihnachtsmannhelfer“. Heute ist Himmelpfort Deutschlands größtes Weihnachtspostamt, in dem von Mitte November an 20 „Weihnachtsengel“ mit Kinder-Briefen aus aller Welt beschäftigt sind.
„Weihnachtsengel“ Konni arbeitet zwar nicht mehr bei der Post, ist immer noch dabei. Sie freue sich schon immer auf diese besondere Zeit im Weihnachtspostamt, sagt die 65-Jährige: „Es ist einfach eine sehr schöne Arbeit.“ Im vergangenen Jahr erreichten nach Angaben der Post rund 300.000 Wunschzettel aus 59 Ländern den kleinen Ort. Die meisten ausländischen Briefe, über 12.000, kamen aus China. Platz zwei belegte Polen. Andere Briefe kommen aus den USA, Kanada, Frankreich, Tschechien, Griechenland, Litauen und sogar aus Australien.

Briefe aus dem Ausland werden in Englisch beantwortet, es sei denn, das Kind wünscht sich eine Antwort des Weihnachtsmannes auf Deutsch, wie Weihnachtsengel Konni berichtet. In diesem Jahr waren schon vor der offiziellen Eröffnung des Weihnachtspostamtes am 14. November mehr als 8000 Briefe in Himmelpfort eingetrudelt. Es gibt also viel zu tun für den Weihnachtsmann und seine Helferinnen in den goldenen Engelsgewändern.
Zeitgemäß reiste der Weihnachtsmann in diesem Jahr komplett klimaneutral zur Eröffnung des Weihnachtspostamtes an. Auf einem gelben DHL-Solarschiff, das sonst Pakete auf der Berliner Spree transportiert, glitt er lautlos über den Himmelpforter Haussee. Seine Rentiere habe er im Wald zum Verschnaufen zurückgelassen, wusste er zu berichten. Am Ufer begrüßten ihn Erst- und Zweitklässler der benachbarten Grundschule Bredereiche, umringt von unzähligen Fernseh-Teams. In einem aufgeregten Pulk begleiteten die Kinder Santa Claus zu seinem Arbeitsplatz in den kommenden sechs Wochen.
Fiete (3) wünscht sich einen Hot Wheel Monstertruck
Bevor der Weihnachtsmann in seinem Postamt verschwindet, nimmt er noch die ersten Wunschzettel der Kinder entgegen. Viele von ihnen haben auch gemalt und gebastelt. Da wünscht sich etwa Fiete (3) einen Hot Wheel Monstertruck. Josy (7) hat ihre Wünsche schon das ganze Jahr über aufgemalt. „Aber wenn nicht alles geht, ist das nicht so schlimm“, sagt sie. Aber eine Rainbow High Puppe in Blau oder Rot – „das wäre toll“.
Franz (6) wäre glücklich, wenn eine Nintendo Switch und Nintendo-Bettwäsche unter dem Christbaum lägen, Étienne (7) ist etwas enttäuscht, dass der Weihnachtsmann seinen Namen nicht mehr wusste: „Den habe ich ihm doch letztes Jahr schon gesagt.“
Der Weihnachtsmann wiederum ist erstaunt über Merle und Clara: Schminktisch und Lippenstift steht auf den Wunschzetteln der Siebenjährigen. „Braucht ihr das wirklich?“, fragt er die beiden Mädchen. Diese nicken mit den Köpfen.

„Weihnachtsengel“ Konni kennt die Top Five auf den Wunschzetteln seit 40 Jahren. Seit 1990 hätten vor allem technische Geräte ganz oben gestanden, sagt sie. Worüber sie sich besonders freue: In den vergangenen Jahren stünden wieder vermehrt Bücher auf den Wunschzetteln der Kinder. Es sind auch vor allem die kleinen Wünsche, die Konni rühren: „Ein Kind hat neulich geschrieben, ich wünsche mir jeden Tag eine gute Tasse Kaffee.“

