Zurück auf der Anklagebank

Anschläge in Neukölln – Berliner Neonazis mal wieder vor Gericht

Es geht um eine rechtsextreme Anschlags-Serie in Neukölln seit 2013. Über 70 Vorfälle sollten Nazi-Gegner einschüchtern.

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Die Berliner Neonazis vor Gericht: Sebastian T. (mit Poster) und Tilo P. (mit Jacke überm Kopf).
Die Berliner Neonazis vor Gericht: Sebastian T. (mit Poster) und Tilo P. (mit Jacke überm Kopf).Pressefoto Wagner

Einer mit einem Killerwal-Poster vor dem Gesicht, der andere zog seine Jacke über den Kopf: Mit Sebastian T. (38) und Tilo P. (41) sind zwei bekannte Berliner Neonazis zurück auf der Anklagebank

Es geht in zweiter Instanz um eine Serie rechtsextremer Anschläge in Neukölln – mehr als 70 seit 2013 zählten Ermittler. Neonazis sorgten für ein Klima von Angst. Rechte Schmierereien und Hass-Botschaften, Bedrohungen, feige Brandanschläge auf Autos.

Die Anklage gegen T. und P. umfasst nur einen Bruchteil. Und in der ersten Instanz entschied das Amtsgericht auf Freispruch von Hauptvorwürfen: abgefackelte Autos zweier politischer Gegner. Begründung: „Aus Mangel an Beweisen.“

Wegen anderer Vorwürfe – darunter Sachbeschädigung, Verwenden von Nazi-Kennzeichen – gab es eineinhalb Jahre Knast gegen T., für P. eine Geldstrafe (4500 Euro). T. wurde auch schuldig gesprochen, Geld vom Jobcenter erschlichen und zu Unrecht Corona-Soforthilfen kassiert zu haben – es geht um insgesamt rund 16.000 Euro.

Sowohl die Generalstaatsanwaltschaft als auch die Verteidigung legten Berufung ein. Nun verhandelt das Landgericht. Die Angeklagten verdeckten wie im ersten Prozess vor rund zwei Jahren für Fotos ihr Gesicht, lehnten sich dann zurück. Der Verteidiger von P.: „Mein Mandant verteidigt sich schweigend.“ Auch von T. kein Wort.

Ermittlungen gegen Neonazis – Pannen und Versäumnisse

Betroffen waren Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten. Die Ermittler überzeugt: Mit Anschlägen und Hass-Schmierereien sollten Opfer eingeschüchtert und so von ihrer Arbeit abgebracht werden. Bei den Ermittlungen gab es Pannen und Versäumnisse.

Ex-NPD-Kader Sebastian T. und Ex-AfD-Mitglied Tilo P. sollen sich spätestens im Januar 2017 dazu entschlossen haben, Brandanschläge auf Autos von zwei Männern zu verüben, die gegen Rassismus, Hass und Gewalt auftraten.

Die Nacht des 1. Februar 2018. Die Autos eines Buchhändlers und des Linken-Politikers Ferat Kocak brannten aus. Beim Anschlag auf das Fahrzeug von Kocak hätten die Flammen beinahe auf die Gasleitung des daneben gelegenen Wohnhauses übergegriffen. In weiteren Anklagen geht es um gesprühte oder geklebte Hass-Botschaften.

Kocak, der für die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, über die erneute Begegnung mit den Neonazis im Gerichtssaal: „Es ist retraumatisierend für meine Familie und mich. Mit diesem Berufungsprozess fangen die Ängste wieder an, die schlaflosen Nächte.“ Er sehe aber auch die Chance auf Gerechtigkeit – „wenn das Gericht eine organisierte Gruppe sieht und nicht nur Einzeltäter“. Fortsetzung: Montag. ■