Neulich fragte mich ein Freund, warum ich so gerne angle. Oh, da musste ich nicht lange überlegen. Zunächst, weil man natürlich einen schmackhaften Fisch fängt. Dazu kann man am Ufer und auf dem See herrlich die Ruhe der Natur genießen und so vom Alltagsstress abschalten.
Aber immer mehr überwiegt ein an anderer Grund, warum ich mit der Rute hinaus auf die Flüsse und Seen ziehe. Denn beim Angeln ist man der Tierwelt so nah wie nirgendwo. Natürlich, werden Sie jetzt sagen, wenn man dauernd mit der Rute die Fische aus dem Wasser zieht.

Ich meine aber etwas anderes. Denn während ich auf dem Kahn warte, dass irgendein Barsch oder Hecht anbeißt, erlebe ich Dinge, für die es sich allein schon lohnt, da draußen auf dem Wasser zu sein, egal ob man am Ende etwas fängt oder nicht.
So konnte ich zu Ostern auf dem Pohlesee im Süden Berlins ein Naturschauspiel erleben, was man sonst nur in den Tierfilmen im Fernsehen zu sehen bekommt. Das Gewässer war schwarz von Kormoranen, die sich dort versammelt hatten, um die ersten Brutfische am Ufer zu jagen.
Beim Angeln aufgespürt: Der Fischadler jagt in Berlin
Langsam pirschte ich mit dem Boot an die jagenden, gefiederten Räuber heran, als plötzlich aus ihrer Mitte ein anderer Vogel aus dem Wasser auftauchte, seine Schwingen erhob und mit einem Barsch in den Krallen sich in die Lüfte schwang. Ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen. Und doch, es war ein Fischadler, der direkt vor mir mit seiner Beute davon flog!

Schade, dass ich keine Kamera dabei hatte. Aber diesen seltenen Greifvogel so nah in Aktion erleben zu können, hat mich in diesem Augenblick richtig beseelt.
Beim Angeln habe ich ja schon viele Tiere beobachten können. Rehe, die abends auf eine Lichtung am Ufer eines Sees in der Uckermark traten. Biber, die ihre Burgen an den Böschungen von Flüssen bauten, oder Kraniche, die in den frühen Morgenstunden ihren wunderschönen Balztanz auf einem Feld vollführten.
Wenn es auf dem Wasser richtig ruhig ist, kommen im Sommer auch schon mal die Wildgänse oder die Schwäne mit ihrem Nachwuchs und ziehen mit der gesamten Familie ganz nah am Angelboot vorbei. Bei solchen Erlebnissen wird das Fangen von Fischen zur Nebensache.
Die Beobachtung des Fischadlers war die Krönung
Die Krönung meiner Tierbeobachtungen ist aber der Fischadler, den man an seiner weißen Brustfärbung leicht erkennen kann. Er ist nicht der erste Greifvogel, den ich beim Angeln erspähen konnte. Da gab es den Schwarzmilan oder auch den mächtigen Seeadler in Brandenburg. Aber ein Fischadler auf einem Berliner See hat schon absoluten Seltenheitswert.

Das bestätigte mir auch Berlins Wildtierexperte Derk Ehlert. Fischadler, so sagte er mir, kämen bei uns wirklich sehr selten vor. Auch Ehlert hatte um Ostern das Glück, diesen schönen Greifvogel erleben zu dürfen. Auf der Heerstraße hatte der Experte einen Fischadler beobachtet, wie er Richtung Scharfe Lanke flog.
Die europaweite Bejagung dieser Vögel und die einstige Verschmutzung der Gewässer sorgten dafür, dass der Fischadler in den 1950er-Jahren sogar in einigen Teilen Deutschlands als ausgestorben galt. Noch immer ist die Art gefährdet.

Seit Jahrzehnten ist der Fischadler wieder da. Vor allem im Osten Deutschlands hat er sein Revier zurückerobert. Und jetzt ist offenbar die Hauptstadtregion dran.
Vor einigen Tagen sah ich meinen gefiederten Freund erneut bei einer Angeltour, nun auf dem Berliner Teil des Griebnitzsees. Eine Krähe versuchte zunächst, ihn am Himmel zu verjagen. Doch paar Minuten später war er wieder da – mit einem Weibchen. Das gibt Hoffnung, dass der Fischadler auch bei uns sein Brutrevier aufbaut. Schön wäre es.
Norbert Koch-Klaucke schreibt normalerweise freitags im KURIER über Geschichten aus dem Osten. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■