Auf den Straßen der Hauptstadt
Jetzt will der Senat Ordnung in das Berliner E-Scooter-Chaos bringen
Viele Berliner ärgern sich über Mieträder und E-Tretroller, die auf Bürgersteigen herumstehen. Nun will der Senat die Branche härter regulieren.

imago images/Jürgen Ritter
Im Vergleich zu den Privatautos ist ihre Zahl immer noch gering. Trotzdem wirken die Mietfahrzeuge, die auf Gehwegen herumstehen oder Parkplätze belegen, auf viele Menschen störend.Nun hat die Senatsverkehrsverwaltung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der das Ziel hat, Elektro-Tretroller (E-Scooter), Mieträder, Carsharing-Autos und andere Fahrzeuge dieser Art stärker zu reglementieren.
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Der Entwurf sieht vor, das Berliner Straßengesetz mit einem neuen Paragrafen 11a zu ergänzen, der Bestimmungen für das „gewerbliche Anbieten von Mietfahrzeugen“ enthält. Anders als bisher soll dies künftig als Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes gelten, für die eine Erlaubnis erforderlich ist. Antragsteller müssen ein Vergabeverfahren durchlaufen. Die Verwaltung kann Kriterien bestimmen, die sich an den Zielen des Berliner Mobilitätsgesetzes ausrichten. Insbesondere darf sie festlegen, auf welchen Flächen die Fahrzeuge nicht parken dürfen. Erlaubnisse und Zulassungen sind zu befristen. Wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, ist ein Widerruf möglich.
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Carsharing-Autos belegen 15 Prozent der Parkplätze
Bislang galt Berlin als Sharing-Hauptstadt Deutschlands - das könnte sich nun ändern. Laut Senat waren im Januar fünf Anbieter von E-Tretrollern mit 16.000 Fahrzeugen tätig. Hinzu kamen sieben Anbieter mit 14.000 Mietfahrrädern und ein Unternehmen, das 800 Elektroroller managt. Nicht zu vergessen das Carsharing: Die Zahl der Autos und Kleintransporter, die außerhalb von Stationen offeriert werden, hat sich 2019 in Berlin im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt – auf mehr als 6000. Allein in Mitte belegen Mietfahrzeuge dieser Art 15 Prozent der gebührenpflichtigen Parkplätze, heißt es in der Begründung des Referentenentwurfs. Auch auf Gehwegen gebe es Nutzungskonflikte. „Das Land Berlin muss auf die Ausgestaltung der Angebote stärker Einfluss nehmen.“
„Um sie künftig im Sinne des Mobilitätsgesetzes regulieren und steuern zu können, wird der Senat jetzt, wie es die Linksfraktion gefordert hat, straßenrechtliche Bestimmungen ändern“, lobte der Linken-Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg. Bislang hätten Sharing-Anbieter ihren Anspruch, den Verkehr zu verringern und ihn stadtverträglich zu gestalten, nicht eingelöst. „Wir müssen mit negativen Folgen wie Mehrverkehr durch die Ballung der Angebote in der Innenstadt und erhebliche Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum umgehen“, so der Abgeordnete. Die Linksfraktion möchte erreichen, dass die Angebote – anders als derzeit – auch in die Außenbezirke gebracht werden.
Anbieter kritisiert Plan des Senats scharf
„Sondernutzungsverträge sind der einzige Weg, das Leihfahrzeugchaos in den Griff zu bekommen. Bremen geht ihn erfolgreich seit über einem Jahr“, sagte Roland Stimpel, Sprecher des Fachverbands Fußverkehr Deutschland (FUSS). „Dort kann es für die Verleihfirmen richtig teuer werden, wenn ihre Roller anderen im Weg stehen und liegen.“ Wenn das Abgeordnetenhaus zügig tätig werde, könne der Berliner Innenstadt 2021 ein dritter „Chaos-Sommer“ erspart bleiben, hofft Stimpel. „Und selbstverständlich müssen die Firmen endlich auch dafür zahlen, dass sie auf öffentlichem Grund private Geschäfte machen. Gleichzeitig sollte die Einrichtung spezieller Parkplätze am Fahrbahnrand fortgesetzt werden.“ Falls die Verträge gebrochen werden, „verschwinden die Fahrzeuge aus der Stadt“ – wie bereits viele E-Tretroller aus Kopenhagen.
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Nun sei eine Regelung in Sicht, die Carsharing-Anbietern nützt, sagte Andreas Knie, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin. „Länder wie Bremen, Nordrhein-Westfalen oder Bayern haben die Vorgaben des Carsharing-Gesetzes längst in die eigenen Straßengesetze überführt. In Berlin haben wir dagegen immer noch den Zustand, dass wir für das Abstellen privater Autos nichts oder maximal 10, 20 Euro pro Jahr zahlen, während Carsharing-Anbieter von den Bezirken wie normale Fremdparker behandelt werden und im Schnitt rund 100 Euro pro Monat zahlen müssen“, so Knie. „Der Entwurf ist also längst überfällig.“
„Berlin ist auf dem Weg, Innovationen zu verhindern“
„Wir begrüßen das Augenmerk auf eine stadtverträgliche Gestaltung der Mobilität in Berlin durch die Erweiterung des Berliner Mobilitäts- und Straßengesetzes“, sagte Jashar Seyfi von Lime. In Berlin bietet das Unternehmen E-Bikes und Elektro-Tretroller an. „Lime hat bereits im vergangenen Jahr mehrfach Vorschläge für eine umfassende Selbstverpflichtungserklärung zwischen dem Land Berlin und den Anbietern von Mikromobilität unterbreitet. Mit verschiedenen Maßnahmen wollten wir zum Beispiel vermehrt in den Außenbezirken präsent sein und anonymisierte Nutzungsdaten per digitaler Schnittstelle mit der Stadt Berlin teilen. Bis heute wurden diese Ideen von der Stadt Berlin nicht aufgegriffen.“
Für das Unternehmen sei es „unverständlich, warum der Berliner Senat mit der geplanten Gesetzesänderung einen strengen rechtliche Rahmen spannt, ohne klare Ziele und Anforderungen zu nennen. Wir bemängeln, dass aktuell die Sanktionierung der Anbieter im Vordergrund steht und sich der Senat die Möglichkeit ins Gesetz schreibt, Anbieter per Ausschreibung auszuschließen - gegebenenfalls per Los“, bemängelt Seyfi. Die Gesetzesänderung werde zu einer großen Unsicherheit bei den Sharing-Anbietern führen. „Berlin ist auf dem Weg, Innovationen zu verhindern und Anbieter zu verprellen.“