Exklusiv in EISERN Magazin 10

Ehrgeizig, intensiv, locker: Das Erfolgsrezept von Union-Coach Bo Svensson

Ein Gespräch mit dem Cheftrainer des 1. FC Union Berlin über Führungsqualitäten, Inspiration, Kommunikation und den Trainerjob an sich.

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Trainer Bo Svensson wurde als Trainer im Besonderen von Thomas Tuchel geprägt.
Trainer Bo Svensson wurde als Trainer im Besonderen von Thomas Tuchel geprägt.Jan-Philipp Burman/City-Press

Bo Svensson hat mit dem Team des 1. FC Union Berlin einen guten Start in die Bundesliga-Saison 2024/25 hingelegt. 1:1 in Mainz, 1:0 gegen den FC St. Pauli, 0:0 in Leipzig. Wenn der erste Eindruck nicht täuscht, ist der Däne also tatsächlich in der Lage, das Männer-Profiteam der Eisernen zu stabilisieren. Für die zehnte Ausgabe des Magazins EISERN haben wir Gelegenheit gehabt, mit dem 45-Jährigen über seine Arbeit als Fußballlehrer zu sprechen. Das Interview, das dabei entstanden ist, gibt es als Auskopplung gleichwohl auch an dieser Stelle zu lesen.

Wie schaffen Sie es, eine Mannschaft für sich zu gewinnen?

Es ist eine elementare Aufgabe eines jeden Trainers, einen Draht zu seinen Spielern herzustellen. Sie sollen mich nicht bloß verstehen, sondern auch merken, dass ich Interesse an ihnen habe. Wenn du das nicht vermitteln kannst, wird es in der Kommunikation auf Dauer ganz schwer.

Was sollte ein Team, das von Ihnen trainiert wird, auf dem Platz immer zeigen?

Intensität. Man muss sehen, dass wir etwas erreichen wollen und gerne viel unterwegs sind. Eine gemeinsame Idee soll immer zu erkennen sein und der Zuschauer muss das Gefühl bekommen, dass wir mehr als nur ein Haufen individueller Spieler oder Trainer sind. Wir müssen auch hier permanent arbeiten und uns dabei entwickeln, sonst schaffen wir es nicht, Union dauerhaft in der Bundesliga zu halten.

Gibt es Charaktereigenschaften, die Sie sich, ohne groß darüber nachzudenken, zuschreiben würden?

Wenn ich mich selbst beschreiben müsste, dann wäre Ehrgeiz ein zentraler Begriff. Gleichzeitig habe ich auch eine gewisse Lockerheit. So ticke ich einfach, obwohl das auf den ersten Blick konträr zueinander erscheinen mag. Das versuche ich den Spielern zu vermitteln, auch wenn bei ihnen etwas anderes möglicherweise besser ankommen würde. Mich dauerhaft verstellen, kann ich aber ohnehin nicht, also hoffe ich, dass das reicht, so wie ich bin.

Bo Svensson ist seit Juli bei Union in der sportlichen Verantwortung.
Bo Svensson ist seit Juli bei Union in der sportlichen Verantwortung.Espen Eichhöfer/Ostkreuz

Nach seinem Karriereende im Sommer 2014 sammelte Bo Svensson erste Erfahrungen als Trainer-Hospitant in Mainz. Sein Landsmann Kasper Hjulmand, der gerade das Traineramt von Thomas Tuchel bei den Profis übernommen hatte, nahm ihn in seinen Staff auf und Svensson fand allmählich seine Bestimmung. Wobei ihn nicht erst Hjulmand auf die Idee bringen musste, dass das mit dem Trainerjob doch etwas für ihn sein könne. Unter Tuchel hatte er fünf Jahre gespielt, seine Neugier war in jeder Übungseinheit größer geworden. Tuchel, der selbst nie eine nennenswerte Profikarriere als Spieler hingelegt hatte, packte die Mannschaft irgendwie anders an als die Trainer, die Svensson zuvor erlebt hatte. Da interpretierte einer den Trainerjob auf eine Art und Weise, die ihm gefiel.

Thomas Tuchel war fünf Jahre Ihr Trainer. Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?

Als Spieler denkt man ein bisschen naiv, dass man den Trainerjob ganz gut überblicken kann. Der macht das Training, die Taktik, die Ansprachen, die Sitzung vor dem Spiel. Unter Thomas habe ich gelernt, dass so viel mehr dazugehört. Ich war inspiriert davon, wie er uns Spielern seine Botschaften vermittelt hat. Das war die Initialzündung und hat mich animiert, diesen Weg zu gehen. Es ist vielleicht etwas egoistisch, aber die Selbstentwicklung und die Konfrontation mit sich selbst in extremen Situationen – und die hat man immer wieder als Trainer – hat mich am Ball bleiben lassen, diesen Job unbedingt weiter ausüben zu wollen. Fußball ist dann die Plattform, auf der man sich selbst besser kennenlernt.

Inwieweit hat Ihnen bei Ihrem Werdegang auch die Zeit im Nachwuchsbereich geholfen?

Ich habe die Zeit als Jugendtrainer gebraucht, um zu verstehen, dass es eigentlich nicht so viel um mich geht. Die Aufgabe ist es, dass deine Mannschaft in der Lage ist, die Ideen, die du entwickelt hast, auf den Platz zu bringen. Irgendwann habe ich dann gelernt, dass die Fähigkeit dazu kommen muss, auch mal Dinge an andere abgeben zu können, weil du nicht alles alleine machen kannst. Zu schauen, wer aus deinem Staff welche Aufgabe übernehmen kann. Als Spieler ist man nur verantwortlich für das Bild. Als Trainer musst du diesem Bild einen Rahmen geben können.

Kasper Hjulmand verriet die Anekdote, dass Sie ihm früher weit nach Feierabend noch Nachrichten geschrieben oder ihn angerufen haben, wenn Sie ein Fußballspiel im Fernsehen sahen, dass Sie inspirierte. Machen Sie das heute auch noch?

Meine Co-Trainer schreiben mir mittlerweile eher, wenn ihnen bei einem Spiel, das sie sich anschauen, etwas auffällt. Ich kann Fußball nur noch schwer gucken, ohne den taktischen Blick darauf zu haben. Früher konnte ich ein Spiel einfach nur genießen, schauen, wer gewinnt und wer verliert. Jetzt gucke ich beispielsweise immer danach, wie eine Mannschaft den Gegner anläuft und wie der sich aus dieser Situation dann befreit. Deswegen schaue ich insgesamt nicht mehr so viel, sondern habe das eher an meine Co-Trainer delegiert. Ich will mich auch selbst ein bisschen schützen.

Bo Svensson ist seit Juli bei Union in der sportlichen Verantwortung.
Bo Svensson ist seit Juli bei Union in der sportlichen Verantwortung.Espen Eichhöfer/Ostkreuz

Schauen Sie sich bei anderen Vereinen oder ganz speziell bei anderen Trainern trotzdem etwas ab?

Ich schaue Champions League, um inspiriert zu werden. Es müssen aber nicht immer die Top-Teams sein, um sich sinnvollen Input holen zu können. Zuletzt habe ich meinen Freund Thomas Frank bei seiner Arbeit besucht, das hat mir auch viel gegeben.

Thomas Frank war im Oktober vor sechs Jahren im europäischen Fußball noch weitgehend unbekannt, als er den FC Brentford als Cheftrainer übernahm. Hinter Pep Guardiola ist er – Stand heute – dienstältester Coach in der Premier League. Eine Riesenleistung, zumal seinerzeit dänische Trainer im Ausland noch nicht wirklich angesagt waren. Heute ist das anders. Neben Frank und Svensson sind es in der Bundesliga Jess Thorup beim FC Augsburg und Bo Henriksen als Svensson-Nachfolger in Mainz, die für Aufsehen sorgen. Brian Priske ist diesen Sommer zu Champions-League-Klub Feyenoord Rotterdam gewechselt, Brian Riemer hat den RSC Anderlecht aus dem Niemandsland der belgischen Liga in den europäischen Wettbewerb geführt.

Warum sind dänische Trainer aktuell so erfolgreich?

Das ist eine schwierige Frage. Ich versuche mich mal in einem Erklärungsansatz: Einige mussten die Tür öffnen, rausgehen und Erfolg haben. Thomas war schon in Brentford, Brian Priske bei Sparta Prag, ich in Mainz. Alle dänischen Trainer im Ausland haben performt, keiner ist durchgefallen. Dann wird die Aufmerksamkeit größer. Dänen haben oft diesen modernen holistischen Gedanken, dass man den Menschen im Gesamtbild betrachtet. Du darfst in einer Führungsrolle im Fußball nicht ausschließlich daran denken, Spiele zu gewinnen, sondern es geht auch um Kultur, Gemeinschaft, um die Aufgabe, allen Spielern das Gefühl zu geben, dass sie wichtig sind und gerne zum Training kommen.

Wenn alle Spieler sich wichtig fühlen, entsteht vermutlich auch eine gute Gruppendynamik?

Eine gute Gruppe ist nicht automatisch auch ein gutes Team. Da gehört mehr dazu. Wir können zusammensitzen, ein Bier trinken und uns alle gut verstehen. Wir sind aber nicht im Breiten-, sondern im Leistungssport. Deshalb muss man auch gegenseitig etwas voneinander erwarten, Ansprüche stellen, kritikfähig sein. All diese Komponenten müssen zusammenpassen, dass wir hier langfristig erfolgreich sein können, aber ich sehe uns da mit Union auf einem wirklich guten Weg. Eine gute Gruppe gewinnt keine Spiele, ein gutes Team aber schon.

Thomas Tuchel hat in einem Vortrag mal sehr eindrücklich davon erzählt, welche Regeln er zu seiner Zeit beim FSV Mainz 05 aufstellen musste, als er gerade als Trainer anfing. Welche Regeln haben Sie bei Union durchgesetzt?

Es ging Thomas damals darum, eine Kultur innerhalb der Mannschaft aufzubauen. Regeln führen aber nicht automatisch zu einer Kultur, weil es von außen erzwungen ist. Er hat uns darum gebeten, das so zu machen und hat dann gesehen, was es auslöst. Ich bin kein großer Freund von Regeln, habe beispielsweise auch mit unserem Strafenkatalog nichts zu tun. Darum kümmert sich die Mannschaft. Ich glaube ganz stark daran, dass die Motivation aus den Spielern selbst kommen muss. Wenn sie von außen kommen muss, lodert die Flamme mal auf und geht dann wieder aus. Kommt es von innen, ist die Flamme ewig da.

Viele Beobachter dachten, dass Sie bei einem Verein unterkommen, der im internationalen Wettbewerb vertreten ist. Warum ist es am Ende Union geworden?

Mein Glück hängt nicht davon ab, ob ich die Champions-League-Hymne höre oder dass ich um Titel spiele. Es hat aber auch sehr lange gedauert, um das zu verstehen. Das heißt nicht, dass ich ausschließe, in Vereinen zu arbeiten, die diese Ziele haben. Meine Prioritäten liegen aber woanders. Man muss immer sehr aufpassen, nicht das zu vermischen, was andere von dir fordern oder denken, was du machen solltest mit dem, was du wirklich machen möchtest. Meine Hauptmotivation sind keine Titel, sondern zur Arbeit zu kommen und das Gefühl zu haben, dass ich etwas bewegen und entwickeln kann. Zu sehen, dass meine Qualitäten zu dem Ort passen, an dem ich gerade bin, bedeutet mir sehr viel mehr.

Was bleibt den Union-Fans von Bo Svensson, wenn er irgendwann einmal weiterzieht und hier nicht mehr Trainer ist?

Was wir hier machen, muss eine Bedeutung haben. Es ist nicht wichtig, ob ich alles richtig mache, aber es muss immer authentisch sein. Am Ende kann ich das, was die Zuschauer über mich denken, was der Präsident oder irgendwer anderes denkt, doch ohnehin nicht wirklich ändern. Aber ich kann mir selbst treu bleiben, und das wird auch hier bei Union so sein.

Dieses Interview ist zuerst im EISERN Magazin erschienen. Lesen Sie darin weitere spannende Geschichten über den 1. FC Union Berlin und sichern Sie sich die Mannschaftsposter der Frauen- und Männer-Profiteams! Die zehnte Ausgabe unseres Magazins ist ab sofort an Kiosken, in Tankstellen und Supermärkten, in den Fanshops des 1. FC Union Berlin und im Aboshop der Berliner Zeitung sowie im Aboshop des Berliner Kuriers erhältlich.