Die Tür ist auf nach dem 2:1 (0:1) in Mailand im Viertelfinal-Hinspiel der Nations League gegen Italien. Am Sonntag in Dortmund (20.45 Uhr, RTL) muss Deutschland zum Final Four dahoam. Im Falle eines Triumphes der DFB-Elf steigt es vom 4. bis 8. Juni in München und Stuttgart (im Fall eines Scheiterns in Turin). Bundestrainer Julian Nagelsmann (37) hält den Ball aber weiter schön flach: „Es ist ein gefährliches Resultat, wir sind nur ein Tor vorne.“ Aber wir haben den Comebacker des Jahres.
Leon Goretzka (30) huschte mit „Bodyguard“ Rudi Völler (64) durch die chaotische Interview-Zone, hinaus in eine milde Mailänder Nacht. Auch nach seinem Traum-Comeback biss er sich kraftvoll auf die Zunge: Er hatte im Zorn geschwiegen – warum sollte er nun im Triumph verbal um sich schlagen?
Jedes Wort zu viel über ganz bittere 16 Monate wäre Goretzka nur als Kritik ausgelegt worden: an einem Bundestrainer, der ihn einst aussortiert hatte. Und der ihn nun zum Vorbild für Generationen erhob. „Sein cleverster Move war, dass er nicht immer alles kommentiert hat und ruhig geblieben ist“, lobte Nagelsmann nach dem ersten Nations-League-Akt in der Oper des italienischen Fußballs.
Den stillen Kampf gegen Widerstände legte der Bundestrainer sogleich der gesamten Gesellschaft ans Herz. Nagelsmann: „Es ist generell ratsam im Leben, nicht immer alles sofort hinzuwerfen. Wir werden durch das Swipe-Leben dazu gebracht, schnell was Neues zu machen, wenn das Alte nicht so gut ist. Leon hat gezeigt, dass es sich lohnt, auch mal Täler zu durchschreiten.“
Goretzka bleibt bescheiden: „Recht schöne Geschichte“

Goretzka jammerte nicht. Er arbeitete. Er zog sich selbst aus der Krise, erst beim FC Bayern, nun auch im Nationalteam – wo er sich mit dem Siegtor und einem bockstarken Auftritt gegen Italien auf Anhieb wieder unverzichtbar machte. Er müsse zugeben, sagte er in seinem einzigen 115-Sekunden-Interview in der ARD, das sei doch „eine recht schöne Geschichte“.
Schon als die ersten Töne der Nationalhymne erklangen, da „hatte es mich mehr gepackt, als ich gedacht habe“. Das inspirierte ihn noch mehr: Goretzka war immer anspielbar, ballsicher, aktiv, gefährlich. Das Kopfballtor war die Krönung.
„Es war sehr, sehr schön auf jeden Fall“, betonte der Bayern-Star, „so soll es sein.“ Die Bitternis schwang im Abseits mit: „Es war natürlich nicht einfach, das wurde ja auch hinlänglich berichtet. Ich habe da noch nicht so viel zu gesagt, und dabei werde ich es belassen. Ich will lieber nach vorne gucken als zurück.“
Goretzka wird zum wahren Kroos-Nachfolger
Der Blick lohnt. Angesichts der Vakanz im defensiven Mittelfeld kommt sein Comeback zur besten Zeit. Nagelsmann brauchte ihn nicht, als Toni Kroos zurückkam: Doch der ist längst wieder weg. Nun braucht Nagelsmann Goretzka, weil andere schwächeln – Pascal Groß steckt mit Dortmund tief in der Krise, Robert Andrich ist in Leverkusen kein Stammspieler.
Goretzka dagegen? „Leon war unser auffälligster Spieler, ein Top-Comeback“, lobte der Bundestrainer, der mit seiner Meinungswende auch etwas zurückzahlte: „Wir hatten immer ein sehr gutes Verhältnis, er hat bei Bayern sehr für mich gekämpft, was ich gut fand.“



