Deutschland will ein gutes Gastgeber-Land für die Fußball-Europameisterschaft sein – doch nun gibt es auch fernab der Stadien die rote Karte. Und zwar für die Bahn: Es häufen sich Berichte über Fans, die große Schwierigkeiten haben, rechtzeitig zu den Spielen zu gelangen. Verspätungen und überfüllte Züge im Nahverkehr machen vielen zu schaffen – und Medien urteilen, dass die angebliche „deutsche Effizienz“ ein Mythos sei. Nun schaltet sich auch der Fahrgastverband ein.
Fußball-EM: Deutsche Öffis werden auf der ganzen Welt zur Lachnummer
In den sozialen Medien tauchen seit Beginn der Fußball-Europameisterschaft immer wieder Bilder auf, die nachdenklich machen: Fans warten an überfüllten Bahnhöfen auf übervolle Züge, teilweise über Stunden. In der New York Times hieß es etwa über die Organisation des Nahverkehrs in Deutschland: „Vergessen Sie alles, was Sie meinten zu wissen“. Die Rede war von verstopften U-Bahnen in München, von langen Wartezeiten in Gelsenkirchen. In der „DailyMail“ schrieb man sogar von „entsetzlichen Szenen“, weil Besucher nach dem Spiel nach der Partie England gegen Serbien lange auf Straßenbahnen warten mussten.
Nun mischt sich auch der Fahrgastverband Pro Bahn ein. Die Deutsche Bahn habe bei der Fußball-Europameisterschaft ihren schlechten Ruf bestätigt, sagte Verbandschef Detlef Neuß. „Derzeit wird eher unterstrichen, welche Defizite es bei der Bahn gibt.“ Vor allem im Nahverkehr würden die Schwächen angesichts vieler Verspätungen und überfüllter Züge besonders deutlich. In diesem Bereich fehle es an Sonderzügen oder Personal in Bereitschaft.

„Selbstverständlich kann das Unternehmen nichts dafür, wenn Straßenbahnen etwa in Gelsenkirchen nicht mit den Massen aus dem Stadion zurechtkommen“, sagte Neuß. Wenn sich aber die ganze Welt „über unser Bahnsystem lustig macht, hoffe ich, dass dies auch ein Weckruf für die Politik ist“. So könne es nicht sein, dass Milliarden für die Sanierung am Ende doch in die Straße gesteckt würden. Die Versprechungen des Bahn-Konzerns vor dem Turnier seien „mehr als optimistisch“ gewesen. Nach wie vor gelte die Empfehlung des Verbandes, möglichst früh an die Spielorte zu reisen, wenn man mit der Bahn fahre.
Crowd control in #Gelsenkirchen.
— Tom Gennoy (@TG94__) June 20, 2024
The footbridge that England fans were packed onto for hours on Sunday night is being kept somewhat clear this evening, with fans held back closer to the ground.
Still feels like it could take all night to get home. #EURO2024 pic.twitter.com/73GZv07imd
Inzwischen äußerte sich auch das Unternehmen zu den Schwierigkeiten. „Wir verstehen den Unmut und die Kritik von Fans“, sagte Bahn-Vorstand und Fernverkehrschef Michael Peterson im Interview mit der „Bild“. „Die Bahn bietet aktuell nicht die Qualität, die alle verdient haben. Gleichzeitig tun wir derzeit alles, um die Reisenden zuverlässig an ihre Ziele zu bringen.“ Seit dem Beginn des Turniers seien über fünf Millionen Reisende mit den Zügen der Bahn unterwegs. „Darüber freuen wir uns. Und wenn es mal nicht so klappt wie gewünscht, rufen wir den Fans zu: Danke für eure Geduld und Umsicht.“
Fußball-EM: Auch Philipp Lahm nimmt die Kritik an der Infrastruktur ernst
Auch Turnierdirektor Philipp Lahm mischt sich ein – und nimmt die Kritik an der Infrastruktur aus dem In- und Ausland bei der Fußball-EM ernst. „Ich glaube, wir haben es versäumt, insgesamt als Deutschland in den letzten Jahrzehnten ein bisschen daran zu arbeiten an der Infrastruktur“, sagte Lahm. Zugleich versprach er für die vielen Fans Besserung: „Wir stehen im Austausch mit der Deutschen Bahn, sie werden alles weiterhin tun, dass die Menschen von A nach B wirklich pünktlich kommen. Aber das ist kein Problem, was jetzt auftritt, während des Turniers. Da hätte man weit vorher schon dran arbeiten müssen.“
Er selbst hatte die schlechte Erfahrung machen müssen, als er es nicht rechtzeitig zum Anpfiff der EM-Begegnung zwischen der Ukraine und der Slowakei (2:1) ins Düsseldorfer Stadion geschafft hatte. „Insgesamt, ich bin jetzt zehn Tage mit der Bahn unterwegs, bin ich zu den meisten Dingen sehr, sehr pünktlich gekommen. Ich hatte natürlich eine Verspätung, die sicherlich ärgerlich ist und vor allem für Fans, die lange Reisen auf sich nehmen, die Geld, viel Geld dafür ausgeben“, sagte Lahm. ■