Und es war doch ein Elfmeter. Wie einst das Wembley-Tor im WM-Finale 1966 in London die Generation um Uwe Seeler ein Leben lang verfolgte, so wird auch das Handspiel von Spaniens Marc Cucurella in Stuttgart im EM-Viertelfinale zwischen dem späteren Europameister und Deutschland (2:1 n. V.) nie wirklich Vergangenheit sein.
Den Lockenkopf vom FC Chelsea werden die deutschen Fans im nächsten Duell mit einem deutschen Klub oder auch beim Aufeinandertreffen der Nationalmannschaften auspfeifen. Ob das richtig ist, darüber werden die Experten dann wieder streiten. So wie auch immer wieder: War es Elfmeter?
Ja! Logisch! Natürlich! Nach der Uefa, gefühlt allen Fußballfachleuten und dem Fußballgott sowieso räumt auch Marc Cucurella ein, dass er im Spiel mit einem Elfmeterpfiff gerechnet hätte. „In diesem Moment ja. Ich dachte, das war es, scheiß drauf.“

Cucurella: „Ich dachte, das war es, scheiß drauf.“
Im Gespräch mit der spanischen Zeitung „Marca“ gibt sich der Mann mit der Zottelmähne ganz zahm, spricht über sein Verständnis für die Kontroverse in Deutschland. „Wenn es gegen uns gewesen wäre, hätte ich auch protestiert und gesagt, es wäre ein Strafstoß. Aber es ist Fußball“, so der 26-Jährige, der bei der Szene unschlüssig ist: „Er trifft mich ganz klar an der Hand, man kann das nicht leugnen. Aber ich habe sie in einer ganz natürlichen Haltung, ich kann sie mir ja auch nicht abschneiden.“
Und dann gießt Cucurella doch wieder ein bisschen Öl ins Feuer. Für ihn war es nicht die alles entscheidende Szene des Spiels: „Sie denken, dass sie deswegen ausgeschieden sind, aber es war noch viel Zeit übrig. Sie hätten auch den Elfmeter erst schießen müssen. Wir hätten auch sagen können, dass Kroos vom Platz hätte gestellt werden müsste. Am Ende, wenn man verliert, sucht man immer nach etwas.“
Cucurella: „Sie hätten auch den Elfmeter erst schießen müssen“
Naja, lieber Marc, dass der Elfmeter verschossen worden wäre, das ist ja nun ziemlich weit hergeholt. Europameister wäre Deutschland geworden. Ein perfektes Sommermärchen 2.0 hätte es gegeben. So bleibt nur die Geschichte: Es war einmal ein Zottelkopf … Sie nimmt kein gutes Ende. Obwohl es alle besser wissen.
Selbst die Schiedsrichter. Beispielsweise Knut Kircher. Der ehemalige Unparteiische ist gerade zum neuen Chef der deutsche Zunft aufgestiegen. Und in dieser Funktion sagt er genau das, was alle Fans am liebsten am 6. Juli im Viertelfinale so gern gehört hätten: „Die Indizien sprechen für uns für Handspiel.“

Toni Kroos hätte den letzten Titel gewonnen, der ihm noch gefehlt hat
Also doch: Es war Elfmeter! Und damit geht die Geschichte so: Wer auch immer geschossen hätte, er hätte ihn verwandelt, Deutschland wäre ins Halbfinale eingezogen, hätte dort auch Frankreich besiegt und im Finale gegen England sowieso gewonnen. Toni Kroos wäre mit dem letzten Titel, der ihm in seiner glorreichen Karriere noch gefehlt hat, in die Fußall-Rente gegangen. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Fakt ist: Englands Schiedsrichter Referee Anthony Taylor hatte in der 106. Minute beim Stand von 1:1 weiterspielen lassen, als Jamal Musiala den Ball an die Hand des im eigenen Strafraum stehenden Cucurella geschossen hatte. Auch der VAR blieb stumm, Taylor schaute sich die Szene nicht noch einmal auf dem Monitor an.
Das ist der Wembley-Stoff 2.0. Die Debatte unter Experten, Spielern und Fans wird nie aufhören. Auch wenn, wie anno 1966, es doch so kloßbrühenklar ist: Was damals in London kein Tor war, ist 2024 in Stuttgart ein Elfmeter. Punkt. Trotzdem ist Deutschland damals gegen England nicht Weltmeister geworden und im Juni 2024 im Viertelfinale der Heim-EM ausgeschieden. ■