Kurz vor der EM

Deutschland diskutiert: Hat sich Nagelsmann verzockt?

Auch beim 2:1 gegen Griechenland leistet sich Torwart Manuel Neuer einen schweren Bock, doch der Bundestrainer steht eisern weiter zu seiner Nummer 1.

Teilen
Bundestrainer Julian Nagelsmann ist mit dem letzten Test vor der EM sichtlich nicht ganz glücklich, eine Torwart-Diskussion blockt er aber ab. 
Bundestrainer Julian Nagelsmann ist mit dem letzten Test vor der EM sichtlich nicht ganz glücklich, eine Torwart-Diskussion blockt er aber ab. pepphoto/Imago

2:1 (0:1) in Mönchengladbach gegen Griechenland im letzten Test vor dem EM-Eröffnungsspiel am Freitag in München gegen Schottland (21 Uhr, ZDF). Nach einer schwachen ersten Hälfte dreht das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann (36) in den zweiten 45 Minuten auf und mit den Toren von Kay Havertz (56.) und Pascal Groß (89.) das Spiel. Das macht Mut fürs Heim-Turnier. Aber eine große Frage bleibt: Was ist los mit Manuel Neuer (38)?

Auch in den Jahren großer Krise war immer eines unstrittig: Deutschland hatte nie ein Torwart-Problem. Das hat die DFB-Elf auch jetzt eigentlich nicht, schließlich ist neben dem Bayern-Keeper ja beispielsweise auch noch Barca-Hexer Marc-André ter Stegen (32). Nagelsmann hat sich früh auf Neuer als Nummer 1 festgelegt, doch der für viele immer noch beste Torwart der Welt zeigt plötzlich Nerven.

Seit Real Madrid ist Neuer verunsichert

Los ging es im Halbfinal-Rückspiel der Champions League bei Real Madrid, als der Weltmeister von 2014 einen Ball prallen ließ und Bayerns Aus damit praktisch besiegelte. Beim anschließenden Bundesliga-Finale bei der TSG Hoffenheim hatte er an drei von vier Gegentoren eine große Aktie. Es folgte der Bock beim 0:0 gegen die Ukraine, als er kurz vor Schluss bei einem Ausflug an die Mittellinie ohne Not den Ukrainer den Ball servierte. Nur eine Abseitsposition verhinderte die Niederlage.

Torwart Manuel Neuer kann den Ball nicht richtig festhalten, Giorgos Masouras (Nr. 7) schiebt zum 1:0 für Griechenland ein.
Torwart Manuel Neuer kann den Ball nicht richtig festhalten, Giorgos Masouras (Nr. 7) schiebt zum 1:0 für Griechenland ein.TEAM2sportphoto/Imago

Und gegen die Griechen konnte Neuer vorm 0:1 einen eher harmlosen Ball nicht festhalten, Giorgos Masouras brauchte nur noch einzuschieben (34.). Der Torwart hinterher: „Zu so einem Tor gehören immer mehrere dazu. Aber ich schaue auf mich und ich hätte den Ball besser wegbringen müssen.“

Nagelsmann: „Manu hat mein Vertrauen“

Der einst so gut wie Fehlerfreie ist – trotz weiterhin einiger Weltklasse-Paraden pro Spiel – gerade ein echter Risikofaktor. Neuer weiß genau, dass er im Fokus steht und will noch mehr als sonst unbedingt alles richtig machen. Das merkt man ihm bei jeder Aktion an. Diese Anspannung kostet im Kopf die nötige Lockerheit. Kann er sich die bis zum Schottland-Spiel zurückholen?

Oder muss Nagelsmann, der Manuel Neuer während des Spiels gern mal zu sich an die Seitenlinie winkt und über ihn seine taktischen Wünsche ans Team übermitteln lässt, den Mann zwischen den Pfosten wechseln? Der Bundestrainer will eine Torwart-Diskussion gar nicht erst aufkommen lassen, bügelt alle Fragen in diese Richtung ab: „Es ist mir völlig wurscht, was in den Medien diskutiert wird. Das wurde auch schon vorher diskutiert und unzählige Male diskutiert. Intern werden wir weder den Fehler anschauen, noch diskutieren, noch an der Torwartfrage herumdoktern. Manu hat mein Vertrauen.“

Jogi Löw baute auch entscheidend um

Klar, aber Nagelsmann wäre nicht der erste Bundestrainer, der während eines Turniers seine Meinung ändert. Jogi Löw sah zum Beispiel 2014 Philipp Lahm anfangs im Mittelfeld, als er ihn dann zum Rechtsverteidiger machte, war das ein Schlüssel zum Titelgewinn. Oder 1974: Nach dem 0:1 gegen die DDR baute Helmut Schön (auf Druck von Franz Beckenbauer) sein Team sogar kräftig um.

Auch Nagelsmann ist nach dem 2:1 gegen die Griechen („Ein Sieg für die Psyche“) schon ins Grübeln gekommen und verkündete: „Die Startelf gegen Schottland ist nicht in Stein gemeißelt.“ Allerdings stellte er im Nachsatz auch klar, dass er damit nicht Neuers Platz meinte: „Da kommen 13 Feldspieler infrage.“