Handball-WM der Frauen

„Chance versiebt!“ – So lassen ARD und ZDF den Frauenhandball im Stich

Während die deutschen DHB-Spielerinnen begeistern, schauen die Zuschauer im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bis dato komplett in die Röhre.

Author - Stefan Tappert
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Antje Döll (Deutschland) bejubelt ein Tor. Die deutschen Handballerinnen wollen in ihrem größten Heimspiel seit Jahrzehnten ins WM-Halbfinale einziehen.
Antje Döll (Deutschland) bejubelt ein Tor. Die deutschen Handballerinnen wollen in ihrem größten Heimspiel seit Jahrzehnten ins WM-Halbfinale einziehen.Federico Gambarini/dpa

Sechs Siege, souveräner Gruppensieg, Einzug ins Viertelfinale: Die deutsche Frauenhandball-Nationalmannschaft liefert bei der Heim-WM sportlich ab. Die Spiele liefen exklusiv beim kostenpflichtigen Streamingdienst sporteurope.tv – fernab der großen TV-Bühne und fernab von Kindern, die sich für diesen Sport begeistern könnten. Mit dem Viertelfinale steigen nun auch das ZDF und später die ARD in die Live-Übertragung ein. Für viele Fans kommt dieser Schritt jedoch reichlich spät.

Spielerinnen hoffen auf Publikumsschub

Ab jetzt soll es aber losgehen. Spielmacherin Alina Grijseels formuliert es bei handballworld.de diplomatisch: „Wir freuen uns, dass die Öffentlich-Rechtlichen sich dazu entschieden haben, das Viertelfinale zu zeigen. Wir sprechen damit ein breiteres Publikum an, das wir hoffentlich begeistern können. Wir wollen zeigen, wie cool Frauenhandball sein kann und wie viel Spaß es macht.“

Die sportliche Leistung stimmt – doch es bleibt das Gefühl, dass das Interesse der großen Sender erst dann erwacht, wenn die K.o.-Runde lockt.

Annika Lott, Xenia Smits und Aimee von Pereira (alle Deutschland) bejubeln ein Tor.
Annika Lott, Xenia Smits und Aimee von Pereira (alle Deutschland) bejubeln ein Tor.Federico Gambarini/dpa

Heim-WM ohne Free-TV? DHB spricht von „Schande“

Abseits des Spielfelds ist die Debatte längst hochgekocht. DHB-Präsident Andreas Michelmann findet deutliche Worte. Die fehlende TV-Präsenz sei „eine Schande“, sagte er. Auch Rekordnationalspielerin Grit Jurack zeigte sich fassungslos:
„Ich finde es zum Kotzen, dass im frei empfangbaren Fernsehen Fußball-Mist aus der vierten Liga gezeigt wird, anstatt die Vor- und Hauptrunde einer Heim-WM im Handball.“ Die Fans des äußerst erfolgreichen deutschen Handballs fragen sich: Wie konnte es überhaupt so weit kommen?

ARD und ZDF verweisen auf knappe Budgets

Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nennt man die Rechtevergabe im Jahr 2019 als Grund. Damals sei noch nicht bekannt gewesen, dass Deutschland ein Ausrichterland sein würde. Außerdem seien die Budgets für Sportrechte begrenzt, so ARD und ZDF auf dpa-Anfrage. Man habe die WM deshalb nicht in die „programmliche Strategie“ aufgenommen und stattdessen nur Nachverwertungsrechte erworben. Erst zu Jahresbeginn sei man erneut in Gespräche mit dem Rechteinhaber getreten. Doch dieser habe seine Live-Rechte weitgehend ausschöpfen wollen. Ergebnis: Free-TV gibt es erst ab dem Viertelfinale. Zum Bedauern von allen Fans gab es keine andere, bezahlfreie Lösung.

Trainer Markus Gaugisch (Deutschland) gibt Anweisungen an der Seitenlinie.
Trainer Markus Gaugisch (Deutschland) gibt Anweisungen an der Seitenlinie.Federico Gambarini/dpa

DHB-Präsident: „ARD und ZDF waren im Tiefschlaf“

Für Michelmann sind diese Erklärungen unzureichend. Er macht deutlich, wie groß der verpasste Moment war:

„ARD und ZDF hätten mit ihrem Rechtevermarkter die WM wirklich preisgünstig haben können, doch sie waren schlicht und ergreifend im Tiefschlaf, als die Rechte vergeben wurden. Das macht mich immer noch sauer.“

Die Konsequenz sei bitter: Bei einer Heim-WM sei „eine einmalige Chance versiebt“ worden.

Später Einstieg – rettet das noch etwas?

Nun übertragen die Öffentlich-Rechtlichen doch noch – allerdings eben erst dann, wenn die Spiele sportlich und marktstrategisch am attraktivsten für die Anstalten sind. Für die Fans bleibt ganz klar die Frage: Wieso erst jetzt? Die Vorrunde hätte doch ideale Bedingungen für Imagepflege, Nachwuchsgewinnung und öffentliche Begeisterung geboten. Stattdessen blieb sie weitgehend hinter einer Paywall verborgen.

Die deutschen Spielerinnen feiern ihren Sieg über Spanien.
Die deutschen Spielerinnen feiern ihren Sieg über Spanien.Federico Gambarini/dpa

Großartige Leistungen, kleinstes Scheinwerferlicht

Während die DHB-Frauen auf der Platte um jeden Ball kämpfen, kämpfen sie medial um Aufmerksamkeit, die ihrer Leistung eigentlich selbstverständlich zustehen müsste. Die Heim-WM hätte ein Fest für Millionen werden können – doch viele konnten die ersten Kapitel dieser Erfolgsgeschichte nicht live miterleben.

Nun geht es aber los. Am heutigen Dienstagabend (9. Dezember, 17.15 Uhr) will die deutsche Nationalmannschaft in Dortmund ins WM-Halbfinale einziehen. Dazu muss sie aber noch Brasilien schlagen. Eine volle Halle und Millionen vor den Fernsehern helfen da ganz sicher.