Eiskalt am Elfmeterpunkt

Ein Berliner Junge wird gefeiert: Antonio Rüdiger ballert Real ins Halbfinale

In Berlin-Neukölln geboren, im Ausland zum Weltstar geworden. Mit seinem verwandelten Elfmeter schoss der 31-Jährige Real Madrid ins Halbfinale der Champions League. Dort wartet jetzt Bayern München.

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... und Tor! Antonio Rüdiger verwandelt eiskalt den entscheidenden Elfmeter gegen Manchester City.
... und Tor! Antonio Rüdiger verwandelt eiskalt den entscheidenden Elfmeter gegen Manchester City.Sports Press Photo/imago

Ganz cool ging er zum Elfmeterpunkt. Antonio Rüdiger wirkte nicht so, als ob die Last des entscheidenden Schusses auf seinen Schultern liegen würde. Ein böser Blick zum Torwart, fünf angetrabte Schritte und dann hämmerte Rüdiger den Ball platziert, links unten, nah am Pfosten, ins Tor. Manchesters Ederson hatte keine Chance, an den Ball zukommen. Der Rest war Jubel. Real Madrid weiter, Manchester City draußen. Und jetzt feiern Mitspieler und die Weltpresse Antonio Rüdiger, den Berliner Jungen, der zum Fußballstar wurde.

Für Toni Kroos war Teamkollege Antonio Rüdiger nicht nur wegen dessen Nervenstärke im Elfmeterschießen des Champions-League-Krimis bei Manchester City der Matchwinner für Real Madrid. „Er gibt der Mannschaft sehr, sehr viel, das hat er heute einmal mehr bewiesen“, sagte der Nationalspieler nach dem Spiel über den 1,90 Meter großen Innenverteidiger, der sowohl im Hin- als auch im Rückspiel City-Starstürmer Erling Haaland nahezu komplett aus dem Spiel genommen hatte.

Toni Kroos: Antonio Rüdiger hat Erling Haaland ausgeschaltet

„Er hat ja letztes Jahr schon angedeutet, wie man gegen Stürmer wie Haaland spielen kann. Das hat er jetzt bestätigt – und zwar über 180 Minuten“, schwärmte Kroos. Im Viertelfinal-Rückspiel am Mittwochabend wurde der Norweger Haaland nach der regulären Spielzeit von Trainer Pep Guardiola ausgewechselt. „Ich glaube, in solchen Spielen wird Haaland auch nicht oft ausgewechselt. Dass das geschehen ist, ist ein großer Verdienst von Antonio“, meinte Kroos.

Antonio Rüdiger, am 3. März 1993 geboren in Berlin, wuchs in Berlin-Neukölln bei seiner alleinerziehenden Mütter, die vor dem Bürgerkrieg in Sierra Leone nach Deutschland floh, auf. Fußball lernte er beim VfB Sperber Neukölln, spielte später bei Hertha 03  Zehlendorf. 2012 debütierte beim VfB Stuttgart in der ersten Bundesliga, zwei Jahre später in der Nationalmannschaft. 2015 wechselte er ins Ausland zur AS Rom. 

Nach dem Elfmeter: Angeführt von Toni Kroos stürmen die Spieler von Antonio Rüdiger los und begraben ihn gleich unter sich.
Nach dem Elfmeter: Angeführt von Toni Kroos stürmen die Spieler von Antonio Rüdiger los und begraben ihn gleich unter sich.Shutterstock/imago

Und Antonio Rüdiger lernte schnell. In den ersten Profijahren war er manchmal zu unbeherrscht, zu spät dran. Vier rote Karten (zwei in Stuttgart, zwei in Rom) gab es in den ersten Jahren. 2017 wechselte er zum FC Chelsea – seitdem blieb Rot aus. Das zeigt aber auch die Qualitäten Rüdigers. Sein Timing hat sich verbessert, wenn er grätscht, dann trifft er auch den Ball.

Einen Sprung nach vorne machte er vor allem bei Real Madrid (seit 2022). Mit seiner Körperlichkeit, seinen Blicken schüchtert der Innenverteidiger seine Gegner ein. Im letzten Jahr ging ein Video viral, das zeigt, wie Rüdiger den Weltklassestürmer Erling Haaland während eines Champions-League-Spiels nervte.  Ihn umklammerte, drängelte, mit geducktem Kopf einfädelte. Haaland hatte sichtbar kein Spaß am Spiel mehr. Inzwischen ist Antonio Rüdiger auch in der deutschen Nationalmannschaft (68 Länderspiele) unumstrittener Boss in der Innenverteidigung.

Fehlerlos ist Rüdiger nicht, auch am Mittwoch nicht gegen Manchester. In der 76. Minute versuchte er eine Flanke zu klären, ließ den Ball aber nur kurz prallen – direkt vor die Füße von Kevin De Bruyne. Der Ausgleich zum 1:1. Und so schreibt die spanische Zeitung Mundo Deportivo nach dem Spiel: „Rüdiger, vom Fehler zur Ekstase im Etihad. Seine großartige Leistung wurde durch einen Fehler getrübt, der zum 1:1 führte, doch im Elfmeterschießen schoss er den entscheidenden rein.“

Im Jahr 2012: Der junge Antonio Rüdiger, noch etwas schmaler, in seinem ersten Jahr beim VfB Stuttgart.
Im Jahr 2012: Der junge Antonio Rüdiger, noch etwas schmaler, in seinem ersten Jahr beim VfB Stuttgart.Pressefoto Baumann/imago

Und auch der englische Guardian huldigt dem Berliner Jungen: „Real Madrid entthront Manchester City, nachdem Rüdiger die Nerven beim Elfmeterschießen behielt. Antonio Rüdiger wurde die ganze Partie über ausgebuht, weil die Fans von Manchester City nicht vergessen hatten, was er als Spieler von Chelsea 2021 im Finale der Champions League mit Kevin De Bruyne gemacht hatte. (...) Und so war es erzählerisch praktisch perfekt, als am Ende eines kräftezehrenden Elfmeterschießens Rüdiger nach vorne schritt, um den Elfmeter zu verwandeln und Madrid zum Gewinner machte, um ein Halbfinale gegen die Bayern klarzumachen, das einem das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.“